Kapitel 5 - Aussage gegen Aussage

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Beim Frühstück war der Brand der Bibliothek Gesprächsthema Nummer eins. Jonathan brüstete sich als Held des Tages und die Mädchen lagen ihm zu Füßen. Es war einfach widerlich. Es brannte mir auf der Seele, die wahre Geschichte zu erzählen, doch ich schwieg und versuchte, die Gerüchte um Elara und mich auszublenden. Meine Freundin ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. Mit steinerner Miene schlang sie ihr Müsli hinter und ignorierte sogar Cassie, die sich zu uns an den Tisch setzte.

„Wie geht es euch?", fragte sie und sah neugierig von mir zu Elara.

„Ganz gut", erwiderte ich, obwohl mein Hals sich noch immer anfühlte, als hätte ich stundenlang geschrien.

„Also?" Sie beugte sich etwas vor. „Was war das jetzt mit dem Feuer und Jonathan?"

Ich seufzte, bevor ich mit gesenkter Stimme zu berichten begann, was wirklich geschehen war. Cassies Augen wurden bei jedem Wort größer, bis sie schließlich ein bisschen Ähnlichkeit zu einer Disneyfigur aufwies.

„Das glaube ich nicht", stieß sie hervor und ihr Blick schnellte zu Jonathan, an dessen Arm Alleyne hing, wie eine Ertrinkende an einem Rettungsring.

„So ein Mistkerl." Ihre Augen hätten nicht mörderischer funkeln können und ich wusste, wir hatten wenigstens eine Verbündete.

Wir beeilten uns mit dem Essen, denn ich hatte ehrlich gesagt keine Lust, mich weiter von Blicken treffen zu lassen, die zwischen Argwohn, Neugier und Mitleid hin- und herschwankten.

Cassie verabschiedete sich zum Unterricht und Elara und ich beschlossen, den Schaden des Feuers zu begutachten. Mir wurde das Herz schwer, als ich die verkohlten Trümmer der Bibliothek erblickte. Der vordere Teil des Gebäudes war vollkommen zerstört. Ein Absperrband verbot das Betreten der Gefahrenzone und flatterte sanft im Wind.

„Die arme Mrs. Finch", murmelte ich und Elara nickte leicht. Es war einfach nur schrecklich. Wut schwelte in mir. Wut auf Jonathan. Jedes der verbrannten Bücher war ein Stück von Mrs. Finchs Leben gewesen.

„Lass uns reingehen", meinte Elara, nach einigen Minuten des Schweigens und drehte sich um. Ich seufzte leise, während ich ihr folgte. Das Gespräch mit Mrs. Williams rückte immer näher und ich wusste nicht, ob ich mich davor fürchten sollte.

Wir verbrachten die wenigen Stunden in unserem Zimmer, versunken in unseren Gedanken und ich quälte mich durch die Matheaufgaben, die eigentlich zu heute auf gewesen waren. Keiner von uns beiden hatte großen Hunger, als es schließlich Zeit für das Mittagessen war. In meinem Magen schien sich ein schwerer Klumpen zu befinden, der mir den Appetit vollständig verdarb. Also machten wir einen Bogen um den Speisesaal und gingen stattdessen eine halbe Stunde später direkt zum Büro der Direktorin. Ernst sahen wir uns an, bevor Elara die Faust hob und klopfte.

„Kommt rein", meinte Mrs. Williams, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Der schmal geschnittene Hosenanzug betonte ihre Figur bei jeder Bewegung, die schwarzen Haare waren zu einem festen Knoten gebunden und dieser ließ ihre Gesichtskonturen schärfer wirken.

„Setzt euch." Sie deutete auf zwei Stühle gegenüber des schweren Schreibtischs. Schweigend ließ ich mich auf das Polster sinken und klemmte angespannt die Hände zwischen die Knie.

„Warum wart ihr gestern in der Bibliothek?", fing Mrs. Williams ohne Umschweife an und musterte uns fragend.

„Wir haben Mrs. Finch mit den neuen Büchern geholfen", antwortete ich schnell. „Wir helfen ihr öfter nach dem Unterricht aus."

„Das weiß ich", erwiderte die Direktorin freundlich. „Wie lange habt ihr gebraucht?"

„Etwa vier Stunden", sagte Elara. „Aber warum ist das so wichtig? Die Wahrheit ist, dass Jonathan uns um kurz vor sieben aufgelauert hat. Da war Mrs. Finch bereits verschwunden und die Bibliothek leer." Die Stimme meiner Freundin klang ungehalten und ich verstand sehr wohl, weswegen.

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