Kapitel 29

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Wie zu einer Salzsäule erstarrt stehe ich hier und starre Jason an, unfähig ein Wort zu sagen. Ich sollte wenigstens ein ‚Danke' hervorbringen, aber meine Stimme würde mir versagen. Also nicke ich bloß ganz langsam.

Jason will gerade etwas sagen, doch ich unterbreche ihn mit einem weiteren Hustenanfall. Es ist nicht gerade schön, Meerwasser zu schlucken. Ich brauche dringen Wasser, das nicht versalzen ist, damit sich meine brennende Kehle ein wenig beruhigt.

„Komm, wir gehen raus. Dann kannst du was trinken", meint Jason und schon zieht er mich sanft nach draußen. Obwohl ich das kribbelnde Gefühl auf meiner Haut und dieses Herzrasen gerade nicht ertragen will, weigere ich mich nicht.

Kurz schaue ich über meine Schulter und sehe, wie Maddie und Luke uns hinterherschauen, doch keiner der beiden folgt uns. Ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll oder nicht.

Aus dem Wasser draußen reiße ich mich von Jasons Hand los, die meinen Arm festgehalten hat. Schließlich will ich noch klar denken können. Bei unserem Platz überreicht mir Jason wortlos seine Wasserflasche, die ich dankbar annehme und fast in einem Zug austrinke. Das tut wirklich gut.

Dann lege ich mich auf mein Handtuch und schließe die Augen. Ich bin so erledigt, dass ich auf der Stelle einschlafen könnte. Doch der Gedanke daran, dass Jason direkt neben mir ist, hält mich wach, denn seine Gegenwart macht mich richtig nervös.

Erst gestern am Abend haben wir uns geküsst und heute schweigen wir uns an, ohne das wir wissen, wie es weiter geht.

„Ronnie, können wir kurz reden?"

Nein, denke ich mir. Nicht hier. Nicht jetzt.

Trotzdem öffne ich meine Augen.

„Ich ertrag es nicht, wenn wir uns so ignorieren. Bitte, lass uns das klären", er klingt tatsächlich ein wenig verzweifelt.

„Das ist weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt", erwidere ich. „Hör zu, wir werden reden. Über alles. Aber nicht jetzt. Und bis es soweit ist, brauche ich Zeit, um darüber nachzudenken. Kannst du mir den einen Gefallen tun?"

Jason zögert. „Unser Kuss gestern. Ich will nur, dass du weißt, dass ich ihn nicht bereue. Und dass er ernst gemeint war."

Sofort schlägt mein Herz wie verrückt. Seine Worte berühren etwas in mir, sodass sich unweigerlich Tränen in meinen Augen bilden, doch ich blinzle sie fort.

Ich antworte nichts mehr darauf, sondern schließe erneut die Augen, auch wenn ich mich am liebsten in seinen Armen kuscheln würde.

Bald schon sind Maddie und die anderen ebenfalls aus dem Wasser zurück, wobei Clara und Emma wohl noch eine Fotosession machen.

„Wollen wir auf das Schiff rauf?", fragt Luke und inspiziert schon ganz begeisterst das alte, mit Graffiti übersprühte Schiff, oder das, was davon übrig ist.

Alle stimmen zu und auch ich stehe auf und suche nach meinen Schuhen. Ich rate jedem davon ab, dieses Schiff barfuß zu betreten. Die scharfen, rostigen Kanten können wirklich gefährlich sein und außerdem ist es so stark von der Sonne aufgeheizt, dass man sowieso keinen Schritt mit nackter Haut darauf machen kann.

Nacheinander klettern wir die schon ziemlich kaputte Leiter hoch. Oben angekommen sehe ich mich erstmal ein wenig um. Der Boden hat schon ziemlich viele Löcher. Mich wundert es wirklich, dass sie überhaupt noch Touristen hier rauf lassen.

„Kommt Leute, Gruppenselfie", ruft Cora und trommelt uns alle zusammen, soweit das hier möglich ist. Irgendwie schaffen wir es schließlich uns so hinzustellen, dass alle aufs Foto raufpassen.

Danach machen Maddie und ich noch Fotos mit der typischen Titanic-Pose, doch die Fotos werden nicht wirklich schön, sodass wir darüber nur lachen können.

„Wir müssen bald wieder aufs Boot zurück", sagt Adrian irgendwann, also klettern wir nach unten und packen unsere Sachen zusammen. Schade, dass die Zeit so schnell vergeht. Ich wäre wirklich gerne länger hier gewesen, doch das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Leider. Das würde vieles vereinfachen.

Als wir den Strand verlassen haben und uns wieder auf dem Boot befinden, überprüft unsere Reiseführerin, ob wirklich alle anwesend sind. Wäre auch zu blöd, wenn jemand hier vergessen werden würde.

Das Boot fährt aus der Bucht heraus und schon ist sie hinter einem Felsen verschwunden. Ich kann es jetzt schon nicht mehr glauben, dass wir gerade dort waren.

Im Bus überredet uns Cora, dass wir uns alle ganz nach hinten setzen, damit wir irgendwas spielen können während der Fahrt. Also setzen wir fünf Mädels uns in die letzte Reihe, die Jungs setzen sich in die zwei Reihen vor uns.

„Und was für ein Spiel schlägst du vor?", fragt Luke skeptisch. „Ich weiß gar nicht, wie man ohne Alkohol spielt", meint er und bringt uns damit zum Lachen.

„Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben, du Säufer", sagt Emma amüsiert.

„Man kann auch ohne Spaß Alkohol haben", erwidert Luke.

„Bist du wirklich so feige, dass du dir erstmal Mut antrinken musst?", provoziere ich ihn.

„Mal sehen, wie viel du dich traust, bevor du hier groß redest", antwortet er.

„Jetzt beruhigt euch alle miteinander. Ich rede doch nur von Black Stories", klärt Cora uns auf.

Somit verbringen wir die zwei Stunden Busfahrt damit, absurde Fälle aufzuklären, was sich als schwieriger als gedacht herausstellt.

„Endlich", ruft Maddie begeistert, als sie den Bus verlassen hat. „Ich habe schon richtig Hunger."

Auch mein Magen knurrt schon. Meine letzte Mahlzeit war viel zu lange her. „Gehen wir was Essen?", frage ich also in die Runde, obwohl sich mein Bett auch ziemlich verlockend anhört. Aber eins nach dem anderen.

„Ich sollte mal mein Essen aufbrauchen, dass sich noch im Kühlschrank befindet. Wie wäre es, wenn ihr euch was holt und dann treffen wir uns bei mir und essen dort", schlägt Luke vor.

„Von mir aus. Hauptsache Essen", antworte ich.

Mit Essen ausgerüstet klopfen wir eine halbe Stunde später bei Lukes Zimmer. Sein Einzelzimmer im Erdgeschoss bietet nicht so viel Platz, weswegen wir uns alle raus auf die Terrasse setzen und unsere Bäuche vollstopfen.

„Gehen wir heute feiern? In die Logos Bar? Ich habe wieder richtig Lust zu tanzen", sagt Cora motiviert. Mir fallen allein bei den Gedanken daran schon die Augen zu. Ich brauche dringend Schlaf.

„Das ist eine tolle Idee", schließt sich Clara an.

„Warum nicht?", meint Adrian schulterzuckend.

Ich schließe mich aus der Diskussion aus und gehe in Lukes Zimmer hinein. Das Bett hat mich schon die ganze Zeit angelächelt. Seufzend lasse ich mich darauf fallen, völlig gleichgültig, dass es nicht meines ist, und schließe zufrieden die Augen.

Leise, aber doch verständlich, dringen die Stimmen von den anderen zu mir durch.

„Geht's ihr gut? Sie hat heut wirklich fertig ausgesehen", höre ich Luke sagen.

„Das habe ich mir auch schon gedacht. Und das nicht nur heute" stimmt Cora zu.

Ich hasse es, andere Menschen über mich reden zu hören. Können sie das nicht machen, wenn ich nicht dabei bin? Dass ich es wenigstens nicht mitbekomme?

„Sie braucht nur Schlaf. Ich denke, das würde uns allen nicht schaden", antwortet Maddie, obwohl sie genau weiß, dass es nicht nur der Schlaf ist, auch wenn ich ihr nichts von dem Kuss erzählt habe. Sie kennt mich.

„Jason, du bist doch immer bei ihr. Weißt du, was bei ihr los ist?", fragt Emma und ich bin kurz davor, mir gegen die Stirn zu schlagen. Ja Jason, sag ihnen doch, was mich so fertig macht.

Kurz ist es still. Doch dann nehme ich seine Stimme wahr.

„Nein." Lüge. „Aber ich werde mich darum kümmern." 

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