Verhaftet?! #15

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Ich halte mir die Hände vor das Gesicht, um nicht dem hellen Sonnenschein ausgesetzt zu sein.
Unter mir höre ich Schreie und plötzliches Flügelrauschen.

Jemand packt mich am Arm, ich will mich dem entziehen.

„Keine weitere Bewegung, wir sind von der Wächtereinheit, sie sind verhaftet!"
„Verhaftet?" Überrascht blicke ich in das Gesicht einer Frau, welche mich streng anschaut.
„Bitte folge sie mir." Sie fliegt voraus und ich habe keine andere Wahl, als ihr zu folgen.
Ich will meine Dolche zurückstecken, als mir auffällt, dass meine Hände leer sind.
Panisch blicke ich zurück, hinter mir gehen sofort weitere Wächter in Kampfstellung. Schuldbewusst drehe ich meinen Kopf zurück und lande neben der Frau vor einem breiten Gebäude. Sie bedeutet mir, meine Flügel zurückzunehmen und ich tue rasch, was sie verlangt.
Erst jetzt sehe ich, dass sie meine Dolche in der Hand hält und erleichtert atme ich aus.

„Nehmen sie Platz und warten sie hier, es wird gleich jemand kommen." Die Frau hat mich in einen kleinen, quadratischen Raum mit einem Tisch und vier Stühlen geführt. Sofort ist mir klar, wo ich bin. Sie legt mir ein schmales, schwarzes Band um das Handgelenk und verlässt den Raum. Sofort befällt mich ein flaues Gefühl, ich fühle mich schwach und müde.

Die Augen geschlossen, warte ich, bis sich die Tür öffnet.
„Guten Tag, ich bin Nerim, ich werde ihren Fall bearbeiten."
Meinen Fall? Was für einen Fall?
„Ich glaube da liegt ein Missverständnis vor." Kläre ich auf. „Ich bin auf dem Nachhauseweg angegriffen worden."
Er öffnet sein Mäppchen und ohne auf meine Worte einzugehen, notiert er sich etwas. „Auf ihrem Ausweis steht, dass sie im Himmel leben. Bei wem absolvieren sie ihre Ausbildung?"
„Casey Lindon Ray." Er notiert sich erneut etwas. Langsam werde ich ungeduldig.
„Sie hatten zwei Dolche bei sich, wie erklären sie sich dies."
„Das sind meine." Sage ich wahrheitsgemäss. „Ich benutze sie in meiner Ausbildung."
„Warum haben sie die Dolche mit in die Hölle genommen? Jede Waffe muss beim Eingang registriert und vorangemeldet sein."

Ich schaue zu Boden. „Das habe ich nicht gewusst. Ich hatte auch nicht vor, diese zu benutzen."
„Warum sind die überhaupt in der Hölle? Wenn mich mein Zeitgefühl nicht täuscht, haben wir keine Ferien."
„Unsere Ausbildnerin ist auf einer Konferenz und hat uns freigegeben."
„Casey Lindon Ray trainiert seit drei Jahren keine Schüler mehr." Er schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Sie hat dieses Jahr eine Ausnahme gemacht." Sage ich, merke selbst, dass es nicht die glaubwürdigste Erklärung ist.
„An einem ihrer Dolche haben wir Blut gefunden, welches nicht ihres ist. Sie sind hier in der Hölle, obwohl sie Unterricht hätten, ihre Trainerin unterrichtet seit drei Jahren keine Schüler mehr. Und wäre das nicht schon alles, habe sie ihre Kräfte gegen andere Eingesetzt, obwohl sie als Gast dazu keine Berechtigung hatten."

Zugegeben, das klingt nicht sehr gut.

„Ja, aber ich bitte sie, sie können Ray persönlich benachrichtigen, oder meinen Klassenlehrer Aries Gray. Sie werden ihnen bestätigen, dass alles ein großes Missverständnis ist. Ichwurde angegriffen und hatte in keinerlei Hinsicht die Absicht, jemanden anzugreifen oder zu verletzen."
Er schreibt sich fleißig Notizen und das kratzen des Stiftes macht mich halb wahnsinnig.
„Ich werde mich gleich mit beiden ihrer Lehrer in Verbindung setzen. Jemand wird sie in die Zelle bringen und wieder holen, wenn ich alles geklärt habe."
Erleichtert nicke ich. Aries und Ray werden dies sicher klären, dann wird alles gut.

Die gleiche Frau, welche mich vorhin festgenommen hat, bringt mich ein eine kleine Zelle. Meine Füße schleifen mehr über den Boden als ich laufe, und bin erleichtert, das es in der Zelle eine Bank hat, auf welche ich mich setzen kann.
Müde reibe ich meine Augen und lege mich hin. Die Bank ist kalt und keineswegs angenehm, aber ich bin froh, kurz Ruhe zu haben. Erleichtert, dass mir nichts passiert ist, überlege ich, ob ich die Männer anzeigen soll, aber ich habe mir ihre Gesichter kaum gemerkt.
Alles ging so schnell und ich hatte meine Augen halb geschlossen. Anzeige erstatten kann ich auch noch später, jetzt geht es erst mal darum, wieder nach Hause zu kommen.

Laute Schritte und aufgebrachte Stimmen lassen mich aufschrecken.
Ein stechender Schmerz zieht sich meine Wirbelsäule hinauf und ich stöhne auf. Mühsam rapple ich mich auf und strecke meinen Rücken durch. Ich muss eingeschlafen sein.
Die Stimmen werden lauter und im nächsten Moment biegen zwei Gestalten um die Ecke.
Sofort wird mir ganz warm ums Herz. Ein hochgewachsener Mann läuft mit verschränkten Armen hinter einem Wächter her, welcher ziemlich eingeschüchtert wirkt.

Als Aries mich sieht, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Der Wächter schließt die Türe auf und nimmt mir das kleine schwarze Armband ab.
Meine Müdigkeit ist sofort wie weggeblasen und ich springe förmlich auf.
„Was hast du nur wieder angestellt? Da wird man mitten in der Nacht geweckt, nur um mitzubekommen, dass seine Schülerin verhaftet worden ist. Dazu noch in der Hölle!" Tadelt er mich.
Entschuldigend zucke ich mit den Schultern. „Du kannst mir alles später erklären, komm erst mal mit." Aries geht voraus, bis in den Empfangsbereich und klopft dort auf den Tresen.

„Entschuldigung, ich bin hier um meine Schülerin Alva abzuholen und nach Hause zu bringen." Informiert er den Wächter. Dieser gibt ihm einige Zettel und einen Stift.
„Unterschreiben, das sie die volle Verantwortung für Alva Devyns Handeln und deren Konsequenzen in Kauf nehmen, auch ihr..."
„Ja, ich kenne die Geschichte. Ich möchte zudem Anzeige gegen die Männer erstatten, welche sie angegriffen haben."
Der Wächter schaut ihn ungläubig an. „Aber Sir. Wir müssen diese zuerst wieder..."
„Machen sie es einfach, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Danke."
Er schiebt die unterschriebenen Papiere zurück und schnappt sich meine Dolche hinter dem Tisch hervor.
„Hier, bitte." Erst jetzt merke ich, dass er die ganze Zeit meine Tasche umgehängt hat, welche er mir jetzt aushändigt.
„Gehen wir nach Hause." Ich trete hinter ihm auf die Straße, er nimmt meine Hand. Sie ist warm und ich schaue zu ihm auf. Ohne mich anzusehen, holt er mit der anderen Hand ein Objekt hervor.

„Lass nicht los." Warnt er. Niemals. Ich nicke und im nächsten Augenblick zieht mich etwas nach oben.

Mir wird schwarz vor Augen und plötzlich stehe ich in meinem Wohnzimmer im Himmel.
„Was...?" „Ein Teleportierer." Erklärt er nur.
„Ich dachte ich erspare uns den langen Heimflug, damit du morgen," er schaut auf seine Armbanduhr. „Beziehungweise heute Nachmittag genug Energie hast." Er grinst.
„Danke." Bedanke ich mich.
Mir wird klar, dass er bei mir im Wohnzimmer steht, als ich ein leises Rumpeln aus einem der Zimmer höre. „Ich bin wirklich müde." Sage ich schnell.
„Oh, ja klar, wir sehen uns später." Er lächelt, hält inne, als ob er überlege, mir die Hand zu geben, was er dann aber doch lässt. Ich begleite ihn noch bis zur Türe.
„Schlaf gut Alva." Verabschiedet er sich.
„Schlaf du auch gut, Aries." Ich schaue ihm noch nach, als er davonfliegt, fasziniert, von seinen leuchtenden Flügeln. Erst als ich ihn nicht mehr sehe, schließe ich die Tür.

Hinter mir quietscht eine Türe leise eine.

Jemand hat mich – uns - beobachtet?
Wer würde das sein?
Wer ist momentan überhaupt auch zuhause?
Ich schüttle den Kopf und haste in mein Zimmer, schmeiße meine Tasche in die Ecke und falle auf das weiche Bett.

Ich bin so müde.

Irgendwie habe ich das Gefühl, ständig müde zu sein. Ich versuche einzuschlafen, aber ein Gedanke kreist mir ständig im Kopf herum.
Warum musste Aries so viel unterschreiben, nur um mich aus der Zelle zu holen. Und warum hat er den Beamten die ganze Zeit unterbrochen?
Vielleicht war er einfach nur genervt und wollte schnell weg.
Ich seufze.
Bestimmt mache ich mir wieder nur zu viele Gedanken um etwas, das unwichtig ist.

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Na das war mal eine aufregende Heimreise ;))

White WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt