{Kapitel 36} Caleb

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Ich saß in einem Krankenhauszimmer. Das ständige- und regelmäßige piepen, dröhnte mir in meinen Ohren. Mir war schwindelig vor lauter Müdigkeit. Meine braunen Strähnen fielen mir ins Gesicht.

Wie lange ich wohl keinen Schlaf mehr gehabt habe?

Meine Sinne waren zu benebelt, um die Frage beantworten zu können. Die letzten Tage war Steven an Dauerarbeiten gewesen. Mein Blick huschte zu meinem selbst gemachten Bett auf dem Boden, das aus einer ISO-Matte bestand, einer Wolldecke und zwei Kissen. Benutzt hatte ich es bis jetzt nur einmal.

Mein Blick wanderte wieder zu der kleinen zierlichen Person, welche so abgemagert war und nur noch ein Bein hatte. Seine Rechte kleine Hand lag in meiner. Sie war so sanft, doch trotzdem könnte man denken, dass wenn man zudrücken würde, der Knochen in tausend Splitter zerbrechen würde.

Er war erst acht Jahre alt und musste bereits so viel leiden. Es brach mir das Herz, ihn so sehen zu müssen. Ich wendete meinen Blick nicht mehr von ihm ab und strich ihm seine braunen Strähnen aus dem Gesicht. Erst jetzt sah ich die dunklen Schatten unter seinen Augen. Mit größter Mühe, hielt ich meine Augen offen.

»Brie...«, Calebs kleine brüchige Stimme ertönte. Sofort war ich hellwach.
»Was ist los?« Ich strich sanft über seine Stirn, auf welcher sich schon Schweißperlen gebildet hatten. Er lächelte ein halbes Lächeln.

»Sehe ich schlimm aus?« Ich lachte. Es war typisch für Caleb. Egal wie schlecht es ihm ging, behielt er dennoch seinen Humor.

»Nicht so schlimm wie ich.« Gab ich von mir und er öffnete seine Augen.
»Du hast recht, so schlimm kann ich nicht aussehen.« Ich tat gespielt entsetzt.
»Caleb Marshall, Sie müssen sich in der Gegenwart einer Lady kontrollieren!«
Er lachte kurz, doch dann wurde er wieder ernst.
»Brianna, kannst du mir etwas versprechen?« Ich lehnte mich weiter nach vorne.
»Alles.«

***

Damon und ich sahen uns wieder in New York um. Und tatsächlich hatte ich mich an den Gestank gewöhnt. Nur an die ganzen Menschenmassen noch nicht. Viele Frauen boten Damon ihre Nummern an, doch er lehnte immer ab. Ich erinnerte mich an den vorherigen Tag, als Damon mich geküsst hatte. Hätte ich es erwidern sollen oder hätte das nicht alles schlimmer gemacht? Hätte dann nicht alles von vorne angefangen, was ich beendet hatte? Ich wusste keine Antwort darauf. So wie immer in letzter Zeit.

Es war dunkel, als wir das Hotel wieder betraten. Ich ließ mich aufs Bett fallen. Heute war etwas anders. Es fühlte sich so an, als würden Erinnerungen der Vergangenheit mich in die Dunkelheit reißen. Und je öfter sie sich in meinem Kopf abspielten, desto schmerzvoller wurden sie. Es schien, als würde ich jeden Moment keine Luft mehr bekommen. Doch zum ersten Mal sehnte ich mich danach. Denn nur so konnte ich Caleb in Erinnerung behalten. Eine Person, die ich mehr als alles andere geliebt hatte. Mein Bruder, der an Knochenkrebs verstorben war. Ich setzte mich gerade hin und blickte zum Fenster hinaus. Hunderte von Wasserperlen prasselten gegen die Fensterscheiben.

Ich bemerkte, wie Damon sich neben mich setzte. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah ihn an. Seine wunderschönen Augen sahen mich an.

Wer würde ich ohne Damon sein? Würde ich überhaupt noch da sein?

Vielleicht war es Schicksal. Vielleicht musste ich Damon finden, um etwas Neues zu haben, wofür es sich zu leben lohnte. Der Gendanke war schön.
»Damon«, ich biss mir auf die Lippe, »ich möchte dir etwas erzählen. Und es ist mir wichtig,dass du zuhörst.« Ich nahm seine Hände und schnappte nach Luft.

»Ich hatte einen Bruder namens Caleb gehabt. Ein paar Tage nach seinem siebten Geburtstag zeigte er Symptome von Knochenkrebs. Er musste regelmäßig zum Arzt, bekam Medikamente verschrieben, er musste öfter zu Hause bleiben. Ihm ging es immer schlechter, doch er hatte seinen Humor behalten. Und auch wenn es ihm noch so schlecht ging, hatte er immer versucht, alle anderen zum Lachen zu bringen. Er war einfach...« Ich löste meine Hände von Damons und wischte mir die Tränen von den Wangen. Ich atmete tief durch und redete weiter. »Er war einfach so perfekt.

Und als Steven begann Überstunden zu machen, verbrachte Ich Tage und Nächte im Krankenhaus neben Calebs Bett. Er hatte alles bereits ein Jahr durchgemacht. Am Anfang haben die Medikamente noch gewirkt. Dann nicht mehr. Ihm wurde ein Bein abgenommen und ich hatte mitbekommen, wie er des Öfteren heimlich geweint hatte. Ich wollte ihm helfen, ich wollte ihm wirklich helfen, Damon, doch ich war machtlos. An Calebs letzten Tag, hatte ich ihm etwas versprochen.«

***

Ich starrte in die Augen von Caleb. Mit größter Mühe begann er zu sprechen.
»Ich möchte, dass du, wenn ich weg bin, ein glückliches Leben führst.«
»Caleb...« Ich sah zu meinen Händen, welche Calebs umschlangen.
»Brie, bitte unterbrich mich nicht«, nach einem Hustenanfall redete er weiter,» Ich möchte, dass du jemanden findest, der dich liebt und ehrt, so wie du es verdient hast. Ich möchte, dass du in ein Leben voller Drama eintrittst und zu Partys gehst. Du sollst nicht ewig um mich weinen, sondern für mich mit leben. Ich möchte, dass du aus deiner Traumwelt aufwachst und in die richtige Welt gehst. Und ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Versprichst du es mir?« Unsere Augen waren mit Tränen gefüllt.
»Ich verspreche es.«

Er versuchte seine Augenlider mit größter Mühe aufzuhalten.
»Ich hab dich lieb, Brie.« Seine Augen schlossen sich.
»Ich dich auch, Caleb.Für Immer.«
Plötzlich wurde das ständige- regelmäßige piepen zu einem und die Linie auf dem Monitor wurde zu einer geraden Strecke.
»CALEB!« Ich sprang auf. Bevor ich überhaupt etwas machen konnte, betraten Ärzte und Arzthelferinnen das Zimmer. Zwei zogen mich raus, während die anderen sich um Calebs Bett stellten. An diesem Tag gewann der Krebs, welcher ein Teil von Caleb gewesen war und hielt sein Herz an, welches auch ein Teil von ihm gewesen war.

***

»Ich war bei Caleb gewesen, als er gestorben war und der Tag war der schlimmste meines Lebens gewesen. Ich habe ihm etwas versprochen und dieses Versprechen muss ich nun halten. Einer der schwersten Dinge, die ich jemals gemacht habe.« Ich sah Damon wieder an. Langsam nahm er meine Hand.
»Dein Bruder hat dir das Leben gerettet.« Ich drückte meine Stirn gegen seine.
»Ich weiß.«

Decisions-Gefährliche Liebe(Damon Salvatore ff.)✔️Où les histoires vivent. Découvrez maintenant