Eine unverhoffte Aussprache

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Endlich hatte sie etwas Zeit für sich. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde mit jedem Buchrücken, über den sie strich, breiter. Der Geruch von Büchern und Pergament war allgegenwärtig.

Glücklicherweise war es zu dieser Zeit nicht sehr voll in der Winkelgasse. In den letzten Monaten hatte sie diesen Ort meist gemieden, da sie zum Einen keine großen Menschenansammlungen mochte und sie zum Anderen seit dem Krieg leider keine unbekannte Person mehr war. Daran hatten auch fünf Jahre in Australien nichts geändert. Kaum zu glauben, aber aufdringliche Reporter gab es nicht nur in der Muggelwelt. Sie seufzte bei dem Gedanken an ihr letztes Mal in der Winkelgasse, als eine Hexe, die sich als Kolumnistin der Hexenwoche vorgestellt hatte, sie mit allen möglichen unverschämten Fragen über ihr Privatleben belästigt hatte. Sie hatte nur ein Buch über Desinfektionszauber kaufen wollen, stattdessen war sie nach wenigen Metern wieder umgedreht, um schnell wieder nach Hause zu kommen. Schlussendlich hatte George ihr das Buch besorgt.

Hermine ging das Regal entlang, überflog die Titel und zog amüsiert die Augenbrauen hoch, als sie eine Ausgabe von „Zauberisches Ich" erblickte. In dieser Abteilung war sie definitiv falsch. Sie schlenderte zum nächsten Regal.

Mittlerweile war es fast Ende Oktober, der große Andrang in der Winkelgasse hatte nachgelassen, seit das Schuljahr in Hogwarts begonnen hatte und so war sie, bis auf eine Dame an der Kasse, die einzige Kundin ‚Flourish and Blotts'. Es war ihr nur recht. In ihrem Zustand war es weitaus schwieriger vor irgendwelchen Reportern wegzulaufen, als noch vor ein paar Monaten.

Hermine schnaufte kurz und presste den kleinen Stapel in ihrem Arm etwas fester an sich, als sie einige starke Tritte spürte. Sie lachte leise auf schüttelte den Kopf. „Da scheint aber jemand ungeduldig zu sein. Lass deiner Mami doch ein bisschen Zeit fürs Einkaufen." Während sie das sagte, strich sie leicht über ihren Bauch. Sie schaute auf die Bücher in ihrem Arm. „Okay, vielleicht hast du recht. Drei sollten erst einmal reichen."

An der Kasse angekommen fiel ihr auf, dass sie ausgerechnet die neueste Ausgabe von Asiatische Gegengifte vergessen hatte. Kurz überlegte sie, es doch noch zu suchen, aber ihre geschwollenen Füße protestierten heftigst. Sie zuckte mit den Schultern. Dann hatte sie wenigstens einen Grund, noch einmal herzukommen. Nicht, dass sie einen brauchte.

Ein Klingeln machte darauf aufmerksam, dass ein weiterer Kunde den Laden betreten hatte. Hermine drehte kurz den Kopf, sah in den Augenwinkeln die andere Person, bevor sie sich wieder dem Verkäufer zuwandte. Ihre Augen weiteten sich, als ihr Gehirn die visuelle Information verarbeitet und sie eine Vermutung hatte, wer da nur ein paar Meter von ihr entfernt stand. Hermine schluckte und schaute vorsichtig in Richtung Tür. Sie war es wirklich, aber sie schien sie nicht gesehen zu haben.

Schnell holte sie die Galleonen aus ihrer Geldbörse, stopfte die Bücher in ihre Tasche und watschelte, so schnell sie konnte, zur Tür. Fast dort angekommen, schaute sie nochmal nach links, genau in die Augen von Ginny Weasley.

Die Zeit schien stillzustehen. Keine von beiden sagte ein Wort. Tausend Gedanken rasten Hermine durch den Kopf. Was sagte man nach fünf Jahren? Sollte sie überhaupt etwas sagen? Sie waren nicht gerade als Freundinnen auseinandergegangen.

„Hallo Hermine."

Sie blinzelte zwei Mal, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne, dass ein Laut über ihre Lippen kam. Ihr Herz pochte und ihr Mund war trocken. Beinahe ruckartig drehte sie sich zur Tür und machte einen Schritt nach vorn, bevor sie abermals stehen blieb. Verdammt, konnte sie jetzt wirklich so einfach gehen? Hermine schloss die Augen und ballte ihre rechte Hand zur Faust, bevor sie tief einatmete und sich wieder Ginny zuwandte, die noch immer wie angewurzelt dastand.

„Hallo." Mehr kam ihr nicht über die Lippen.

Auch Ginny blieb abermals stumm, strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und schaute auf die Dekoration im Fenster. Hermine kaute auf ihrer Unterlippe, während sie zwischen Ginny und ihrer Tasche hin und her schaute. Hätte sie doch nur nicht so lange gestöbert, dann stünde sie jetzt nicht hier wie der letzte Depp, auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser absolut unangenehmen Situation.

HeimatgefühleWhere stories live. Discover now