Kapitel 1 - Meine verflixt unmögliche Freundin

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„Die Hessesche Normalform ist in der analytischen Geometrie eine Gleichung, die eine Ebene beschreibt und hauptsächlich für Abstandsberechnungen verwendet wird", hallte die klare Stimme von Direktorin Evelyn Williams durch den Raum und ich stützte meinen Kopf schwer auf meine Hände. Wenn es ein Fach an dieser Akademie gab, das ich nicht ausstehen konnte, dann war es Mathe. Da mochte die Direktorin uns höchstpersönlich unterrichten, ich würde nie etwas dieses analytischen Geometrie-Krams verstehen.

„Gegeben sei die Gleichung einer Ebene mit 3x - 4y + 2z = 6. Ziel ist es, die Hessesche Normalform zu ermitteln", wies Mrs. Williams uns an und ich griff unmotiviert nach meinem Stift.

„Elara?", wisperte ich und lehnte mich ein bisschen zu meiner besten Freundin hinüber. „Weißt du, wie das gehen soll?"

„Ja", erwiderte sie und grinste mich an. „Du etwa nicht?" Ich verdrehte die Augen. Natürlich wusste sie, was sie machen musste. Nicht umsonst war Elara eine der besten Schülerinnen der Academy for Elementarys.

„Erklärst du es mir? Bitte", flehte ich und klimperte mit den Wimpern. Meine Freundin bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick, bevor sie nickte. Ohne sie wäre ich verloren gewesen und das wusste sie genau.

„Aus der Ebenengleichung liest du den Normalenvektor "n" ab. Zu diesem wählst du dir einen Ortsvektor für einen beliebigen Punkt, also zum Beispiel drei mal zwei minus vier mal null plus zwei mal null ist gleich sechs. Und tada, fertig ist deine Hessesche Normalform."

„Okay", murmelte ich dezent überfordert, während es in meinem Kopf ratterte. Ich wartete sehnsüchtig auf den Moment, in dem meine Mathe-Blockade endlich verschwinden würde, doch da konnte ich wohl warten bis ich schwarz wurde.

Ein paar Minuten später stellte Mrs. Williams die gefürchtete Frage.

„Wer stellt sein Ergebnis vor?"

Allgemeines Schweigen. Ich senkte den Blick, um dem erwartungsvollen Ausdruck in ihren bernsteinfarbenen Augen zu entgehen und betete.

„Elara, wärst du so lieb", sprach sie schließlich meine Freundin an und Elara erhob sich augenblicklich. Aus den Reihen hinter uns ertönten anzügliche Geräusche und ich verdrehte genervt die Augen. Elara war eine Naturschönheit und sich dessen bewusst, doch sie ließ niemanden an sich heran. Das war keinem neu und trotzdem wollten einige Jungs einfach nicht aufgeben.

„Ruhe", mahnte Mrs. Williams und warf einen kurzen, warnenden Blick in den Raum, während sie Elaras Lösungsweg kritisch ins Auge fasste. Ich betrachtete meine Freundin und die Direktorin und fragte mich, ob sie beide gleichermaßen von der Göttin der Schönheit gesegnet worden waren.

„Stimmt das so?", fragte Elara, nachdem sie mit dem Schreiben fertig war und drehte sich schwungvoll zu Mrs. Williams herum. Ein herausfordernder Ton schwang in ihrer Stimme mit und ich seufzte still. Sie musste es aber auch immer darauf anlegen.

„Absolut", erwiderte die Direktorin und nickte Elara mit einem Lächeln zu. „Setz dich."

Meine Freundin gehorchte und ließ sich wieder neben mich sinken. Im weiteren Verlauf der Stunde machte Mrs. Williams beim Vorrechnen einer anderen Aufgabe einen Fehler, was eine absolute Seltenheit war und Elara musste das natürlich sofort ausnutzen und sie korrigieren. Zum Glück ließ sich Direktorin Williams nicht so einfach provozieren und nahm die Berichtigung mit Gelassenheit hin.

„Wie du sehen kannst, ist selbst Mrs. Perfekt nicht perfekt", wisperte Elara mir zu und ich lächelte halbherzig.

„Sie ist eben auch nur ein Mensch."

„Lass mich etwas ausprobieren", murmelte Elara plötzlich und in ihren Augen blitzte es.

„Was hast du vor?", wollte ich wissen und Besorgnis machte sich in mir breit.

Academy for Elementarys - Wasser und LuftWhere stories live. Discover now