Ausgerechnet in diesem Moment kam Namjoon hinter einer Ecke hervor und steuerte auf uns zu.

,,Oh, hey. Wie lief die Operation?“, fragte er mich, obwohl er genau wusste, was meine Antwort sein würde. Nämlich schweigen.

Er hatte mir noch Stunden nach Jungkooks Tod verschwiegen, dass dieser gestorben war. Er hatte mich im Unwissen gelassen und mich über den Tod meines Ehemannes nicht umgehend aufgeklärt.

Er war sogar zu feige gewesen, es mir selber ins Gesicht zu sagen. Weshalb Jimin diese Aufgabe übernommen und mich aufgeklärt hatte.

Aufgrund dieser Tatsache wollte ich den Blondschopf weder sehen, noch von ihm hören und ihn auch nicht sprechen. Ich wollte ihn nicht mehr in meinem Leben.

Also schaute ich ihn kurz an und flüsterte Taehyung etwas zu, ehe ich mich wieder auf den Weg machte.

,,Ich gehe schon mal vor. Wir sehen uns gleich“.

Mit diesen Worten ließ ich die beiden stehen und verschwand im Aufzug.

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,,Ihr Zustand ist noch kritisch. Ich werde heute Nacht hier bleiben und sie beobachten“, teilte Taehyung der Mutter unserer Patientin mit.

Die Operation war recht gut verlaufen und hatte keine großen Komplikationen aufgewiesen. Wir hatten das Leben des kleinen Mädchens retten können.

Doch ihre jetzige Verfassung war nicht vollkommen stabil und es war unklar, ob in den nächsten Stunden auch keine Probleme auftauchen würden.

Deshalb wäre es sicherer, wenn heute Nacht jemand bei ihr bleiben würde und auf sie aufpassen würde. Denn falls wiklich etwas passieren sollte, wäre ein Arzt sofort zur Stelle.

,,Nein, ich...werde heute Nacht bei ihr bleiben“, nickte ich der Mutter zu.

Taehyung warf mir einen besorgten Blick zu und gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen.

,,Ich kann auch bleiben“, bemerkte er.

,,Nein. Du hast heute Abend doch deine Verabredung. Du kannst dem Typen nicht kurz vorher absagen. Außerdem muss ich noch ne Menge
Witwenschmaus essen und mich bemitleiden“, scherzte ich, was mich wieder einmal stark an Jungkook erinnerte.

Er hatte immer in den unpassendsten Situationen einen Witz parat und wusste, wie man eine deprimierte Lage weniger deprimiert wirken ließ.

,,(Y/N)...“.

,,Na los, raus hier. Krall ihn dir“, ermutigte ich meinen Freund und schaffte es sogar kurz zu lächeln.

,,Okay...“, stimmte er nicht ganz überzeugt zu und ließ mich wieder meine Arbeit machen.

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Mitten in der Nacht spürte ich, wie mich jemand sanft zudeckte und das kleine Licht neben mir ausschaltete. Ich riss die Augen auf und erkannte Jimin, welcher mich überrascht anschaute.

,,Entschuldige. Habe ich dich geweckt?“, wollte er wissen.

,,Nein, alles gut. Ich bin wohl kurz eingenickt“, stand ich auf und schaute sofort nach der Patientin.

Die Werte der Kleinen waren stabil und ihr schien nichts zu fehlen. Wenn sie die nächsten Stunden nach der Op überlebt hatte, dann würde normalerweise nichts mehr passieren.

,,Wollen wir uns einen Kaffee holen?“, schlug Jimin vor, da ihm mein müdes Gesicht auffiel.

Ich willigte gähnend ein und wir verließen das Zimmer, um uns zum Kaffeeautomaten zu begeben, welcher nur wenige Meter weiter weg stand.

Dadurch hatte ich immer noch eine gute Sicht auf das Kind und konnte so weiterhin Ausschau nach ihr halten.

,,Wieso bist eigentlich noch hier? Ich dachte, deine Schicht wäre vorbei?“, reichte mir der Pinkhaarige einen Becher.

,,Wir wollten sichergehen, dass es ihr gut geht. Und da Taehyung heute sein Date hat, habe ich ihm die Aufgabe abgenommen“.

,,Verstehe“.

Die nächsten Sekunden vergingen in voller Stille, da die Beziehung zwischen uns seit Jungkooks Tod nicht mehr dieselbe war.

Er fühlte sich für diesen Verlust immer noch verantwortlich, obwohl ich ihm immer wieder eintrichterte, dass es nicht der Fall war.

,,Wie...wie läuft es eigentlich mit Doktor Namjoon? Habt ihr-“.

,,Ich möchte seinen Namen nicht hören“, unterbrach ich ihn.

,,(Y/N), das kann so nicht ewig weitergehen. Ihr seid doch nicht nur Kollegen, ihr wart auch mal Freunde“, erinnerte er mich.

,,Ja, du hast recht. Das waren wir Mal“, schaltete ich auf stur.

Die Wut auf Namjoon war einfach so groß, dass ich mich nicht anders verhalten konnte. Höchstwarscheinlich war dieses Verhalten unglaublich kindisch und unreif. Doch das interessierte mich recht wenig.

,,Du hast nicht einmal einen Grund, ihn so zu behandeln“, bemerkte Jimin.

,,Ich habe keinen Grund dazu? Keinen Grund?! Er hat mir die Gelegenheit genommen nach dem Tod meines Mannes bei ihm sein zu können! Ich erfuhr erst Stunden später, dass er in seinem Op gestorben war! Dabei hatte er nicht einmal den Anstand es mir selbst zu sagen!“, wurde ich plötzlich laut.

,,Ich verstehe dich, okay? Sein Handeln war nicht angebracht und hat dich verletzt aber dann müsstest du auch auf Taehyung wütend sein, weil er dir etwas vorgespielt und dir mitten ins Gesicht gelogen hat. Du müsstest auch auf mich wütend sein, weil ich Jungkook nicht retten konnte und weil ich dich ebenfalls belogen habe. Aber sei nicht wütend auf ihn, weil er dich davor bewahrt hat, eine unschuldige Frau auf deinem Op Tisch sterben zu lassen“, blieb er ruhig.

Nach diesen Aussagen fehlten mir die Worte, weshalb ich schwieg und in meinen Kaffeebecher starrte.

,,Menschen werden krank und Menschen sterben. Entscheidungen werden getroffen und bestimmen den Lauf der Dinge. Das ist das Leben und wir beide wissen, es kann verdammt kurz sein. Deshalb frage ich dich, willst du dein Leben mit unnötiger Wut verschwenden oder lieber dankbar sein, dass du noch hier bist und Menschenleben retten darfst?“.

Eine Antwort wartete er nicht ab. Stattdessen ließ er mich in Ruhe darüber nachdenken und wusste dabei ganz genau, dass ich ihm recht geben würde.

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Versichert ◃▹ Jeon Jungkook x ReaderWhere stories live. Discover now