Eine lehrreiche Mittagspause

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Kubik kam zur gleichen Schlussfolgerung wie er. Sie untersuchten die Lungen des Opfers und fanden sie voll Wasser vor, was jeden Zweifel ausräumte. Die Inspektorin war zufrieden und sie konnten pünktlich Mittagspause machen.

Ridley sah zu, wie Slar eine Blechdose aus seiner Tasche holte und den Raum verließ. Er folgte ihm. Kurz beobachtete er, wie der riesige Körper des Frömmlers durch die grüngestrichenen Flure marschierte, wie die Leute förmlich zur Seite sprangen, wenn er auf sie zukam. Ridley war ebenfalls groß und stark, aber diesen Effekt hatte er nicht. Er war ja auch kein Halbblüter. Und er hatte ein äußerst ansehnliches Gesicht.

Ich frage mich, ob es ihn stört, dachte er. Eine Krankenschwester zuckte zusammen, schob einen Rollstuhlfahrer an Slar vorbei und rammte beinahe den Heiler, der gerade vorbeikam. Oder freut er sich, weil alle Angst vor ihm haben? Freut er sich überhaupt je? Über irgendetwas?

Slar hielt inne. Langsam drehte er sich um. Seine Augen wurden schmal, sobald sein Blick Ridley erfasste.

»Verfolgst du mich?«

»Ja.« Ridley grinste. »Wohin gehst du?«

»Was willst du?«

Ridley näherte sich, so dass nur noch zwei Schritte zwischen ihnen standen. Fast so nah wie gestern Abend. »Ich dachte, wir könnten zusammen Mittagspause machen. Als gute Kollegen und so.«

»Nein.« Die tiefe Stimme rollte über Ridley hinweg wie eine Welle. Er ließ sich nicht beirren. Slar zu ärgern war seine neue Lieblingsbeschäftigung, wie er verwundert feststellte. So etwas wie Glück brodelte in ihm.

»Och, komm schon. Du würdest mich doch vermissen, wenn wir so lange getrennt sind, mein liebster Frömmlerkollege ...«

»Slar!«

Das wurde ja immer besser. Onex kam auf sie zu, winkte, wich einem Hinkenden aus und stoppte knapp vor Slar. Dessen Gesicht glättete sich ein wenig.

»Du konntest pünktlich Mittagspause machen.« Onex strahlte. »Das ist ja großartig. Ich muss dir etwas zeigen. Ich ...« Erst jetzt bemerkte er Ridley, was, genauer betrachtet, eine Frechheit war. Seine Schönheit überstrahlte die des Riesen ja wohl um Längen.

»Hallo, Onex.« Ridley zwinkerte ihm zu und stellte zufrieden fest, dass der Kleine rot anlief.

»Hallo.« Onex räusperte sich. Sein Strahlen kehrte zurück. »Ridley. Was machst du denn hier?«

»Ich mache mit euch Mittagspause.«

»Nein.« Slars Augenbrauen zogen sich zusammen.

»Nein?« Onex wirkte verwirrt. »Warum nicht?«

Slar zögerte. Es war ein herrlicher Moment, wenigstens für Ridley.

»Er hat nichts zu essen dabei«, erklärte der Große schließlich. Erbärmlich. Onex hob eine Blechdose, die Slars sehr ähnlich sah.

»Das ist kein Problem«, sagte er zu Ridley. »Wir teilen gern mit dir.«

Slars Miene drückte das exakte Gegenteil aus. Und Ridleys Stimmung stieg weiter. Alles, was er vorhin in der Pathologie gesehen hatte, rückte in den Hintergrund. Er zwang es, da zu bleiben.

»Mensch, das ist echt verdammt nett von euch.« Ridley hätte sich fast verschluckt vor Lachen. »Die Göttin wäre stolz auf eure Großzügigkeit.«

»Meinst du?« Der Kleine war so naiv. »Ich meine, das hoffe ich. Das dritte der fünf Gebote ist schließlich »Sei großzügig und gib denen, die weniger als du haben«.«

»Oh, ich habe sehr wenig.« Ridley versuchte, so treudoof wie möglich zu schauen. »Sehr, sehr wenig.«

»Sehr wenig Anstand und keinerlei Moral«, knurrte der Riese.

Seelengefährten - RidleyTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon