Eine rätselhafte Wunde

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Zukal war verletzt. Nein, das war noch harmlos ausgedrückt. Warum hatten sie ihn nicht geheilt? Hatte er nicht erzählt, dass es in der Arena einen Heiler gab? Und wie kam er im Käfig zu Brandwunden? Es mussten Brandwunden sein. Was sonst verursachte solche Rötungen und Blasen? Zukals Stirn und Nase hatte es am härtesten erwischt: Selbst drei Tische weiter konnte Slar deren strahlendes Rot sehen.

Um ihn herum klapperten Löffel, schlürften Münder und murmelten Menschen. Noch machte sich niemand Sorgen um seine Noten und die rauschenden Gespräche waren durchsetzt mit Lachen. Selbst am Tisch der Templer wurden Witze gerissen. Nicht von Slar natürlich. Er schwieg. Gegenüber von ihm saß eine junge Templerin, die ihn immer wieder verstohlen anstarrte. Onex hätte dort sitzen sollen, aber er tat es nicht. Gestern war er gegangen und Slar wusste nicht mehr, was er mit sich anfangen sollte. Dass er heute zur Akademie gegangen war, lag nur daran, dass ihm nichts Besseres eingefallen war. Er war Onex in die Akademie gefolgt und nun, da der fehlte, wusste er nicht mehr, was er hier tat. Na ja, heilen natürlich.

Unwillkürlich huschte sein Blick wieder zu Zukal hinüber. Der saß mit den üblichen Leuten am Tisch, aber die Stimmung war nicht so ausgelassen wie sonst. Das rothaarige Mädchen, Elan, streckte die Hand aus und deutete auf Zukals Wunden. Der schüttelte den Kopf. Hatte sie versucht, ihn zu heilen?

Was war geschehen?

Slar redete sich ein, dass es ihn nicht interessierte. Aber wenn er ehrlich war, war Zukal ... waren dessen Wunden das Einzige, was ihn heute interessierte. Die Vorlesungen waren über ihn hinweggeflossen wie sanfte Wogen und hatten nichts zurückgelassen. Den Nachmittag über würde er studieren, dann zurück in den Tempel und Wachdienst halten ... Ein sehr trister Tagesablauf, ohne Onex. Heute Morgen hatte er niemanden vor Taschendieben und Pferdeäpfeln retten müssen und fühlte sich vollkommen elend. Langsam fragte er sich, ob er Onex nicht mehr brauchte als der ihn. Ob sein Freund gut behandelt wurde? Er würde schreiben, und wenn Slar zwischen den Zeilen auch nur eine Andeutung las, dass Onex' Lehrer ihm nicht den allergrößten Respekt entgegenbrachten ...

Die Glocke läutete. Die Templer verabschiedeten sich voneinander. Zwei der anderen Wächter, die in einem höheren Semester studierten, fragten, ob Slar mit ihnen lernen wollte. Er lehnte ab. Er wollte allein sein.

Leider wurde er Zukal nicht los. Kaum hatte Slar »Knochenbrüche, Band 1« vor sich aufgeschlagen, warf dieser Trottel sich in den Stuhl vor ihm. Dabei hatte Slar sich absichtlich so weit weg von ihm gesetzt, wie er konnte. Wäre es möglich gewesen, hätte er sich ans andere Ende der Bibliothek gesetzt.

»Slar.« Zukal lehnte sich in seinem Stuhl zurück und grinste blöd. »Soll ich dich abfragen?«

»Was ist mit deinem Gesicht passiert?«, fragte Slar.

Zukals Miene wurde düster. »Nichts. Bist du enttäuscht, weil ich nicht mehr so umwerfend schön bin wie vorher?«

Selbst halb verbrannt sah Zukal aus, als könnte er mit einem Lächeln ganze Königreiche stürzen. Aber das sagte Slar ihm nicht. »Dein Gesicht ist mir egal.«

»Warum fragst du dann so blöd?« Zukal verschränkte die Arme wie ein bockiger kleiner Junge. Etwas hatte ihn aufgewühlt, ja, er wirkte, als sei er in einen Tornado geraten und würde trotzdem verzweifelt so tun, als wäre alles in Ordnung.

»War es ein Kampf?«

»Ich dachte, es interessiert dich nicht.«

»Das ist ... professionelle Neugier.« Slar setzte sich noch gerader hin. »Immerhin bin ich Heiler. Warum hast du das noch nicht richten lassen?«

Zukal schwieg.

»Willst du nicht oder ... darfst du nicht?« Slar wusste nicht, woher diese Eingebung gekommen war. Aber der Effekt war durchschlagend: Ridley fuhr zusammen und wurde blass. Er war wirklich ein schlechter Lügner, wenn man ihn kalt erwischte.

Seelengefährten - RidleyWhere stories live. Discover now