Vorwürfe

2.3K 90 4
                                    

Auch zwei Tage nach dem katastrophalen Abendessen wurde Tonks von ihrem schlechten Gewissen geplagt. Es wäre auch zu schön um wahr zu sein, wenn das Wiedersehen problemlos abgelaufen wäre.

Harry und Ron waren in der Vergangenheit hängen geblieben, zumindest was ihre Vorurteile und festgefahrenen Meinungen über bestimmte Personen anging. Und auf der anderen Seite waren da Draco, der seine große Klappe nicht halten konnte und Hermine, die noch immer daran zu knabbern hatte, dass sich das Trio auseinandergelebt hatte, obwohl sie sich selbst etwas anderes einzureden versuchte. Tonks vermutete, dass es für Hermine deshalb so schlimm war, da Harry und Ron die ersten und einzigen, richtigen Freunde waren, die sie jemals hatte. Das ließ sich nicht so einfach verdrängen, egal wie sehr man es versuchte.

Der neue Stapel an Einsatzberichten auf dem Schreibtisch war an diesem Vormittag jedenfalls eine willkommene Ablenkung von diesem Desaster.

Leider funktionierte das nur bedingt, da ihre Gedanken ständig abschweiften. Nicht nur an das vergeigte Abendessen, sondern auch an den Sommer nach der Schlacht in Hogwarts.

Ihre Mutter hatte sich damals in den Kopf gesetzt, die Familie wieder zusammenzuführen und aus dem Grund hat sie nicht nur ihre Schwester Narcissa auf Malfoy Manor besucht, sondern ihre Tochter gleich dorthin mitgeschleppt.

Dieses Treffen mit dem Wort ‚grässlich' zu beschreiben, war noch äußerst nett ausgedrückt. Den gesamten Besuch lang hatten sie sich nur angeschwiegen und die hässlichen, grauen Vorhänge im Salon angestarrt.

Lucius Malfoy war zum Verhör im Ministerium gewesen, demnach waren Narcissa und Draco allein. Tonks erinnerte sich noch genau daran, wie ihr Cousin ausgesehen hatte. Er war leichenblass und viel zu dünn, die Kleidung konnte das nicht annähernd verdecken. Seine Augen waren vollkommen leer und ausdruckslos. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass er mit Voldemort in einem Haus hatte leben müssen. Bei diesem Anblick hatte er ihr richtig Leid getan, trotz der Geschichten über ihn, die sie von Harry und den jüngeren Weasleys kannte.

Und dann war es ausgerechnet Teddy gewesen, der diesen Augen wieder Leben eingehaucht hat. Er saß bei Tonks auf dem Schoß und hat irgendwann einfach Dracos Haarfarbe angenommen und ihn angelächelt. Mehr nicht.

Während die schwesterliche Wiedervereinigung eher schleppend verlief, kamen Draco und sie sich allmählich näher, vor allem durch Teddy. Der Kleine war ganz verrückt nach Draco und nach anfänglichen Schwierigkeiten, die aus regelmäßigen verbalen Auseinandersetzungen und offen kommunizierter Abneigung bestanden, wurde er zuerst erträglich und anschließend so etwas wie ihr Vertrauter. Er war beinahe das komplette Gegenteil von dem Malfoy, den sie aus Erzählungen kannte, aber ob er unter Freunden schon immer so war oder der Krieg die Ursache, konnte sie nicht sagen. Es war ihr auch schlicht und ergreifend vollkommen egal.

Auch ihr selbst ging es durch den neu entstandenen Kontakt besser, denn sie lernte, mit ihrer Trauer über den Verlust von Remus umzugehen. Sie redeten viel über ihre eigenen Rollen im Krieg, darüber, wie sie sich gefühlt haben und so gaben sich gegenseitig Halt. Nicht einmal mit Bill hatte sie über diese Themen gesprochen.

Als er sich dann ausgerechnet mit Hermine angefreundet und die beiden sich auch noch ineinander verliebt hatten, war Tonks aufrichtig begeistert gewesen. Zu dumm, dass ausgerechnet Ron und Harry so einen Aufstand gemacht haben. Genauer gesagt war es Ron gewesen. Harry hatte nach und nach einfach den Kontakt eingeschränkt und bevor sie miteinander reden konnten, war Hermine nach Australien verschwunden.

Aber Hermine hatte wohl recht. Wenn Harry wählen musste, zog sie den Kürzeren. Kein Wunder, dass sie versuchte sich einzureden, dass sie ohne die Jungs einfach besser dran war. Vielleicht stimmte es ja?!

HeimatgefühleWhere stories live. Discover now