XLIV. Familie

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Yoongi P.o.V

Besorgt runzelte ich die Stirn und drückte aufmunternd Jimins Hand. Der Junge saß erstarrt neben mir auf dem Bett, beobachtete dabei, wie Calu und Hekate in einem merkwürdigen Singsang anfingen Zeichen in die Luft zu malen. Ihre Hände, welche sie sanft durch die Luft schwangen, schienen sich immer hektischer zu bewegen. Ihre Augen waren geschlossen, doch ich sah die Pupillen hinter den Augenlidern herumsurren. Jimin war mittlerweile leichenblass geworden. Seine rötlichen Augen, welche anscheinend nicht gut auf die Kontaktlinsen reagierten, blickten aufmerksam durch den Saal, während er den Geistern dabei zusah, wie sie versuchten Kontakt mit den Göttern aufzunehmen. Jimins Atem ging flach und er schien leicht zu zittern vor Nervosität. Kein Wunder, kaum bekam er gesagt, seine Eltern seien Götter, da musste er schon das erste Familientreffen miterleben!

"Sie reagieren... Warte, mein Kind, gleich...", Hekate flüsterte leise, öffnete dabei die stechend rote Augen und blickte verschwommen zu dem Gotteskind. Jimin zuckte erschrocken zusammen. Irgendetwas war vor dem Bett. Ich warf mich sofort schützend vor knurrte dabei laut. Vor dem Bett bildeten sich weiße Schlieren. Graue, schwarze und weiße Punkte tanzten in der Luft und wirbelten stürmisch herum. Calu riss jetzt auch die Augen auf und atmete kurz zittrig ein, ehe er die Schlieren ruhig beobachtete. Nebel häufte sich vor dem Bett. Der Rauch schien sich zu verfestigen, nahm Formen an und bildete zwei individuelle Körper. Mir stockte der Atem und ich umgriff schützend Jimins Hand.

Zwei weiße, gestaltenartige Schemen hatten sich vor uns manifestiert. Die Punkte hatten sich so zusammengestellt, dass nun das Abbild einer wunderschöne Frau vor unserem Bett saß. Neben ihr ein muskulöser, großer Mann. Mir fiel die Kinnlade herunter, während ich die Gestalten betrachtete. Die Frau hatte sanfte, filigrane Gesichtszüge. Langes, welliges Haar rann an ihrem Rücken hinunter. Ihre katzenhaften Augen, welche man nur sehr ungenau in der weißen Masse ausmachen konnten, schienen auf Jimin zu liegen. Obwohl sie bloß eine weiße Rauchgestalt war, erkannte ich fast alles an ihr klar und deutlich. Sogar dieser schemenartige Abklatsch der beiden Götter, welcher wohl anstelle von ihnen auf der Erde sein konnte, strahlte vor purer Macht. Die zwei Götter sahen aus wie Menschen, aber sie bestanden komplett aus wolkenartiger Materie. Der Mann bewegte sich leicht, sah nach links und starrte Jimin an. Er hob eine Hand und hielt sie zögerlich Jimin entgegen.

Mir entwisch die Luft, als mein Freund zaghaft die seine ausstreckte um den Gott zu berühren.

"Nicht!", panisch hielt ich seinen Arm fest, ehe er die Gestalt berühren konnte. "Du darfst keine Götter berühren!" Calu schnaubte leicht. "Ich bitte dich, Yoongi!", in seiner gewohnten etwas überheblichen Art strich er sich über den grellblauen Pulli, "Jimin ist ein Gotteskind, er kann die Götter berühren ohne verrückt zu werden!" Ich schüttelte bloß verneinend den Kopf und zog Jimins Hand zurück. "Das hier ist Seth, der Chaosgott, der Gott des Verderbens. Ich lasse nicht zu, dass Jimin ihn berührt." Hekate nickte leicht, Jimin hingegen hatte bloß Augen für die Götter, welche beide Jimin anstarrten. Erneut glitt mein Blick prüfend über die rauchartige Gestalten. Es sah aus, als hätten die Götter lange, enge Gewänder an, welche sich wie eine zweite Haut um sie legten.

Libertas sah nun neugierig zu mir. Sofort fühlte ich mich merkwürdig erdrückt. Mir wisch die Luft aus den Lungen, was zwar kein Problem war, aufgrund meines Vampirs, doch die schere Macht welche aus dieser Gestalt zu strömen schien, erdrückte mich fast. "Das ist Min Yoongi, meine Gebieterin. Er ist ein Vampir!", Calu's Stimme klang untertänig und er wagte es nicht, der Frau in die Augen zu sehen. "Ich weiß", mir brach der kalte Schweiß aus und ich stöhnte laut. Libertas Stimme klang so weit entfernt, als stände sie am Ende einer Schlucht und nur ihr Echo würde hier ankommen. Ihre Macht schien mich zu zermürben. Besorgt sah Jimin zu mir. "Alles in Ordnung, Yoongi? Wenn du nicht willst, du kannst auch draußen auf mich warten!" Kam es mir nur so vor, oder hörte sich Jimins Stimme auch irgendwie anders an?

"Nein...", ich räusperte mich leicht, "Nein, ich bleibe bei dir." "Sie wollten mit Jimin sprechen, meine Gebieter. Ich weiß nicht wie lange wir das Portal noch offen halten können!", Hekate sprach durch zusammengepresste Zähne und schien sichtlich angestrengt. Die Götter nickten leicht. "Jimin... Mein Sohn!", die tiefe Stimme von Seth verschaffte mir Kopfschmerzen, doch ich ließ mir nichts anmerken. Mein Freund neben mir wurde merklich blass, während er zögerlich nach meiner Hand griff und diese nervös drückte. "J-Ja?", seine Stimme klang so zart, so zerbrechlich zwischen diesen starken Göttern. Erst da wurde mir wieder bewusst, dass Jimin zu einem großen Teil immer noch ein Mensch war. Und ich musste ihn immer noch vor allem beschützen, Gotteskind oder nicht, im Moment war er sterblich.

"Ich habe gehört... Du kannst bereits zaubern?", ich biss mir auf die Zunge, um nicht laut zu wimmern. So musste es sich wohl für Jimin anhören, wenn Izumi mit ihrer Nixenstimme sprach. Jimin nickte leicht und hielt den Blick des Gottes ohne mit der Wimper zu zucken stand. Ich konnte nicht anders, als milde beeindruckt zu sein. Wo doch sogar Calu es nicht wagte, sie anzusehen! "Wir sind sehr stolz auf dich, Junge! Aber du musst sparsam mit deiner Magie umgehen, wie du sicherlich schon bemerkt hast! Immerhin sollst du noch bei den Menschen verweilen, bis der Krieg definitiv beendet ist, dann erst sollst du deine Göttergestalt annehmen!" Ich erstarrte vor Schmerzen, als Libertas fertig gesprochen hatte. Mein totes Herz stockte.

"Er... Er soll seine Göttergestalt nach dem Krieg annehmen?", meine Stimme klang nicht halb so fest, wie ich es mir erhofft hatte. Libertas sah aufmerksam zu mir, was mich dazu brachte, fast ohnmächtig zu werden, doch ich hielt der mir lockenden Ohnmacht entgegen. "Aber natürlich! Jimin ist ein Götterkind, seine wahre Gestalt ist die eines Gottes! Er kommt mit zu uns um zu herrschen, um zu leben wie es sich als Gotteskind gehört! Er wird mit den anderen Kindern lernen, zu regieren und zu beschützen! So hat das Schicksal es schon vor Jahren vorausgesagt!" Seth klang, als könne er es kaum erwarten, seinen Sohn bei sich aufzunehmen. Im Himmel oder Olymp oder wo auch immer diese Götter waren. 

Weit weg von der Erde. 

Weit weg von mir.

Meine Kinnlade klappte runter, während ich Jimin anstarrte. Die Zeit schien still zu stehen. Ich betrachtete den Jungen, als sähe ich ihn zum ersten und letzten Mal. Dieser sah genauso erschrocken zu den Göttern. Er schüttelte stumm den Kopf. Ich sah, dass sich die Lippen des Jungen bewegten, spürte den Schmerz, wenn einer seiner Eltern antwortete, doch ich beachtete sie gar nicht. Ich sah bloß meinen Jiminnie an. Prägte mir seine feine Stupsnase ein. Seine geschwungenen Lippen. Sein unbändiges, wildes Haar. Seine positive, freundliche Ausstrahlung. Das Glitzern in seinen Augen, welches ich sogar durch die Kontaktlinsen sah. Ich schluckte hart, während mein Griff um seine unglaublich zarte Hand sich verfestigte.

Er würde gehen. Er würde mich verlassen. Und ich konnte nichts dagegen tun. Fasziniert starrte ich Jimin an. Hob eine Hand und strich über seine Wange. Sein Blick kreuzte meinen. Liebe, Angst und Nervosität spiegelten sich in seiner Miene während er meine Hand festhielt. Ich betrachtete ihn, wie eine einzelne Träne aus seinem Augenwinkel quoll. Zitternd wisch ich sie von seiner sanften Haut. Ich konnte weder weinen, noch schreien. Ich tat gar nichts, fixierte bloß stumm den perfekten Jungen vor mir.

Und fragte mich im Stillen, wie viel Zeit uns zwei wohl noch zusammen blieb.

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Ein etwas kürzeres Kapitel (sorry dafür!) Ich hoffe ich habe alles genau genug beschrieben, das jeder verstanden hat, wie diese Götter auf der Erde aussehen! Bis dann und noch viel Spaß, eure M&M's ;)

1278 Wörter


My Boss is a Vampire ᵞᵒᵒᶰᵐᶤᶰWhere stories live. Discover now