Sechsunddreißig - Fey

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Ich wachte auf, als Silas mich sanft schüttelte. Meine Tabletten machten mich immer noch leicht benommen und so brauchte ich einen Moment, bis ich die ganze Szenerie erfassen konnte. Zu lang. Aber die Business Class war bis auf uns und einen Geschäftsmann allerdings leer. "Wie geht es dir?", fragte Silas leise. "Ich bekomme so langsam wieder alle Sinne zusammen", erklärte ich und kneten meinen Nacken. "Trotzdem nehme ich das Zeug nicht gerne. Es ähnelt in seiner Wirkung K.O. -Tropfen. Du hast ja gesehen, wie es mich aus der Bahn wirft. Selbst jetzt, wo die Wirkung fast verflogen ist, könnte mich ein durschnittlicher OKÜP-Trupp ohne größere Probleme von der Straße fischen und wieder in einen Käfig stecken", ergänzte ich, während ich Reykja aus dem Flieger folgte. "Aber du hast endlich mal geschlafen. Friedlich geschlafen", stellte die Magierin fest. "Und ohne Träume", gab ich zu. "Wir passen auf dich auf", versprach Silas hinter mir.

"Jetzt besuchen wir erstmal meinen Dad", sagte Silas. Vor dem Flughafen stand schon eine Limousine von Lycaon Industries bereit. Ich nahm unseren Chauffeur kritisch in Augenschein. Er war definitv ein Lycaner. "Mister Lycaon, Miss Monroe", begrüßte er uns und hielt vorschriftsmäßig die Tür auf. Ich blieb abrupt stehen. Woher kannte er meinen Namen? "Ich habe Vater erzählt, das wir kommen", erklärte mir Silas.

"Miss Jóhannsdóttir?", wunderte er sich, als er Reykja erkannte. Isländische Nachnamen und englische Anreden vertrugen sich definitv nicht. Kein Mensch nutzte in Island Nachnamen. "Hallo Tommy", erwiderte sie. Tommy blieb einen Moment lang irritiert im der Tür stehen, dann erinnerte er sich an seine Professionalität und setzte sich hinters Steuer. "Ihr kennt euch ?", fragte Silas, als wir auf der Rückbank des luxuriösen Autos saßen. Reykja nickte und mir fiel auf, dass sie sichtlich nervös war. "Tommy ist schon lange Chauffeur", erwiderte sie knapp. Verglichen mit dem Auto-Albtraum London glitten wir entspannt durch Oslos Straßen. Bis zum Haubtquartier von Lycaon Industries war es nicht weit. Tommy hielt vor der Glasfasade eines großen, futuristischen Gebäudes. Reykja und ich legten die Köpfe in den Nacken. "Das sah früher aber anders aus", stellte die Magierin fest. Silas nickte. "Ja, mein Vater modernisiert das Ding ständig", erklärte er und ging voraus ins Gebäude. Die Lycanerin am Empfang senkte respektvoll den Blick, als sie ihn erkannte. Sie führte uns zu einem luxuriösen Aufzug, der uns bis zum Büro des Alphas, das ich ganz oben vermutete, bringen würde. Im Aufzug dudelte leise irgendein Pianostück. "Hey, cool. Die haben hier noch Musik. Das ist in den letzten Jahrzehnten aus so vielen Aufzügen verschwunden" stellte Reykja fest und versuchte ihre Anspannung zu überspielen.

Als sich die Türen wieder öffneten, hatten wir einen unglaublichen Panoramablick auf die Dächer von Oslo. William Lycaon, seines Zeichens Alpha unseres Rudels, stand erhaben vor besagtem Panorama und wartete auf uns. Als er Reykja bemerkte, geriet seine Fassade ins Wanken. "Vater, wir haben dir jemanden mitgebracht. Reykja hat dir etwas zu sagen", erklärte Silas und hielt respektvoll den Blick gesenkt. Sein Vater schien sich wieder zu fangen. "Natürlich. Gehen wir in mein Büro?", richtete er das Wort an Reykja. Sie nickte zögerlich und folgte ihm durch eine Flügeltür.

"Lauschen wir?", wollte Silas lautlos von mir wissen. Ich nickte. Er führte mich um eine Ecke und zu einer Abstellkammer. Nie in Leben hätte ich hier eine Abstellkammer vermutet. "Liegt Wand an Wand zum Büro. Ich lausche hier schon seit meiner Kindheit. Ich glaube, die Meisten wissen nichtmal, dass es hier überhaupt eine Abstellkammer gibt", erklärte er mir. Zögerlich folgte ich ihm in den kleinen Raum. Es war so eng, dass sich unsere Zehenspitzen fast berührten. Aber wir konnten tatsächlich Stimmen aus dem Büro hören. Reykja begann gerade zusammenzufassen, was sie auch uns erzählt hatte, als die Abstellkammertür aufging. Trotz meiner noch verzögerten Reflexe, griff ich nach einem meiner Messer. Vor der Tür stand eine aristokratisch wirkende Frau. "Rückt mal ein Stück. Ich will das auch hören", flüsterte sie. "Mutter", zischte Silas.

Das war seine Mutter. Caroline Dubois. Ihre Augen verieten ihre Zugehörigkeit kaum. Beide waren blau. Nur weil sie mir direkt vor der Nase stand fiel mir auf, dass eins von ihnen heller war als das Andere. Ohne auf eine Antwort zu warten, quetschte sie sich zu uns in die Abstellkammer. Es war viel zu eng für uns drei. Wir standen uns wortwörtlich auf den Füßen. "Caroline", stellte sie sich knapp vor und schaffte es irgendwie, mir die Hand entgegen zu strecken. "Machst du dir Sorgen um deine Ehe?" wollte Silas bissig wissen. Da wir uns alle viel zu nahe standen, brauchten die Worte kaum Töne. "Diese Ehe war immer nur ein Job", erklärte Caroline knapp.

"Das war nicht deine Entscheidung, Reykja", seufzte Silas Vater aus dem Büro. "Es ist mir unmöglich, die schwere Last der Verantwortung zu tragen und meine Pflichten als König zu erfüllen, ohne die Hilfe und Unterstützung der Frau, die ich liebe", zitierte er. Zumindest klang es wie ein Zitat, mir wollte nur nicht einfallen, von wem. "Edward VIII", flüsterte Caroline Dubois ehrfurchtsvoll. "Was hat jetzt Edward VIII damit zu tun?", wollte Reykja wissen, obwohl sie sich die Antwort wahrscheinlich denken konnte. "Ach komm schon. Ersetze König durch Alpha und du hast meine Situation. Ich habe dich geliebt. Ich habe mich gegen die Krone und für dich entschieden. Wie Edward habe ich meine Liebe und mein persönliches Glück über mein Volk gestellt", erklärte er und ich konnte die in die Luft gemalten Anführungszeichen um das Wort 'Krone' sogar in seinem Tonfall hören. Caroline versuchte, ihr Gewicht zu verlagern und trat mir dabei auf den Fuß, wodurch sie mich deutlich daran erinnerte, dass sie mir viel zu nah war.

--- Fast vergessen aber hier ist das Freitags Kapitel. Sagt euch Edward VIII etwas? Ich meine ich habe das im nächsten Kapitel aber auch nochmal erklärt. Mittlerweile schreibe ich an Kapitel 60. Ich bin also schon weit in der Zukunft ---

FearlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt