Fünfundzwanzig

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„Sieht bisher echt gut aus, was meinst du?", will Paula von mir wissen, als sie sich langsam in der Sporthalle umsieht, die kurzerhand zum Ballsaal ernannt wurde.

Ich höre auf sie zu beobachten und sehe mich um. Von der Decke hängen an unsichtbaren Fäden Schneeflocken, die Wände sind mit weißem Stoff abgedeckt, ein paar Schüler arbeiten gerade an der Fotoecke. Das einzige, was nicht zum Winterwonderland passt ist der graue Teppichboden, der verlegt wurde.

„Ja. Es sieht toll aus", sage ich und lächele sie an.

Ich bin froh Paula bei dieser Sache dabei zu haben. Einige der Ideen waren von ihr und wir arbeiten  so gut zusammen, als hätten wir das schon tausende Male gemacht. Manchmal erwische ich mich, wie ich Paula verträumt ansehe, anstatt zu arbeiten. Sie ist so schön, dass ich nicht aufhören kann sie anzuschauen.

„Frau Schiller? Können Sie uns hier helfen?"

Ich seufze leise auf. Das nervige daran die Lehrerin zu sein, ist dass man ständig gefragt wird, wie es weitergeht oder überall helfen muss. Aber ich mache es gerne. Es macht Spaß und ich kann mich kreativ ausleben.

„Ich komme gleich wieder", sage ich zu Paula.

„Geh' nur. Ich komme auch ohne dich zu recht", versichert sie mir und nimmt sich eine Schere, um sich wieder an die Arbeit zu machen.

Ich habe keine Ahnung, wie viele Schneeflocken wir in den letzten Tagen ausgeschnitten haben, aber es waren eine ganze Menge. Ich mache mich auf den Weg in Richtung der Fotoszene, wo Mina nach mir gerufen hat.

„Was gibt es?", frage ich sie.

Mina lächelt mich an. Neben ihr steht ein Mädchen, dass mir nicht wirklich bekannt vor kommt. Sie ist in keiner meiner Klassen. Zumindest ist sie mir nie aufgefallen.

„Wir haben gerade darüber diskutiert, ob wir den Hintergrund vielleicht noch mit Watte dekorieren könnten, damit es wirklich nach Schnee aussieht, aber Samantha ist dagegen. Was meinen Sie?"

Samantha muss das andere Mädchen sein. Ich frage mich, wie lange die beiden ihre Diskussion schon geführt haben. Seitdem ich das letzte Mal vor einer Stunde hier war, hat sich nicht viel verändert.

„Probiert es doch einfach mal aus, um zu sehen, wie es aussieht", schlage ich den Mädchen vor.

„Das ist aber total viel Arbeit und wenn es dann blöd aussieht, müssen wir es wieder weg machen und alles war umsonst", meint Samantha genervt und verschränkt die Arme vor der Brust.

Es macht auf mich den Eindruck als würden die beiden Mädchen sich nicht besonders mögen. Die rothaarige widerspricht allem, was Mina sagt. Da ich keinerlei Lust auf eine lange Debatte habe, bestimme ich einfach, dass sie es ausprobieren sollen. Eigentlich finde ich die Idee gar nicht schlecht und bin gespannt, wie es aussehen könnte.

„Wenn es sein muss", nuschelt Samantha genervt.

Ich überlasse die beiden wieder sich selbst und gehe zurück zu Paula. Sie sitzt immer noch auf der Tribüne. Als sie mich kommen sieht, schenkt sie mir ein Lächeln.

„Ich habe dir nicht erlaubt, dass du eine Pause machen darfst?", ärgere ich sie spielerisch.

„Es ist nicht meine Schuld, dass du so eine große Ablenkung für mich bist", neckt sie mich.

Ich setze mich neben sie und knuffe Paula in die Seite. Sofort muss sie lachen und rückt ein Stück von mir weg.

„Siehst du. Du lenkst mich schon wieder ab", meint sie lachend.

Ich schüttele den Kopf und nehme mir ebenfalls eine Schere.

„Was wollten die beiden Mädchen eigentlich?"

„Ach die konnten sich nur nicht einigen, was sie machen wollen. Mina und Samantha scheinen sich nicht besonders leiden zu können", erzähle ich ihr die Kurzfassung.

„Die blonde scheint ziemlich angetan von dir."

Ich sehe Paula fragend an. „Mina?"

„Ja die. Sie starrt dich die ganze Zeit an", meint Paula.

„Das bildest du dir bestimmt nur ein oder bist du etwa eifersüchtig?"

Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen sehe ich sie herausfordernd an. Paula senkt den Blick.

„Wieso sollte ich?", will sie wissen.

„Das musst du doch wissen", erwidere ich schulterzuckend.

Paula zuckt mit den Achseln und sagt nichts mehr dazu. Eine Weile arbeiten wir schweigend vor uns hin, bis es klingelt. Schnell räumen wir alles weg und gehen dann nach draußen.

„Hast du jetzt aus oder musst du noch arbeiten?", will Paula wissen.

„Zum Glück habe ich jetzt Feierabend. Hast du Lust noch etwas essen zu gehen?"

„Gerne", erwidert sie lächelnd.

Wir fahren in die Stadt und laufen durch die vollen Straßen. Wir drängen uns durch das Meer von Menschen und Irgendwann streifen unsere Hände sich und Paula nimmt meine in ihre. Ein Kribbeln durchfährt meinen Körper. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Selbst als die Straßen leerer werden lässt sie meine Hand nicht los.

„Worauf hast du Lust?", frage ich Paula, während wir Hand in Hand durch die Fußgängerzone schlendern.

„Wie wäre es mit der süßen kleinen Pizzeria in der wir schon einmal waren?", schlägt sie vor.

„Klar. Die Pizza war super", antworte ich lächelnd.

Auf dem Weg dorthin erzählt Paula mir von ihrem neusten Projekt und ich höre ihr gebannt zu. Mein Blick wandert immer wieder zu ihren Lippen, aber ich rede mir ein, dass es nichts zu bedeuten hat. Es ist einfach nur interessant, was sie erzählt. Meine Beziehung zu Helen ist zwar seit ein paar Monaten vorbei, aber ob ich schon wieder bereit für etwas Neues bin, kann ich noch nicht sagen. Ich mag Paula, aber ich will es langsam angehen und nichts überstürzen. Ich möchte nicht wieder alles vermasseln, wie beim letzten Mal. Ich mag Paula nämlich wirklich. Sie ist ein ganz besonderer Mensch.

In der Pizzeria teilen wir uns eine Pizza und trinken Wein während wir über Gott und die Welt reden. Unsere Gespräche sind nicht besonders tiefgründig, aber das macht nichts. Ich könnte mich mit dieser Frau Stunden über belangloses Dinge unterhalten. Sie eine Ewigkeit ansehen und mir jedes kleinste Detail merken. Die kleine Narbe über der Augenbraue, der Verlauf der blauen Farbe in ihren Haaren, die süßen Grübchen, wenn sie lacht und so vieles mehr. Wir sitzen noch lange an unserem Tisch, obwohl wir schon aufgegessen haben und unsere Gläser leer sind. Keine von uns beiden scheint wirklich gehen zu wollen. Der Moment ist viel zu perfekt, um ihn zu beenden.

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