Eine wichtige Probe

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»Konzentrier dich, du Flachpfeife«, zischte Andrew ihm zu. Onex zuckte zusammen und hätte beinahe die Karaffe fallen lassen.

Der Hauspriester der Dostals sah sie gnädig an. »Noch einmal von vorn«, sagte er mit sanfter Stimme. Er war einer der wenigen Eingeweihten, einer der paar Leute, die von ihrer Verlobung wussten. Seine Augenbrauen glichen weißen Blitzen und die Haut einer rissigen Wand.

Onex straffte sich. Er versuchte, den Raum zu vergessen, der trotz seiner Weite zu klein für all die samtbezogenen Möbel wirkte. Teppiche stapelten sich über Teppichen, so dass er nie das Gefühl hatte, über festen Boden zu gehen. Es roch nach frischen Blüten, doch die üppigen Blumenarrangements konnten die abgestandene Luft nicht auffrischen. In der Mitte des Zimmers war ein freier Platz. Dort übten sie.

»Mit diesem Wasser übergebe ich dir meine ewige Treue«, sagte Onex. Vorsichtig kippte er Wasser aus seiner Karaffe in die schwere Goldschale zwischen ihnen. »Mögen unsere Leben sich vermischen, so wie das Wasser in dieser Schale und zu einem ebenso lebensspendenden Elixier werden. Ich schwöre, dich zu lieben und dir zu ... zu ...« Mist.

»Zu dienen«, flüsterte der Priester, während Andrew ihn böse anstarrte.

»Dir zu dienen, bis an das Ende unserer Tage«, beendete Onex den Satz. Warum konnte er sich das nie merken?

»Könntest du ein wenig enthusiastischer klingen?«, knurrte sein Verlobter. Das blasse Gesicht war zu einer genervten Fratze verzogen. »Das klingt nicht, als wolltest du mir wirklich ewig dienen.«

Will ich auch nicht, dachte Onex und hoffte, dass man es ihm nicht ansah.

»Entschuldige, Andrew«, sagte er zum hundertsten Mal heute. Mindestens. »Ich habe schlecht geschlafen.« Er hatte überhaupt nicht geschlafen, in dem weichen Bett, das so riesig war, dass eine Großfamilie darin Platz gefunden hatte. Es war zu leise hier. Die massiven Wände und die dicken Teppiche dämpften jedes Geräusch.

»Mir ist egal, wie du schläfst.« Andrew richtete seinen Ärmel. »Konzentrier dich gefälligst, du Bauerntrottel. In zwei Wochen müssen wir die Zeremonie hinter uns bringen und bis dahin sollte der verdammte Text in deinen hohlen Kopf gehen.«

»Hinter uns bringen ist der richtige Ausdruck dafür«, murmelte Onex, obwohl der Priester sie hören konnte. Sofort tat es ihm leid. Er sah zu Andrew hinüber, aber der schüttelte nur den Kopf, als könnte er nicht glauben, wie blöd Onex war.

Die Wut in Onex' Magen wuchs. Mit jeder Minute, die er in dieser ... dieser blöden Villa verbrachte. Er fragte sich, wo diese Wut so plötzlich herkam. Bisher war er ein friedlicher Diener der Göttin gewesen und nicht ... jemand, der stetig kurz vorm Ausrasten war.

Es ist Slar, dachte er. Slar fehlt. Ich hatte es so gut mit ihm. Er hat auf mich aufgepasst und ... und ich musste mich nie selbst wehren. Ich konnte mich immer darauf verlassen, dass er es an meiner Stelle tut, und ...

Das war nicht sehr erwachsen gewesen, oder? Schließlich war er schon zwanzig Jahre alt und sollte wirklich gelernt haben, für sich selbst einzustehen. Nur hatte er das nie gemusst. Ob man es lernen konnte?

»Herr Andrew, nun seid Ihr dran.« Der Priester machte eine Handbewegung, als würde er ein Konzert dirigieren. »Bitte beginnt.«

»Onex Sindelar.« Andrews Stimme klang melodisch und geübt. »Lass uns unsere Herzen zu einem machen, zwei Teile, die doch eins sind. So wie dieses Wasser.« Elegant goss er es aus seiner Karaffe in die goldene Schale. Er sah aus wie eine Statue. Jeder Handgriff schien geübt. »Ich schwöre, dich zu lieben und dir zu dienen, auf dass unsere Verbindung uns Wohlstand und Freude bringe.« Er klang, als würde er das vollkommen ernst meinen.

Seelengefährten - RidleyWhere stories live. Discover now