Ein schwieriger Anfang

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Ridley war stinksauer, als er die Akademie betrat. Eine Woche später und der Verlust seines Geldbeutels wurmte ihn immer noch. Wie oft war er in die widerliche Brühe getaucht, um danach zu angeln und ihn trotzdem nicht zu finden? 1000 Gulden! Hass schäumte in ihm hoch, wenn er daran dachte, was er alles damit hätte machen können. Seine Miete zahlen zum Beispiel. Anstatt zum dritten Mal in diesem Jahr sein Zimmer zu verlieren und bei Minos unterkriechen zu müssen. Der Kerl schnarchte erbärmlich und wenn er sich je wusch, verbarg er es meisterhaft. Bei ihm zu übernachten war, wie in feuchtem Käse zu schlafen. Natürlich hätte Ridley bei einer seiner alten Eroberungen pennen können. Aber zu lange bei einem Liebhaber zu verweilen, führte immer zu Komplikationen.

Das düstere Wetter passte zu seinen düsteren Gedanken und dem düsteren Gebäude der Akademie, das über ihm aufragte wie ein mit hohen, schmalen Fenstern verzierter Felsen. Es stand da, wo der Sonnen- und der Luchskanal sich trafen und war von drei Seiten von Wasser umgeben.

Die Akademie der Heiler. Die einzige Akademie des Kontinents, in der alle angenommen wurden, die magisch begabt waren. Egal, ob Bauernsöhne oder Adlige vom Festland. Oder Waisenkinder wie Ridley Zukal, der sich an seine Eltern nicht einmal erinnern konnte.

Sie waren umgekommen, als er kaum zwei Jahre alt gewesen war. Im Weißen Sturm. Eine sehr poetische Umschreibung für den großen Kampf gegen die Bleichen, in dem die Bastarde endlich die Rechnung bekommen hatten. Spitzohrige, hellhaarige, weißgesichtige Ratten. In den Jahren zuvor waren sie plündernd und mordend über das Festland gezogen. Aber an der Halbmondstadt hatten sie sich endlich die Zähne ausgebissen. Beziehungsweise die Zähne ausgeschlagen bekommen. Mistkerle.

Mistkerle wie der verdammte Halbblüter-Wächter, der seinen Geldbeutel weggeworfen hatte. Wenn er den je in die Finger bekam ... Nun, dann würde dessen hässliches Gesicht zusätzlich verquollen und nass-rot sein.

»Erstsemester zu mir!«, rief eine hohe Stimme und riss ihn aus seinen Gedanken. »Erstsemester! Hierher!«

In der Mitte des Hofes bildete sich eine kleine Menschentraube. Ridley setzte die Ellenbogen ein, um durchzukommen, und sah kurz darauf, zu wem die Stimme gehörte: Einer breitschultrigen Frau mit winzigem Gesicht, die einen Stapel Blätter in den Armen hielt.

»Erstsemester!«, wiederholte sie. »Hab ich nun alle? Ich les mal die Liste vor. Ally Rezec!«

»Hier, äh, anwesend! Also, da!«, quietschte ein Mädchen, das die schwarzen Haare zu einem ordentlichen Dutt gebunden auf dem Kopf trug. Sie wirkte so nervös wie der Rest der Meute. Na ja, fast alle. Ganz vorne standen ein paar offensichtlich reiche Kaufmannssöhne und -töchter, deren farbschillernde Kleidung trotz des bewölkten Himmels leuchtete. Zwei von ihnen erkannte Ridley. Ob deren Eltern wussten, dass sie sich nachts im Hafenviertel herumtrieben und auf Käfigkämpfe wetteten? Einer der beiden erblickte ihn und riss die Augen auf. Ganz langsam packte er seine Freundin am Arm und deutete mit dem Kopf auf Ridley. Der grinste und sie sahen beide weg.

Einer nach dem anderen wurde aufgerufen. Nur zwei fehlten. Als Ridleys Name fiel, sahen sich noch mehr Leute nach ihm um. Schien, als wäre sein Ruf ihm bereits vorausgeeilt. Eindeutig interessierte Blicke streiften ihn. Aber daran war er gewöhnt. Schließlich war er der größte Kämpfer der Halbmondstadt.

Die Frau, die sich als Professorin Caitlin Kral vorstellte, ging voran durch die blau gestrichenen Türen des Westflügels. Mitten in das Herz der Akademie: die Bibliothek.

Ridley hatte noch nie so viele Bücher auf einem Haufen gesehen. Hunderttausende drängten sich in den Regalen und brachten sie fast zum Bersten. Verdammt hohe Regale. Die Leute, die auf den Leitern herumturnten, würden sich den Hals brechen, wenn sie abrutschten. Der ganze Raum roch nach altem Papier und Staub.

Seelengefährten - RidleyWhere stories live. Discover now