Kapitel 47

1.5K 53 1
                                    

Mario's Sicht:

Je näher wir ihrem Zimmer kamen, desto lautere Schreie hörten wir. Angekommen wollten wir sofort zu ihr doch wir wurden von einer Krankenschwester aufgehalten. "Sie können da jetzt nicht rein!" befahl sie uns. "Aber ich muss!" schrie ich schon fasst. Ich hörte Jill aus dem Zimmer laut weinen. Ihre schmerzverzogenen Schreie. Ihr Schluchzen. Es frass mich innerlich auf. "Warum schreit sie so!?" fragte ich die Krankenschwester. Sie blickte zu Alex. "Alex? Was ist los?" flehte ich ihn an. Er schaute nur auf den Boden. Plötzlich trat Dr. Beck aus dem Zimmer. "Gut das Sie so schnell kommen konnten, Frau Bander ist in einem schweren psychischen Zustand. Manche Menschen verfallen in Schreikrämpfe wenn so etwas passiert. Sie kann.. " er stockte kurz. "...das ganze nicht verarbeiten. Am besten wir lassen es erst mal sacken. Ihre Anwesenheit soll ihr nur Sicherheit geben, dennoch sollten sie hier draußen warten." redete der Arzt. Immer wieder hörte ich einen verkrampften Schrei aus ihrem Zimmer. In jedem lag Wut, Trauer und Verzweiflung. Alles was ich wollte ist zu ihr. "Ich geh da jetzt rein!" murmelte ich selbstsicher und drückte schon die Türklinke runter. Der Anblick raubte mir meinen Atem. Meinen Boden unter den Füßen. Einfach alles. Sie war zwar wach, das was ich mir seit Stunden wünsche aber sie saß im Bett völlig verkrampft und sie weinte einfach nur. Immer wieder stieß sie einen lauten Schluchzer gefolgt von einem schmerzvollen Schrei aus.

Ich befreite mich aus meiner Schockstarre und lief auf sie zu. "Shh... es wird doch alles gut!" versuchte ich sie zu beruhigen und nahm sie in den Arm während ich mich neben sie setzte. Ich wollte ihr einfach nur das Gefühl geben, das ich immer für sie da bin. Allerdings befreite sie sich aus meinen Armen und schaute mir tief in die Augen. Dieser Blick, löste in mir ein Gefühl von Schuld und irgendwie auch von Angst aus. In ihren Augen lag nicht diese Wärme mit der sie mich immer verzaubert hatte. Der Blick war einfach nur kalt. "Jill?" fragte ich flüsternd. Sie drehte ihren Kopf weg und starrte an die Wand. Wieder kam Dr. Beck ins Zimmer. "Erkennt sie mich nicht? Hat sie ihr Gedächtnis verloren?" hetzte ich sofort mit Fragen. Die schlimmsten Sachen gingen mir duch den Kopf. "Würden Sie kurz mit kommen?" fragte der Arzt worauf ich ihm in einen kleinen Raum neben dem Zimmer folgte. "Ihre Freundin kann sich an Sie erinnern. Es sind bei den Untersuchungen keinerlei Gedächtnis- oder Hirnschäden aufgetreten." erklärte er mir worauf ich aufatmete. Ich wusste aber immer noch nicht was mit ihr los war. "Glauben Sie mir. Sie brauchen jetzt einfach nur Geduld. Seien Sie für Frau Bander da und warten Sie ab bis sie von alleine mit Ihnen redet" meinte der Arzt und schickte mich wieder zu ihr. Ich setzte mich wieder an die Stelle von vorhin und legte einen Arm um sie. Wie Dr. Beck gesagt hat, wollte ich einfach nur für sie da sein. Ich wusste zwar nicht warum sie nicht mit mir redet oder versucht meinen Blicken aus dem Weg zu gehen, aber ich ließ diese Tortur stundenlang über mich ergehen...

Jill's Sicht:

Ich blinzelte langsam mit den Augen und zuckte mit meiner Hand. Neben mir vernahm ich ein leichtes Piepsen welches von Zeit zu Zeit schneller und lauter wurde. Ich nahm wahr, wie ein paar Menschen um mein Bett, in dem ich offensichtlich liege, stehen. Ein Arzt untersuchte mich und langsam kam ich zu Bewusstsein. "Frau Bander? Hören Sie mich?" fragte ein Mann mich. "Ja" antwortete ich leise. Die Frauen, warscheinlich Krankenschwestern, verschwanden. "Können Sie sich erinnern?" fragte der Mann wieder. Ich versuchte mich an irgendetwas zu erinnern und wusste nur Bruchteile später was passiert war. "Mario. Er war bei Pep. Er war wütend und schoss den Ball. Ich saß auf der hohen Mauer, der Ball traf mich und ich bin gefallen" nuschelte ich leise. "Was ist mit mir?" schob ich gleich noch hinterher. "Sie haben nichts, was man nicht wieder heil machen kann" sagte mir der Arzt jedoch schaute er so aus als wollte er noch was hinzufügen. Jetzt war ich wieder richtig in dieser Welt angekommen und sofort hielt ich meine Hand auf meinen Bauch. Irgendwas war anders. Ich fühle mich so.. leer. Insgeheim wusste ich es sofort. "M..Mein Kind?" schluchzte ich. "Frau Bander, ihr Kind hat den Unfall nicht überlebt" ..... nicht überlebt.. nicht überlebt...

Mein Kind. Mein Kind ist Tod. Mein ganzer Körper verkrampfte. Ich konnte nur noch Schreie der Trauer und Wut aus mir stoßen. Ich nahm wahr, dass die Krankenschwestern wieder kamen und der Arzt mir sofort eine Infusion mit Beruhigungsmittel einführte. Das alles war mir in dem Moment so egal. Ich hab mein Kind verloren. Warscheinlich brüllte und heulte ich gerade das ganze Krankenhaus zusammen. Es fühlte sich einfach nur an als würde man in ein tiefes Loch fallen. Als würde man direkt in der Hölle sitzen. Der Schmerz in meinem Herzen, machte keine Andeutung nach zu lassen. Immer wieder wurden mir irgendwelche Fragen gestellt welche ich aber auch nicht nur mit einem Wort beantwortete. Kein einziges sprach ich mehr. Die Schwestern verschwanden, kamen wieder, verschwanden, kamen wieder. Ich starrte die ganze Zeit nur auf meine Hände die immer noch an meinem Bauch weilten. Mein Kind. Ich habe endlich angefangen es zu lieben. Wollte mit Mario eine Familie haben. Wollte es ihm.. es ihm sagen. Und jetzt? Hab ich es verloren und... so schwer es mir fällt das zu denken, er ist daran schuld. Alles nahm ich nur noch wahr wie durch Milchglas und die Minuten vergingen.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Mario kam auf mich zu. Er nahm mich in den Arm aber es fühlte sich so falsch an. Genau gesagt, es fühlte sich einfach scheiße an. Ich nehme an er weiß es noch nicht. Verdammt nochmal. Er hat unser Kind getötet und weiß es nicht mal. Sofort löste ich mich aus seiner Umarmung schaute ihn kurz an und starrte wieder an die Wand. Er ging dann mit dem Arzt, kam aber kurz darauf wieder und setzte sich wieder neben mich. Stundenlang schwieg ich, starrte auf die Wand oder aus dem Fenster. Ich atmete tief aus und drehte mich dann zu ihm. "Mario ich war schwanger. In der 13. Woche und wollt's dir Gestern sagen. Du hast unser Kind getötet!" schoss es aus mir heraus.

Mario's Sicht:

"... Du hast unser Kind getötet!" Nichts mehr. Mein Herz blieb stehen. Stopp. Ich hab was? Ich hab das doch nicht mit Absicht gemacht. Warum sagt sie sowas. Sie war schwanger? Das kann nicht sein. In der 13. Woche? Ich hätte doch was bemerkt. So schnell es ging ließ ich von ihr ab und rannte aus dem Krankenhaus. Auf einer Parkbank sackte ich in mir zusammen. Ich hab ihr vertraut. Ich dachte sie sagt mir alles. Ich wäre Vater geworden und hab.. hab mein eigenes Kind umgebracht? Ich hab das doch nicht mit Absicht gemacht. Es war ein Unfall. Ich hätte besser aufpassen müssen. ICH bin daran schuld das der wichtigste Mensch in meinem Leben im Krankenhaus liegt und mein eigenes Kind tot ist. ICH. Ganz allein ICH. Sie hätte es mir doch verdammt nochmal eher sagen müssen. Sofort nachdem sie es gwusst hat. Ich hätte doch nie.. ich hätte besser auf sie aufgepasst...Stundenlang machte ich mir selber Vorwürfe, machte ihr Vorwürfe. "Mario.. das bringt doch alles nichts!" erklang plötzlich eine Stimme neben mir. Marco. "Was soll ich denn machen" schluchzte ich und brach wenig später in Tränen aus. "Warst du bei ihr? Was hat sie gesagt?" flüsterte ich. "Ja war ich." meinte er und schaute Augenblicklich von mir weg. "Marco? Was hat sie gesagt?" flehte ich. "Sie.. sie will dich nicht mehr sehen!" - "Was? Ich liebe sie!" schrie ich. "Gib ihr Zeit" - "Zeit? Aus ihrer Sicht hab ich ihr.. UNSER Kind umgebracht! Eigentlich hab ich das auch" sagte ich und nuschelte den letzten Satz in mich heinein. "Du hast es doch nicht umgebracht. Es war ein Unfall" - "An dem ich Schuld habe" vollendete ich den Satz. "Du hast keine Schuld!" schrie mich Marco an. "Anstatt jetzt in deinem Selbstmitleid zu versinken, solltest du jetzt für Jill da sein, auch wenn sie dich nicht sehen will musst du ihr ein Gefühl von Sicherheit und Halt geben" - "Was soll das noch bringen?" - "Was das bringen soll? Du erzählst mir jedes mal das Jill das Beste ist was die jemals passiert ist und jetzt willst du sie aufgeben? Das lass ich nicht zu." redete er weiter und schob mich in der Zeit wieder in Richtung Krankenhaus. Wie gelähmt lief ich mit ihm die Gängen entlang und als wir ankamen kam Alex aus ihrem Zimmer. Ich blickte hoffnungsvoll zu ihm, jedoch bekam ich nur ein Kopfschütteln als Antwort. "Sie lässt niemanden an sich ran!" meinte er nachdem er sich auf einen der Stühle gesetzt hat. "Für sie bin ich an allem Schuld!" murmelte ich. "Mario du kannst nichts dafür." redete mir Alex wieder ein. "Ich bin jetzt sowieso der Letzte den sie gebrauchen kann!" meinte ich und wollte verschwinden. Marco hielt mich jedoch fest. "Versprich mir, das du sie, das du EUCH nicht aufgibst?!" sagte er befehlend. Kurz dachte ich nach. Das Mädchen da drin ist das was ich liebe. Das mit dem ich mein Leben verbringen will. Das mit dem ich... der Gedanke schmerzte... mit dem ich Kinder haben will. "Niemals. Versprochen!" sagte ich und setzte mich dann neben Alex....

When it's you and me... (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt