Ein unerwarteter Zwischenfall

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Slars Hand zitterte nicht, als er unterschrieb. Als er sein Leben verpfändete. Er brachte es schnell hinter sich, wartete Roscaks Nicken ab und eilte an Onex' Seite. Aus dessen bleichem Gesicht sahen zwei feuchte Augen.

»Du musst das nicht ....«, wiederholte Onex, aber es war sowieso zu spät. Hatte er gar nicht mitbekommen, dass Slar unterzeichnet hatte?

Slar packte Onex' Arm ohne ein Wort, riss den blutdurchtränkten Seidenstoff herunter und legte die Hand auf den tiefen Schnitt. Onex' Puls pochte unter seinen Fingern.

Ruhig, dachte er. Langsam, sonst wird es zu anstrengend für ihn.

Zart ließ er die Magie in Onex' Haut gleiten. Der bebte und presste die Lippen aufeinander. Slar zwang sich, den Strom zu regulieren. Und nicht daran zu denken, was Roscak über Ridley gesagt hatte.

Nirgendwo. Er würde nirgendwo mehr kämpfen? Bedeutete das ...

Nein. Er ist nicht tot. Er kann nicht ... darf nicht ...

Er dachte daran, wie er ihn letzte Nacht verlassen hatte. Nackt, erschöpft und voll aufregender Pläne für die Zukunft. Eine gemeinsame Zukunft. Keine romantische gemeinsame Zukunft, wie Slar sie gern gehabt hätte ... wenn er ehrlich war. Aber das konnte er sich gerade nicht leisten. Wenn dieser Mann, der lebendigste von allen, nicht mehr da war ... Er schluckte und konzentrierte sich auf das Heilen.

Es gab Dinge, die waren so furchtbar, dass nicht einmal er sie denken konnte.

So langsam, wie er die Heilung durchführte, verging eine Viertelstunde, ehe er fertig war. Erst dann spürte er, dass alle Muskelfasern und Adern sich geschlossen hatten und die Wunde komplett geheilt war. Onex war nach wie vor blass. Er hatte viel Blut verloren. Blut, das sich nur gemächlich wieder bildete.

»Du musst viel trinken«, sagte er zu Onex, als wären sie in Sicherheit. »Dann geht es dir bald besser.

Onex nickte matt. Er brachte ein Lächeln zustande. Das schaffte er immer, selbst, wenn er vierzig Grad Fieber hatte.

Slar sah sich zu Roscak und seinen Gehilfen um.

»Sind wir dann fertig?«, fragte er, packe sein Bündel und richtete sich auf.

»Beinahe.« Roscak deutete mit dem Kopf auf Slars Gepäck. »Minos. Sei so gütig und nimm ihm das ab. Dein neuer Kollege möchte bestimmt, dass seine Sachen sicher sind. Nicht, dass er noch auf die Idee kommt, die Stadt zu verlassen.« Er faltete die Hände vor dem Bauch. »Aber das wirst du nicht. Richtig, Slargaran? Dein Freund ist immer noch geschwächt und du willst ihn sicher nicht mit einer Reise belasten.Ich würde davon hören, falls du es versuchst.«

Slar schwieg. Er hatte gehofft, dass sie sie gehen lassen würden. Er hätte Onex sofort in die nächste Kutsche gepackt und wäre mit ihm geflüchtet.

»Wie heißt das Dorf, aus dem ihr kommt, nochmal? Roscak legte einen dürren Finger ans Kinn. »Tamlun, nicht wahr? Ein schöner Ort. Ed meinte, er würde ihn gern einmal besuchen.«

Slar ließ die Drohung in der Luft verhallen. Innerlich verhärteten sich alle Muskeln.

»Können wir nun gehen?«, fragte er erneut.

»Noch nicht.« Roscak sah zur Treppe hinüber, die vom Haupteingang her führte. »Wir warten noch auf jemanden. Deinen Freund Ridley.«

Kälte kroch über Slars Nacken. Genau da, wo das Mondmal ihn zierte. Er schaffte es gerade noch, zu den Mund zu halten. Sich keine Blöße zu geben, bevor er wusste, was hier vorging.

»Was ist mit Ridley?«, fragte Onex. Seine Finger krallten sich in Slars Arm.

Schweigen. Slar weigerte sich, es zu brechen. Weigerte sich, auch nur einen Muskel im Gesicht zucken zu lassen, egal, wie tief sich die Angst in seine Eingeweide grub.

Seelengefährten - RidleyWhere stories live. Discover now