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„Also, was kann ich tun?" wollte ich wissen, als ich das Zimmer eines mir noch unbekannten Patienten betrat und Jung Hoseok, den Oberarzt der Allgemeinchirurgie sah.

„Du kannst erstmal den ganzen Papierkram erledigen." lachte er.

Er war einer der nettesten Ärzte, die ich in meinen ersten Jahren als Assistensärztin kennengelernt hatte und einer der wenigen, die mich seit Anfang meiner Ausbildung nicht wie eine "Last" behandelt hatten.

Ich durfte mehrmals ohne seine Aufsicht die Patienten behandeln und anhand ihrer Symptome ihre Krankheit feststellen.

Er hatte mir von Anfang an vertraut und mich nicht ständig nur rumkommandiert oder als einen unfähigen Anfänger abgestempelt.

Sein einziger Nachteil war seine abstoßende Art dem Papierkram gegenüber. Er konnte es wirklich nicht ausstehen immer und immer wieder die Akten der Patienten auszufüllen, weshalb ich hinhalten musste.

„Das können Sie nicht ernst meinen?" fragte ich, obwohl ich genau wusste, dass es sein voller Ernst war.

„Und wie ernst ich das meine. Nach einer ganzen Woche hat sich da so einiges angestaut. Also an die Arbeit." forderte er mich auf und scheuchte mich lächelnd aus dem Zimmer.

Voller Enttäuschung machte ich mich an die quälende Arbeit, die ein angehender Arzt verabscheute. Papierkram war nun wirklich nicht das, wofür ich jahrelang studiert hatte.

Manchmal kam es mir so vor, als hätte ich mein ganzes Leben für diesen Job weggeschmissen. Doch immer wieder wurde mir klar, dass dieser Job mein Leben war.

Ich hatte mit meinen 27 Jahren keinen Ehemann und keine Kinder. Silvester verbrachte ich meistens damit, betrunkene Patienten zu behandeln, heulende Ehefrauen zu beruhigen oder den Teenagern zu sagen, dass sie vorsichtiger sein sollten.

Durch die große Anzahl an Arbeitsstunden hatte ich kaum Zeit für privates.

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Nach mehreren Stunden war ich endlich fertig und konnte die ganzen Patientenakten und anderen Papierkram, der dazu gekommen war, an der Rezeption abgeben. Als ich dort ankam, entdeckte ich den Mann, der mich zuvor im Fahrstuhl angesprochen hatte.

„Hey." begrüßte ich ihn lächelnd. „Und, ist alles gut gegangen?"

„Hey...wohl kaum." erwiderte er niedergeschlagen.

„Oh, das tut mir leid."

„Ich kanns ihr nicht mal übel nehmen. Meine Beweggründe waren wohl falsch. Ich meine, ich mochte sie. Ich mochte sie wirklich. Sie war bezaubernd. Nur mochte ich ihre Krankenversicherung mehr als ihren Charakter." gestand er und kratzte sich am Hinterkopf.

Ich schaute ihn überrascht an und steckte meinen Stift in die Tasche meines Kittels.

„Sie sind nicht versichert?"

Er schüttelte mit dem Kopf und sah dabei leicht beschämt zu Boden.

„Die letzten vier Operationen habe ich schon mit meiner Kreditkarte bezahlt."

„Dürfte ich mir Ihre Krankenakte ansehen?" fragte ich.

„Klar. Nur zu."

Ich holte aus der kleinen Tasche seines Rollstuhls seine Krankenakte und warf einen kurzen Blick hinein.

„Ist etwas harter Lesestoff. Ich will Sie nur warnen."

Ich schaute ihn dankend an und widmete mich seiner Akte, die zu meiner Überraschung ziemlich lang war.

„Wow. Verstehe, Sie leiden an VHL. Und Sie waren in den letzten drei Jahren über 200 Tage im Krankenhaus."

„Ja. Jeden einzelnen von diesen Tagen habe ich in guter Erinnerung." bemerkte er lachend.

„Doktor Kim ist ihr Chirurg? Der Chefarzt?"

„Nicht mehr. Ich werde heute entlassen." gab er Bescheid.

„Sie haben einen äußerst gefährlichen Tumor. Er wird Sie nicht einfach auf die Straße setzen." versicherte ich. „Vielleicht kann ich Ihnen helfen."

„Ich weiß ja nicht, wie teuer das wird aber ich bin mir sicher, ich kanns mir nicht leisten."

„Mal schauen, was ich tun kann." bemerkte ich lächelnd und machte mich auf den Weg in das Büro des Chefarztes.

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Ich klopfte an die Tür und trat nach einem "Ja?" herein.

„Namjoon? Können wir reden?"

Namjoon nickte und zeigte mir mit einer Kopfdeutung, dass ich mich hinsetzen sollte.

„Du bist wieder da." bemerkte er.

Kim Namjoon war der Chefarzt der Chirurgie und des gesamten Krankenhauses. Er allein bestimmte, wie die Dinge hier abliefen und wer was tat. Er legte die Regeln fest und sorgte dafür, dass sich alle an diese hielten. Kurz gesagt: Er war der Boss, der alles leitete.

„Ja, ich bin wieder da. Aber darum geht es nicht. Ich möchte mit dir über Jeon Jungkook reden. Er braucht dringend eine Operation. Nur hat er leider keine Krankenversicherung." erklärte ich. „Kannst du da nicht irgendwas tun?"

„Mister Jeon braucht eine langfristige medizinische Versorgung. Das können wir als Krankenhaus nicht übernehmen."

„Heißt das also, wir tuen gar nichts?" fragte ich erschüttert.

„Doch. Er kriegt Medikamente verschrieben und eine Weiterleitung in eine Klinik."

„Dann können wir auch gleich gar nichts tun!" bemerkte ich aufgebracht.

„Hör zu, (Y/N). Ich wünsche mir von ganzem Herzen, ich könnte ihm helfen. Ehrlich. Aber wir können uns das einfach nicht leisten."

„Das ist doch Schwachsinn! Es gibt immer eine Möglichkeit! Wenn wir überlegen un-"

„Doktor (Y/N). Das reicht jetzt wirklich." unterbrach er mich.

Seine Augen fixierten mich und zeigten mir, dass mein Verhalten ihm gegenüber höchst unangebracht war.

„Es tut mir leid." entschuldigte ich mich und brachte meinen kleinen Wutanfall wieder unter Kontrolle.

Der Raum füllte sich plötzlich mit Stille und wir beide starrten uns einfach nur schweigend an, ehe ich etwas sagte.

„Okay, hör zu...Ich weiß, dass es zwischen uns merkwürdig ist. Ich habe dich verletzt und kann es nicht wieder gut machen aber ich...ich würde gerne etwas Gutes tun."

Einer der Gründe für meine Urlaubswoche war der blonde Mann vor mir.

Namjoon und ich führten seit einigen Monaten eine rein sexuelle Beziehung. Alles lief toll, wir stillten unser gegenseitiges Verlangen und hatten Spaß.

Doch als er mich gefragt hatte, ob ich eine feste Beziehung eingehen möchte, hatte ich es sofort beendet. Seine plötzlichen Gefühle für mich waren nicht geplant gewesen und hatten mich vollkommen überrumpelt.

Ich wollte nicht wie eine Hure dastehen, die sich hochgeschlafen hatte, denn das hatte ich nicht. Ich hatte nie eine Beförderung oder einen bestimmten Posten von ihm verlangt und das hatte ich auch nicht vor.

„Ich werde ein Meeting mit dem Prüfungsausschuss einberufen." sagte er seufzend und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Laptop vor ihm.

„Ich danke dir."

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Versichert ◃▹ Jeon Jungkook x ReaderWhere stories live. Discover now