Kapitel 17

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Als mein Wecker um halb vier morgens klingelt, würde ich ihn am liebsten gegen die nächstbeste Wand schmeißen und weiterschlafen. Ich fühle mich so unausgeschlafen, wie schon lange nicht mehr. Kein Wunder nach meinen knappen zwei Stunden Schlaf. Außerdem ist mir noch immer ein bisschen schwindelig und übel, dank des Alkohols. Aber was soll's. Am Ende wird mir es das ganz bestimmt wert sein.

Mühsam quäle ich mich aus dem Bett und gehe kurz auf den Balkon, um frische Luft zu schnappen. In einigen anderen Zimmern ist das Licht ebenfalls an. Anscheinend wollen auch sie sich der Wanderung anschließen. Da fällt mir übrigens ein, dass ich vielleicht bei Clara anklopfen sollte. Schließlich kommt sie ja auch mit.

Schnell ziehe ich meine Sportkleidung und feste Schuhe an. Nachdem ich mich versichert habe, dass auch alles in meinem Rucksack drinnen ist, was ich brauche, verlasse ich mein Zimmer und klopfe leise bei Clara an.

Kurz darauf öffnet sie die Tür und deutet mir, leise zu sein, da ihre Mutter gerade schläft.

„Ich bin gleich soweit", flüstert sie, verschwindet wieder ins Zimmer und kommt einen Augenblick später zurück. „Gehen wir", sagt sie und ich bin wirklich dankbar, dass wohl auch sie zu müde ist, um zu plaudern.

Als wir bei den anderen ankommen und ich Jason sehe, nagt augenblicklich das schlechte Gewissen an mir. War ich vorher doch zu scheiße zu ihm? Schließlich wollte er mich ja nur nach Hause begleiten. Er wollte sich doch nur vergewissern, dass ich ohne Probleme zu mein Zimmer gelange, oder? Wenn ich im Nachhinein über mein Verhalten von vor ein paar Stunden denke, könnte ich mich selbst ohrfeigen. Ich sollte meine Stimmungsschwankungen echt besser in den Griff bekommen.

Als Jason kurz zu mir blickt, lächle ich ihn vorsichtig an, doch er erwidert es nicht, sondern wendet seinen Blick ab. Sofort erstirbt mein Lächeln und ich habe das Gefühl, als würde sich meine Brust schmerzvoll zusammenziehen. Verdammt, was soll das? Ich will nicht wegen ihm verletzt sein. Nicht schon wieder.

„Und, seid ihr fit?", fragt Adrian belustigt in die Runde, der sehr wohl weiß, dass die Antwort nein lautet. Vor allem bei denen, die überhaupt nichts geschlafen haben.

„Halt die Klappe", zischt Luke, der es wohl am meisten bereut, sich zu der Wanderung zu überreden hat lassen. „Wenn das nicht das schönste Erlebnis des Urlaubs wird, könnt ihr was erleben."

„Da ist aber jemand gut gelaunt", lacht Cora.

„Ronnie, du musst mir noch etwas erzählen", flüstert Maddie, sodass es die anderen nicht hören können.

„Was denn?", frage ich unwissend, obwohl ich glaube zu wissen, worauf sie anspielt.

„Wohin sind Jason und du gestern für eine Weile verschwunden?"

Wusste ich es doch. „Wir waren nur vor der Bar. Es ist überhaupt nichts Spannendes passiert, glaub mir", erzähle ich ihr wahrheitsgemäß.

„Kein Streit? Keine Liebeserklärungen?", fragt sie mit einem Grinsen im Gesicht.

„Doch, wir haben uns gegenseitig unsere Liebe gestanden, geheiratet und Zwillinge namens Jonnie und Rason gezeugt. Versteht du, die Namen sind Mischungen aus unseren beiden Namen, weil wir uns so unglaublich lieben", antworte ich augenverdrehend.

Maddie beginnt laut loszulachen, was die Blicke der anderen auf uns zieht, die uns komisch anschauen. Doch bevor sie sich einmischen können, tauchen die beiden Sportler von der Organisation auf, die uns auf den Berg führen werden.

Kurz wird überprüft, ob noch jemand fehlt, doch alle, die sich angemeldet haben, sind anwesend. Insgesamt sind wir 17 Leute, die mitkommen. Einige kenne ich vom Sehen her, andere sind mir völlig unbekannt, wie ein Junge und ein Mädchen, die ungefähr in unserem Alter sein müssten. Sie tun mir irgendwie leid, da sie etwas verloren wirken, so wie sie am Rande der Gruppe stehen und sich schüchtern umsehen. Der Rest ist für mich uninteressant, da sie Erwachsene sind.

Mit zwei kleineren Bussen fahren wir los. Eine viertel Stunde später kommen wir zum Start unserer Wanderroute. Freudiger Erwartung blicke ich an den Berg hinauf. Ganz dunkel ist es nicht, da der Mond ziemlich voll ist und somit die Gegend erleuchtet. Ich liebe solche Nächte. Viel munterer als vorher stecke ich mir meine Kopfhörer ins Ohr, drehe Musik auf und gemeinsam gehen wir los.

Ich versuche einfach an nichts zu denken, konzentriere mich nur auf meine Musik, auf die Schritte, die ich mache und genieße den hellen Mondschein. Es ist fast eine Art Meditation. Man denkt einfach an nichts und macht einen Schritt nach dem anderen. Das ist unglaublich entspannend. Genau das, was ich brauche.

Wir gehen und gehen immer weiter. Die Zeit vergeht, langsam wird es auch immer heller. Unterwegs kommen wir an einem Punkt vorbei, bei dem man eine wundervolle Aussicht über die Hauptstadt der Insel hat. Der Ausblick auf die Stadt, die hell erleuchtet ist, ist einfach traumhaft. Irgendwann möchte ich auch einmal in die Stadt hineinfahren, aber das muss ich dann mit den anderen bereden. Oder vielleicht mit meiner Mutter, dass sie mich auch einmal wieder zu sehen bekommt.

Kurz, bevor wir an unserem Ziel sind, kommen wir an einem Kloster vorbei, das wunderschön in diesem Licht aussieht. Es ist schon ziemlich hell, trotzdem ist noch etwas Zeit, bis die Sonne tatsächlich aufgeht.

Vor dem letzten Stück, das zum Gipfel führt, endet der Weg und wir müssen weiter klettern, was mir absolut nichts ausmacht. Im Gegenteil, ich liebe es, zu klettern. Voller Motivation überwinde ich das letzte Stück. Ganz oben angekommen lasse ich mich höchst zufrieden auf einen größeren Stein nieder und blicke dann aufs Meer. Dieser Anblick ist einfach wunderschön. Ich würde am liebsten den ganzen Tag hier sitzen und aufs Meer hinausstarren.

„Wirklich schön, nicht wahr?"

Ich bin wirklich so fasziniert vom Meer, dass ich gar nicht gemerkt habe, als sich Jason neben mich gesetzt hat. Beim Klang seiner Stimme schrecke ich kurz zusammen. Doch eher ich darauf antworten kann, kommt Luke dazwischen.

„Ach du... Wieso bin ich hier nicht schon früher raufgekommen?" Luke blickt sich ganz erstaunt um. Endlich hat er bemerkt, dass es sich auszahlt, bei dieser Wanderung mitzumachen.

„Idiot, was haben wir dir schon die ganze Zeit gesagt?, spricht Maddie wohl die Gedanken von uns allen aus.

Auch Adrian, der dies ebenfalls zum ersten Mal erlebt, ist zweifellos begeistert. Kein Wunder, es ist auch wirklich traumhaft hier oben, das kann niemand leugnen.

Nach und nach haben es auch die anderen aus unserer Gruppe geschafft. Immer mehr Menschen befinden sich nun am Gipfel und schon langsam wird es mir hier zu unruhig. Können die nicht leise sein und das in Ruhe genießen?

Irgendwann halte ich dieses Stimmengewirr nicht mehr aus. Ich stehe auf und klettere auf den zweiten kleinen Gipfel, der sich direkt daneben befindet. Hier kommt normal keiner rüber, da man sich nicht die Mühe machen will, schon wieder zu klettern, wo man doch auf den ersten Gipfel eine genauso gute Aussicht hat.

Dort angekommen ist es endlich ein wenig ruhiger. Vor dem Abgrund sitzend warte ich nun auf den Sonnenaufgang. Lange wird es nicht mehr dauern.

Plötzlich höre ich jemanden näher kommen und meinem Gefühl nach, weiß ich schon, wer es ist, ohne mich umzudrehen zu müssen. Jemand lässt sich neben mir nieder und ich weiß, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag. Jasons und meine Schultern berühren sich. Augenblicklich schlägt mein Herz schneller und ich frage mich, ob er dies wohl spürt.

Einige Zeit ist es still. Ich will nichts sagen. Ich habe nichts zu sagen. Ich will einfach den Sonnenaufgang in Ruhe genießen, das ist alles.

„Es tut mir leid."

Die Worte kommen ganz leise aus seinem Mund. Er sagt nicht mehr. Bloß, dass es ihm leid tut.

Ich weiß nicht, was genau ihm leid tut. Ob ich mir diese Worte vielleicht sogar nur eingebildet habe. Doch das ist mir jetzt egal. Ohne weiter darüber nachzudenken, lehne ich meinen Kopf an seiner Schulter. Als er dann auch noch einen Arm um meine Taille legt, mich näher zu ihm zieht und die Sonne sich schließlich einen Weg durch den Horizont bahnt, ist der Moment perfekt.

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