Meeting

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Ich schnappte mir mein Outfit, das ich am Vortag bereit gelegt hatte und lief damit ins Badezimmer. Das Wasser, das über meine Haut ran, als ich mich duschte, schien alle meine Gedanken mit wegzuwaschen. Mein Kopf war so wunderschön frei. Lächelnd stieg ich wieder aus der Dusche, zog mich an und machte mich auf den Weg nach draußen, ich wollte keinesfalls zu spät kommen. In meinem neuen Outfit gekleidet lief ich zu Bahn, stieg beim Park aus und lief zum Westtor. 16:55 Uhr. Erleichtert ließ ich mich auf die nächste Parkbank sinken und wartete. Keine Menschenseele war in diesem riesigen Park. Man sollte meinen an einem Nachmittag, nach der Schulzeit, würden sich hier haufenweise Schüler befinden, aber nichts dergleichen. Nur ich. Pünktlich um 17 Uhr fuhr dasselbe schwarze Cabrio, mit geschlossenem Dach, vor, in dem der Joker mich gestern nach Hause gefahren hatte. Ich erkannte es an dem kleinen Kratzer vorne an der Motorhaube, das Kennzeichen war ein anderes. Ja, ich hatte es mir gemerkt, manchmal hatte ich so etwas wie ein fotographisches Gedächtnis. Ich stand auf, das Auto hielt direkt vor mir. Nur zur Sicherheit schaute ich noch einmal durch die Fensterscheibe, aber ich hatte mich nicht getäuscht, am Steuer saß der Joker. Plötzlich begann mein Herz wieder zu rasen und Nervosität machte sich in meinem Körper breit. Schnell öffnete ich die Beifahrertür, setzte mich hinein und schloss sie eben so zügig. „Warum denn so eilig?", fragte er mich mit seinem wissenden Grinsen und ich konnte spüren wie die Röte in meine Wangen schoss. „Naja ich dachte... also...", stotterte ich, was war nur mit mir los? „Also, was?" fragte der Joker weiter während er den Wagen startete. „Naja ich dachte, du willst vielleicht nicht gesehen werden." „Im Park war niemand", antwortete er nur spöttisch. Ja, er hatte Recht, das war mir selbst ja auch schon aufgefallen. Trotzdem schaute ich nochmal zurück. „Süß wie aufgeregt du bist", grinste er weiter und spätestens jetzt lief ich rot an. Ich schaute nicht zu ihm, auch wenn er meine Gesichtsfarbe schon längst gesehen hatte, was er mit seinem Grinsen unkommentiert ließ. Stattdessen versuchte ich das Thema zu wechseln: „Schickes neues Kennzeichen übrigens." „Dir ist es aufgefallen! Schön, nicht wahr?", rief er begeistert. Ein kleines Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Ich konnte nicht anders, er war schon süß, wenn er sich freute. Ähm, hatte ich „süß" gedacht? Ich... weiter kamen meine Gedanken nicht, denn der Joker begann wieder zu reden. Es faszinierte mich, dass er im einen Moment vor sich her grinsen, mit dem Anschein er habe das größtes Vergnügen an meinen Worten und im nächsten Moment wieder komplett ernst und bei der Sache sein konnte. „Ach übrigens. Die Besprechung ist heute wahrscheinlich relativ kurz... Es ist schon relativ klar was wir machen... Planänderung... und ich bin nich so der Fan von Plänen... wir treffen uns nur für die Schwachköpfe die nach dem ersten Mal nichts checken." Ich fragte mich zwar gerade, wie die „Schwachköpfe" beim ersten Mal etwas checken konnten, wenn es eine Planänderung gegeben hatte, aber Regel Nummer eins: Dem Joker bestenfalls nicht widersprechen. Zumindest sollte ich das nicht, wir kannten uns ja kaum und es wäre ein leichtes für ihn gewesen mich umzubringen. „Ok...", meinte ich also nur und lehnte mich entspannt an den Autositz. Meine Nervosität legte sich. Vorerst. „Du fängst auch schon mal mit deinem Training an." Ich war gespannt wie dieses Training aussah und bei wem. Ich ging nicht davon aus, dass sich der Joker persönlich darum kümmern wollte. Ich nickte nur kurz und starrte weiter auf die Straße vor uns. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Starrens, in der auch der Joker kein einziges weiteres Wort verloren hatte, kamen wir bei einer alten Lagerhalle an. Ich hatte absolut keine Ahnung wo wir waren, wir waren in Downtown irgendwo abgebogen wo ich noch nie gewesen war. Die Lagerhalle lag abseits, hier war wohl seit Jahren keiner mehr gewesen. Wir stiegen aus und liefen Richtung Lagerhaus. „Bleib erstmal hinter mir", sagte er zu mir gewandt, ich nickte und folgte ihm. Zusammen liefen wir in die Halle, in der sich schon einige Männer versammelt hatten. Sie reden alle durcheinander, bis sie ihren Boss in der Tür erkannten und vom einen Augenblick zum anderen auf einen Schlag still wurden. Jetzt kam meine Nervosität wieder zurück. Dort stand ein Haufen großer Männer, die mir alle weitaus überlegen waren. Ich kam mir klein und hilflos vor hinter dem Joker. Er trat leicht zur Seite, sodass ich von allen gesehen werden konnte, mein Herz stoppte für einen Moment und ein kalter Schauer lief über meinen Rücken, als mich die starren Blicke der Männer musterten. Teilweise belustig, teilweise verwirrt. „Niemand fasst sie an oder tut ihr was. Das ist...", er stockte und schaute zu mir. „Es ist besser du benutzt einen anderen Namen", flüsterte er mir zu, woraufhin ich ihn erstmal nur anstarrte. Auf der einen Seite, weil ich noch bewunderte, wie viel Schutz er mir bot vor all den anderen, auf der anderen schien ich gerade alle gute Namen, die ich je gewusst hatte zu vergessen. „Ähm... Jester?", stammelte ich und ich war fast beeindruckt, dass mir doch etwas eingefallen war, das fast gut passte. Zwar hatte ich kurz Angst, der Joker könnte denken ich mache mich über ihn lustig, doch er zog nur grinsend eine Augenbraue hoch und wand sich wieder ernster zu seinen Männern. „Ok... Jester. Das ist Jester. Und jetzt lass uns anfangen oder wir hängen hier noch Jahre rum." Ich war nun also Jester (engl. „Spaßmacher"/ „(Hof-)Narr"). Die Männer schauten ihren Boss nun alle überrascht an und schwiegen, bis er sich gesetzt hatte. Danach bedeutete er mir, mich neben ihn auf einen freien Stuhl zu setzten und erst als ich saß meldete sich einer am Tisch zu Wort: „Was macht das Mädel hier, Boss?" Scheinbar hatte der Joker bis dato nur männliche Helfer. Ich wusste nicht ob ich mich diskriminiert oder geehrt fühlen sollte. „Sie gehört jetzt dazu", ich schaute ihn kurz von der Seite an: „Können wir dann jetzt weitermachen?", fragte er in die Runde, eigentlich ohne eine Antwort zu erwarten, doch einer meldetet sich und plötzlich konnte ich ein wenig verstehen, was der Joker mit „Schwachköpfen" gemeint hatte. „Was machen wir denn jetzt eigentlich, Boss?", fragte er. Er hätte sich ja denken können, dass sein Boss genau das gleich erklären wollte, aber dieser fuhr einfach unbeirrt weiter: „Also, es gibt 'ne Planänderung. Das Highlight muss leider verschoben werden. Wir werden uns so lange um... gewisse andere Menschen kümmern. Wir werden, wie schon gesagt, die Plan-Idee von letztem Mal für danach zuerst machen. Ich möchte, dass ihr Freitag, also morgen Abend das Gebäude links neben dem Museum stürmt und Bomben verteilt kapiert?" Ich schaute mich derweil bei den Männern bei, um mir wenigstens ein paar Gesichter einzuprägen. Zwei Stunden später saß ich in einem Fensterrahmen im Nebenraum. Die Besprechung hatte sich zwei Stunden in die Länge gezogen, weil der Joker den ganzen Plan nochmal von vorne erklären musste. Scheinbar hatte die eine Hälfte den Plan wieder vergessen, die anderen wollten sicher gehen oder waren nicht da gewesen. Was konnte so schwer daran sein ein paar Bomben in einem Haus zu verteilen? Mit Jokers Mitteln sollte das das kleinste Problem sein. Aber ich konnte mich nicht mit einmischen, ich sollte noch nicht gleich mit und weil der Joker scheinbar gemerkt hatte, dass es eventuell langweilig für mich werden könnte, hatte er mir erlaubt mich in den Nebenraum zu begeben. Eigentlich erstaunlich, dass er an mich gedacht hatte, aber ich war ihm dankbar. Schon am Anfang der Besprechung hatte ich mich unauffällig weggeschlichen. Viel spannendes war hier zwar nicht, aber immerhin hatte ich genug Ruhe meinen Gedanken nachzuhängen. Für das Training war nun selbstverständlicher Weise keiner mehr frei. Nach den besagten zwei Stunden kam der Joker schließlich entnervt in mein Zimmer gelaufen, ohne anzuklopfen versteht sich, weshalb ich erstmal zusammenzuckte. „Die Typen checken nichts, es ist spät, ich fahr dich nach Hause." „Danke", sagte ich, als ich mich von meinem Platz schob. „Komm." Ich folgte ihm bis in das Auto, seine Männer waren bereits abgehauen. Wir saßen eine Weile stumm nebeneinander, bis der Joker sich schließlich aufraffte seine Gedanken zu äußern. Das Grinsen hatte er die ganze Fahrt schon nicht aufgesetzt und auch jetzt schaute er ernster als sonst. „Warum bist du hier?" Ich schaute ihn verwundert von der Seite an: „Was meinst du?" „Das weißt du genau", antwortete er schnell: „Warum bist du hier? Neben mir? Obwohl du ein normales Leben einer Milliardärin mit Eliteschulenabschluss führen könntest?" Darüber machte er sich Gedanken? Ich dachte er war einfach froh gewesen, dass ich ihm so einfach verfallen und nun auf seiner Seite war. Auch wenn ich noch nicht begriffen hatte, warum er sich für mich entschieden hatte und zum ersten Mal fragte ich mich, was ER dachte. Die ganze Zeit hatte ich mich gefragt, warum ich ihm nachhing, aber andersrum? Ich hatte nicht mal daran gedacht mit darüber Gedanken zu machen. Wieso hatte er mich hierhergebracht? Was sah er in mir? Aber zuerst wollte ich auf seine Frage antworten, auch wenn ich zunächst nichts wusste. Ich wusste aber wieso. Ich wusste es ganz genau und er wollte nun, dass ich es laut ausspreche. „Geld kann nicht ersetzen was dir deine Eltern nicht an Liebe geben", meinte ich schließlich. „Poetisch ausgedrückt", bemerkte der Joker. Er hatte Recht, aber ich hatte keine Ahnung wie ich mich anders hätte ausdrücken sollen. „Es ist nicht schön, wenn dir jemand einredet, du musst ein perfektes, durchgeplantes Leben haben und dann abgeschoben wirst", versuchte ich zu erklären. „Ich bin auch nicht für durchgeplante Leben. Dann ist das Leben nur halb so...", er grinste kurz: „aufregend." Auch wenn er grinste, ich hatte das Gefühl, dass er mich irgendwie, irgendwo verstand. Kurz herrschte Stille, bis er wieder anfing: „Und deswegen bist du hier? Um kein perfektes Leben zu haben?" Leichte Ironie war in seiner Stimme zu hören und er widersprach sich leicht, aber er hatte schon Recht mit seiner Aussage. Wie erklärte ich ihm nun, dass ich auch wegen ihm bleiben wollte? Was er mit mir machte? Ich konnte es ja selbst nicht einmal einordnen oder erklären. „Nein... ich... ich... du...", mehr brachte ich nicht hinaus, ich hatte Angst etwas falsch zu sagen oder mich falsch auszudrücken. „Ich...?", fragte er nach, auf meine Antwort wartend. „Nichts." „Ich was?", harkte er erneut nach, inzwischen schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Als hätte er sich schon gedacht was gerade in meinem Kopf vor sich ging, beziehungsweise was ich versucht hatte zu sagen, auch wenn ich schon an dem ersten Wort gescheitert war. In dem Moment hielt der Joker den Wagen an, wir waren an der Ecke des Wayne Manors angekommen. „Ich weiß es nicht", sagte ich noch, bevor ich ausstieg. Mit einem seichten Lächeln verabschiedeten wir uns stumm und ich ging nach Hause. Sein Lächeln war fast warm und süß gewesen. Er war wie eine undurchdringbare Wand, er hatte immer seine Fassade, doch mit diesem Lächeln hatte ich das Gefühl einen kleinen Riss in dieser Fassade gefunden zu haben.

Driving into madness (Gotham ff - german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt