Ein unruhiges Mahl

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»Was zu allen schwanzlosen Dämonen ist hier los?«, fragte Professorin Kral und sah über die Vielzahl kahlgeschorener Köpfe, die sich über gefüllte Teller beugten und mampften.

Der Speisesaal war bis zum Anschlag gefüllt mit den Waisenkindern, die sie gerettet hatten. Sowie allen möglichen gestrandeten Familien, die ihre Häuser verloren hatten, den Schiffern, einigen Obdachlosen und anderen, die sie unterwegs aufgelesen hatten. Hektisches Suppeschlürfen und Schmatzen hing in der fettgeschwängerten Luft. Der große Kamin loderte. Ein Teil der Waisenkinder hatte sich davor versammelt und aß, zusammengekauert wie futternde Eichhörnchen.

»Also«, sagte Onex unbehaglich. »Es war so. Wir waren auf dem Weg zum Waisenhaus, aber unterwegs haben wir immer mehr Leute mitgenommen, und als wir dann ankamen, waren alle Vorräte aufgebraucht und die Kinder haben gerade noch auf das Boot gepasst. Ridley hatte am Ende eins auf den Schultern und zwei im Arm und Slar auch und ... Also Ridley meinte, wir könnten sie doch hierher bringen. Wo es warm ist.«

»Und wo es was zu Futtern gibt.« Ridley grinste Professorin Kral an. »Der Koch war sowieso wach und die Speisekammer gefüllt.«

»Ach ja.« Muskelstränge hoben sich aus Krals Hals, so wütend war sie. Sie trug einen fleckigen Kittel, fast wie der, den Ridley im Krankenhaus angehabt hatte. Sie musste dort gewesen sein, um den Verwundeten zu helfen. »Das Essen ist für die Studenten bestimmt, Zukal. Sie können das nicht einfach verteilen, an wen sie wollen. Erst recht nicht an jeden Dahergelaufenen.«

»Sie hatten Hunger und ich musste sie retten.« Ridley breitete die Arme aus. »Wenn Sie mich deshalb rausschmeißen wollen, tun sie's.«

»Das werde ich.« Krals Blick fuhr über die Essenden, als könnte sie die Suppe damit verdampfen lassen. »Verlassen Sie sich darauf. Sie und jeden, der beteiligt ist. Sindelar, Ihr Studium ist hiermit nicht nur unterbrochen, sondern beendet. Unehrenhaft beendet.«

Onex schluckte. »Professorin Kral, ich weiß, dass wir über Ihren Kopf hinweg gehandelt haben, aber ... Sehen Sie doch in Ihr Herz. Wir versuchen, das Werk der Göttin zu tun und den Schwächeren zu helfen. Allen.«

»Allen?« Krals Blick wurde noch schärfer. »Ich sehe nur zwei barmherzige Schwestern und einen Bruder. Wo ist der Rest der Waisenhausleitung? Sind sie tot?«

»Uh ... Also.« Onex räusperte sich. »Es gab mehrere Einstürze und sie saßen auf den Trümmern des Waisenhauses fest und ... Also Ridley meinte ...«

»Ich hab ihnen gesagt, dass sie doch die Göttin bitten können, sie zu retten und nur die Kinder mitgenommen.« Ridley wurde ganz beschwingt ums Herz, als er daran dachte.

»Er hat nicht alle zurückgelassen«, sagte Onex hastig. »Er hat die Kinder gefragt, wer von den Brüdern und Schwestern sie anständig behandelt hat und die durften auch an Bord.« Er sah Ridley vorwurfsvoll an. »Das war nicht im Sinne der Göttin. Vor ihr sind alle gleich.«

»Ach, es war doch eh kein Platz mehr auf dem Boot. Die können sich ruhig den Arsch abfrieren, wenn's nach mir geht. Irgendwann wird der Tempel sie schon retten.«

»Also ist niemand bei dem Einsturz gestorben?«, fragte Kral und vergaß einen Moment lang, wütend zu sein. »Erstaunlich.«

»Ja, nicht wahr?« Onex strahlte. »Wenn es je einen Beweis für die Existenz der Göttin gab, dann diesen.«

»Schwachsinn«, sagte Ridley. »Die waren alle im Hof, um zu beten, deshalb. Um die Göttin anzuflehen, die Flutwelle abzuwenden. Was ja ganz klar nicht geklappt hat.«

»Aber sie hat sie gerettet«, sagte Onex. »In ihrer Güe hat sie ...«

»Die Statik hat sie gerettet«, brummte Ridley.

Seelengefährten - RidleyWhere stories live. Discover now