Neun

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„Wollen wir am Wochenende was unternehmen?", will Helen von mir wissen.

Sie sitzt neben mir auf dem Sofa und hat ihren Kopf auf meine Schulter gelegt. Ich muss Gähnen. Der Tag heute war wirklich anstrengend.

„Natürlich. An was hast du gedacht?"

Helen fragt mich solche Dinge im Voraus nur, wenn sie einen Plan für das Wochenende hat. Ich bin gespannt, was sie sich ausgedacht hat.

„Ich brauche ein Model für ein paar Fotos und du bist die schönste Frau, die ich kenne", sagt sie und küsst mich auf die Wange.

„Du kennst meine Meinung zu dem Thema", erinnere ich sie.

Ich habe kein Problem damit vor der Kamera zu stehen, wenn die Fotos nirgends gezeigt werden, aber das Gesicht einer Werbung zu sein, widerstrebt mir. So hübsch finde ich mich auch wieder nicht. Außerdem mag ich es nicht in einem Fotostudio zu stehen.

„Bitte, Annalena. Du würdest perfekt passen", fleht sie mich beinahe an.

Ich drehe mich zu ihr um und bemerke, wie sie ihre Lippe nach vorne schiebt und einen Dackelblick auflegt. Ich verdrehe die Augen und sehe weg. Sie weiß, dass ich ihr nicht widerstehen kann, wenn sie so guckt. Genau das nutzt Helen immer aus.

„Nein. Ich will das nicht. Ich will in keiner Zeitschrift, keinem Flyer, Werbeplakat oder was weiß ich zu sehen sein", sage ich ein wenig genervt. „Du weißt, dass ich nichts dagegen habe, mich von dir fotografieren lasse, wenn die Bilder nur für uns sind und es unwichtig ist, ob sie perfekt aussehen."

„Du siehst auf allen Bildern perfekt aus, Kleine", meint sie und legt zwei Finger an mein Kinn.

Sie sieht mir tief in die Augen, ehe sie mich küsst. Langsam schiebe ich Helen weg. Nicht weil ich sie nicht küssen möchte, sondern weil ich ihren Plan durchschaue.

„Du wirst dir jemand anderes suchen müssen", beende ich das Gespräch und stehe auf.

„Annalena, bitte", höre ich Helen rufen.

„Nein", sage ich laut und bestimmt.

Ich weiß, dass Helen es ernst meint, damit das sie etwas in mir sieht. Trotzdem mache ich das nicht. Helen hat schon des Öfteren versucht mich dazu zu überreden. Ich habe immer nein gesagt.

„Du weißt doch, wie schön du bist", nuschelt Helen und steht plötzlich hinter mir.

Sie zieht mich an sich und küsst meinen Hals. Mir entflieht ein leises Seufzen. Ich drehe mich langsam zu ihr um und küsse sie.

„Hör auf mich verführen zu wollen. Dadurch werde ich meine Meinung nicht ändern", sage ich. „Außerdem muss ich los. Elternabend wegen der Klassenfahrt."

„Immer diese blöde Elternabende", murmelt Helen leicht genervt.

„Ich kann nichts dafür. Ich würde gerne noch bei dir bleiben."

Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe mir dort eine Jeans an, eine gestreifte Bluse und meine Ankleboots. Im Bad lege ich noch etwas Make-up auf. Helen folgt mir auf Schritt und Tritt und redet auf mich ein. Ein wenig nervig ist sie schon. Wenn Helen etwas möchte, dann gibt sie nicht so schnell auf.

„Ich muss jetzt los. Wir sehen uns später, Süße", verabschiede ich mich von ihr und küsse sie auf die Wange.

„Bis später, Annalena", meint Helen und küsst mich richtig.

Schwerenherzens löse ich mich von ihr. Ich nehme mir meine Jacke und einen Schal und verlasse die Wohnung. Ich frage mich ohnehin, wieso alle Lehrer, die die Klassenfahrt begleiten, da sein müssen. Wahrscheinlich um die überfürsorglichen Eltern zu beruhigen.

Es ist komisch so spät abends noch in der Schule zu sein. Keine Schüler, die laut sind und in den Sälen ist es dunkel. Ich laufe durch die Flure in den Gemeinschaftsraum, wo ich den heutigen Abend verbringen werde.

Leslie ist die einzige, die ebenfalls schon da ist, was bedeutet, dass ich alleine mit ihr bin. Ich hätte doch noch ein paar Minuten im Auto sitzen bleiben sollen.

„Hallo, Leslie", bringe ich hervor und tue so, als wäre ich enorm damit beschäftigt meine Jacke und meinen Schal auszuziehen.

„Hey", begrüßt sie mich.

Ich sehe sie kurz an, schaue dann aber schnell weg. Leslie mustert mich ziemlich lange, was mir unangenehm ist.

„Du siehst hübsch aus, noch besser als sonst", sagt sie.

„Ähm Danke", antworte ich ein wenig verwirrt.

Seit wann macht sie mir Komplimente? Jetzt bin ich total neben der Spur und mein Körper spielt verrückt. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Sie schafft es immer mich durcheinander zu bringe. Ob Leslie das merkt und absichtlich tut? Ich denke es nicht.

„Und was meinst du erwartet uns heute?", frage ich sie.

Wenn ich versuche etwas Smalltalk zu führen, dann tue ich hoffentlich nichts peinliches. Das minimiert die Chancen dazu wenigstens.

„Einen Haufen Fragen. Mehr wahrscheinlich nicht. Die Eltern wollen dich bestimmt besonders mit Fragen löchern, da sie dich ja nicht kennen", meint sie.

„Oh okay."

Das habe ich mir fast schon gedacht. Schließlich bin ich die neue Lehrerin.
Leslie und ich plaudern noch ein wenig über belanglose Dinge während immer mehr Eltern eintrudeln. Marc taucht auch irgendwann auf und gesellt sich zu uns. Herr Gonzales erscheint in letzter Minute. Dann geht es auch schon los.

Ich stehe neben Leslie am Pult und blicke in die Reihen der neugierigen Eltern. Meine Kollegin erzählt erst ein wenig über die Fahrt und die Unternehmungen, die geplant sind. Irgendwann stellt sie mich vor.

„Das ist die neue Kollegin, Frau Schiller. Sie unterrichtet Kunst und Englisch."

Von dem Moment an werde ich ausgefragt. Ich beantworte alles so gut, wie ich kann und bin froh, als Leslie den Eltern mitteilt, dass es jetzt genug Fragen waren. Ich sehe sie dankend an und spüre, wie ihre Finger meinen Unterarm streifen, was mir eine Gänsehaut verschafft. Ich verschränke meine Arme vor der Brust und kann den Rest des Abends nicht mehr aufmerksam verfolgen.

„Puh, endlich haben wir es geschafft", meint Leslie erschöpft, als die letzten Eltern sich von uns verabschieden.

„Zum Glück", stimmt Herr Gonzales ihr zu.

Ich nicke zustimmend und will nur noch nachhause. Ich bin unendlich müde und möchte nur noch in Helens Armen einschlafen.
Wir reden noch kurz miteinander, ehe wir uns verabschieden und jeder seine Wege geht. Ich habe den Abend überstanden.

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