Gotham

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Unsanft wurde ich von einer lauten Stimme aus dem Schlaf gerissen. „Ich wiederhole, in Kürze kommen wir in 'Farrow, Uptown Gotham City' an, Ausstieg in Fahrrichtung rechts. Wir wünschen ihnen einen schönen Aufenthalt", beende der Zugfahrer seine Durchsage. Langsam richtete ich mich wieder auf. Um mich herum war alles leer, ein ganzes Abteil für mich selbst, wahrscheinlich wollte keiner freiwillig nach Gotham. Gotham... die Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate auf der ganzen Welt. Ich versuchte inzwischen meinen Koffer irgendwie von der Ablage über mir herunter zu bekommen. Überall hätte mein Onkel wohnen können, aber nein, er wohnt hier. Und natürlich gibt es hier eine besondere Schule, die es bei uns nicht gibt. Was interessiert mich das? Ich weiß eh nicht, was ich später mal machen will. Ohne es wirklich zu realisieren war ich bereits zum Ausgang des Wagons gelaufen und starrte nach draußen, wo kurze Zeit später der große, graue Bahnhof erschien. „Farrow" stand auf dem Schild vor dem der Zug hielt. Ich war die erste die auf den Steinboden hinaustrat. Ich bewegt mich Richtung Ausgang und versank wieder in Gedanken an meine Eltern, die mich ja so sehr liebten, dass sie seit einem Jahr versuchten eine bestmögliche Schule zu finden. Erst die nächste Säule, gegen die lief, riss mich für eine Sekunde wieder in die Realität. „Scheiße", nuschelte ich. Ich quetschte mich möglichst unauffällig durch die kleine Menschenmenge. Zu viele Menschen auf einem Haufen haben mich schon immer nervös gemacht. Und Orte, die ich nicht kenne.

Endlich war ich draußen aus dem hässlichen Gebäude. Riesige Hochhäuser, stockender Verkehr und Unmengen an Menschen begrüßten mich. Es war hell, gerade mal 12 Uhr zeigte meine Uhr an, ich war sehr früh losgefahren... Ich wollte hier weg, ich wollte einfach zurück und in den nächsten Zug steigen, auch wenn ich dann wieder in meinen Alltag mit Eltern, die aus jeder schlechten Note ein Drama machten, zurück müsste. Lieber als hier in einer unübersichtlichen, überlaufenden Stadt bei einem Onkel, den ich nicht mal kannte, zu wohnen. Langsam kramte ich einen kleinen Zettel aus meiner Hosentasche. Darauf stand „Taxi: 608/889971 Ziel: Wayne Manor", in der Schnörkelschrift meiner Mutter. „Wayne Manor"... einen ganzes Anwesend... es schien zu stimmen, dass mein Onkel ein Milliardär war. Ich entschied mich dazu sofort ein Taxi zu rufen, ich hätte mich nur verlaufen.

Kurze Zeit später fuhr ich, auf der Rückbank des Wagens, über die „Robert Kane Memorial Bridge". Ich hatte eine Stadtkarte über Google Maps geöffnet, um zu wissen wo ich ungefähr wohnen würde. Scheinbar wohnte mein Onkel nicht direkt in Uptown, sondern in „Bristol County", der Villenstadt über Gotham. Wir hielten vor einem gigantischen Anwesend. Eine Villa, mit einem riesigen Garten, umrahmt von einem Zaun, der mindestens 20 Zentimeter höher war als ich. Ich gab dem Fahrer das Geld, stieg aus und lief zu dem unübersehbaren Tor. Eine Klingel und ein Lautsprecher waren daneben angebracht. Ich klingelte und wartete kurz. „Guten Tag, wer ist da?", drang eine Männerstimme aus den Sprechern. „Ähm... hallo... ich bin Kelsey Wayne... Bruce Waynes Nichte...", stotterte ich überfordert. „Ah natürlich, Master Wayne erwähnte Sie bereits, kommen Sie herein", meinte die Stimme und öffnete das elektrische Tor mit einem leisen Summen. „Ähm, danke", ich lief auf die Tür zu, in der schon ein älterer Mann stand, der sich mir als Alfred vorstellte. „Guten Tag, Miss Wayne. Freut mich Sie kennen zu lernen, ich bin Alfred, Master Waynes Diener." Er gab mir die Hand, „Hallo, freut mich auch", antwortete ich unsicher. Ich folgte Alfred in das große Wohnzimmer. Drei Ledersofas und ein Sessel, ebenfalls aus Leder, standen im Viereck mit der Wand zusammen, an der Wand ein wunderschöner Kamin und darüber hing ein Fernseher, den ich auf 65 Zoll schätzte. Staunend schaute ich mich um, bis Bruce in das Zimmer kam. „Ah, hallo Kelsey. Alfred, Sie können gehen." Er wirkte sympathisch, mit seinem Lächeln. Alfred lief mit den Worten „Natürlich Master Wayne, ich kümmere mich weiter um... das Projekt", zu einer Treppe, die scheinbar nach unten in einen Keller führte. Kurz verwirrte mich die auffällige Pause die Alfred gebraucht hatte, bevor er „das Projekt" sagte, aber ich ignorierte es einfach und wand mich meinem Onkel zu. „Äh, hi, schön dich mal kennenzulernen." „Freut mich auch. Ich war ehrlich gesagt erstaunt, als deine Mutter mich anschrieb. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt noch jemanden aus meiner Familie gibt. Auch von meiner Halbschwester, also deiner Mutter, wusste ich noch nie viel... aber ich bin froh wieder Kontakt mit euch zu haben...", meinte er lächelnd. Er wirkte ein wenig schüchtern, schien genau so wenig wie ich zu wissen, was er von der ganzen Situation halten sollte, aber er schien glücklich darüber. Und ich bemühte mich. „Ich wusste um ehrlich zu sein auch nicht, dass du existierst bis meine Eltern plötzlich angefangen haben von Eliteschulen und dir zu erzählen...", meinte ich, was ihn zum Lachen brachte. „Hübsche Villa übrigens, wohnst du hier alleine mit Alfred?", fragte ich ihn. Man merkte regelrecht wie ihm ein bestimmter Gedanke durch den Kopf schoss, der ihm das Lächeln aus dem Gesicht riss, doch er bemühte sich, weiterhin zu lächeln. „Danke und ähm, ja... hab ich von meinen...", der Gedanke, ich kannte das, „... Eltern geerbt. Ich kann dich ja mal ein bisschen herumführen." Und so liefen wir los, durch die langen Gänge und vielen großen Räume des Hauses. Gerade kamen wir aus der riesigen Bibliothek heraus. „Du sagtest, du wusstest gar nicht, dass es überhaupt noch jemand aus deiner Familie gibt...", ich zögerte kurz, ehe ich fortfuhr, „... was ich mit deinen Eltern passiert? Wenn ich fragen darf." Ich schien seinen Gedanken von vorhin getroffen zu haben. „Sie sind gestorben als ich noch kleiner war... Alfred hat mich aufgenommen und großgezogen...", antwortete mein Onkel und lächelte mir kurz zu. „Tut mir leid, ich wollte nicht...", wollte ich gerade anfangen, doch er unterbrach mich „Alles in Ordnung, es ist schon lange her und es geht quasi um deinen Großvater, also hast du das Recht, das zu wissen. Auch wenn du ihn nie kanntest." Wir liefen gerade in einen Art Essensraum mit einer offenen Küche. „Das ist übrigens der Essbereich. Also wenn du Hunger hast, bediene dich einfach. Oder ruf Alfred, der kann dir was kochen", erklärte Bruce lächelnd, während ich mich, immer noch erstaunt, umschaute. „Und du? Warum genau bist du hier?" Ich überlegte kurz. „Na ja, meine Eltern wollen halt unbedingt, dass ich auf diese besondere Schule gehe. Und die gibt's bei uns halt nicht, dann hat meine Mutter von dir erfahren und, dass es hier so eine Schule gibt... Meilen von meinen Freuden entfernt, in der Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt... sorry, ich weiß du magst diese Stadt..." „Hey, ich kann dich verstehen, aber warte doch erstmal ab, vielleicht ist die Schule ja gar nicht so schlimm wie du denkst... vielleicht werden ja sogar deine Noten besser in dieser extratollen Schule." Das „extratoll" war das ironischste was ich je gehört hatte, aber er meinte seine Worte dennoch ernst. Ich lächelte kurz, auch, wenn ich wusste, dass es nicht wahr werden würde.

Kurze Zeit später liefen wir an einem Zimmer vorbei, in dem, wie Bruce mir erklärte, ich leben sollte. Er gab mir Zeit meine Sachen auszupacken, nachdem er mir meinen Koffer hochgetragen hatte. Ich lief durch das Zimmer. Es war mindestens doppelt so groß wie meins Zuhause. In der Mitte stand ein riesiges Doppelbett, an der rechten Wand war ein riesiger Kleiderschrank mit Ganzkörperspiegel in der Mitte. Daneben war ein Schreibtisch mit einem bequem aussehenden Drehstuhl und auf der anderen Seite des Zimmers war eine Tür, die zu meinem eigenen Bad führte. Neben der Tür standen ein leeres Regal und ein Gemälde von Peter Paul Rubens. Ein eigenes Bad. Andere freuten sich über so etwas, aber mit Reichtum und lauter Kram und Autos und Häusern, mit viel zu vielen Zimmern, konnte ich noch nie was anfangen. Ich widmete mich meinem Koffer, der überquoll, als ich ihn öffnete. Schließlich sollte ich hier noch zwei Jahre bleiben, das heißt, ich hatte meinen halben Kleiderschrank in den größten Koffer, den ich gefunden hatte, gestopft. Trotzdem sahen meine Klamotten, nach dem einräumen, sehr einsam in dem Kleiderschrank aus, so viel Platz war in ihm. Nachdem ich auch meinen restlichen Kram in das Bad gebracht hatte, lief ich zurück zu Bruce, in das Wohnzimmer. Er saß mit einem Laptop auf dem Schoß, auf der Couch. „Ah, bist du fertig?", fragte mein Onkel, der jetzt von seiner Arbeit aufsah. Ich nickte und er stand auf. „Gut, dann gehen wir am besten gleich los. Die von dieser Schule wollen dich mal sehen und noch ein paar Sachen fragen bevor du dahin gehen kannst." Kurz Zeit später standen wir in seiner Garage vor dem silbergrauen Lamborghini. Natürlich hatte er einen Lamborghini, was auch sonst. Wir fuhren zu dieser Schule, wofür wir quer durch ganz Up-, Mid- und halb durch Downtown fahren mussten. „Das ist übrigens der Wayne Tower, falls du schon mal davon gehört hast", meinte Bruce lächelnd, als wir an dem Turm vorbei kamen. Ja, ich hatte schon mal davon gehört und er war noch gigantischer als ich dachte. Und zwei Straßen weiter hielten wir vor einem Gebäude, das aussah wie die Schule.


Driving into madness (Gotham ff - german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt