Teil 25

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Das erste was ich wahrnahm war Kinderlachen.
Ich schaute mich um, doch ich befand mich in einem leeren Raum. Weit und breit war nichts zu sehen, noch zu hören. Totenstille.
Da! Da ist es wieder!, schoss es mir durch den Kopf, als mir das Kinderlachen abermals zu Ohren kam.
Ich drehte mich im Kreis. Langsam nahm der leere Raum, in dem ich mich befand, eine mir vertraute Umgebung an.
Ich stand im Wald auf einer kleinen Lichtung, ein großer halbumgefallener Baumriese vor mir. Von einem Gewitter zu Boden gebracht und von der Zeit eingeholt, lag er dort. Efeu und weiteres Unkraut umwucherte ihn. Sein hohler Innenraum beherbergte nun viele kleine Insekten und manchmal auch zwei kleine Kinder.
Ich wusste genau wo ich war.
Als ich das Lachen ein drittes Mal hörte, konnte ich es zuordnen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der ich glaubte es zu hören und sah die zwei Kinder.
Es waren Seth und ich. Wir rannten an mir vorbei, und auf den Baumstamm zu. Seth sprang hinauf und kletterte ein bisschen darauf herrum. Ich ging zu dessen halb herausgerissenen Wurzeln und fand den Eingang zum hohlen Innenraum.
„Seth, schau mal! Da kann man reingehen!"
Seth kletterte hinunter und schaute hinein. Es war etwas düster dadrinnen, dennoch wirkte es irgendwie einladend.
Naja, für zwei kleine, neugierige Kinder, auf jeden Fall.
„Komm wir gehen rein", sagte Seth und setzte einen Schritt an.
„Warte, was wenn es da drinnen Spinnen gibt?", erwiderte mein jüngeres ich ängstlich, das schon damals Angst vor den Tieren hatte.
Doch Seth streckte mir die Hand entgegen und erwiderte: „Keine Angst, Rachel. Ich beschütze dich."
Ich nahm Seths Hand und gemeinsam setzen wir einen weiteren Schritt an.
Die schatten der Vergangenheit verschwommen langsam und wieder befand ich mich in dem leeren Raum.
Als alles wieder klarer wurde, erkannte ich nach und nach die Umrisse von Seths Zimmer. Ich schaute mich um.
Alles so wie ich es kenne, dachte ich mir.
Ein Schreibtisch, ein Schrank, ein Regal und sein Bett.
Die Hanteln sind weg.
Jetzt lagen dort wieder Spielsachen. Ein dumpfes Kinderlachen drang wieder an meine Ohren.
Die Tür wurde aufgerissen und Seth und ich stürmten ins Zimmer.
Wir sprangen herum und erzählten aufgeregt von dem Baumstamm und wie wir vorhatten uns ein kleines Geheimversteck dort einzurichten.
Ich musste grinsen.
Mein jüngeres Ich sprang aufs Bett und legte sich hin. Seth legte sich zu mir.
„Ich mag dein Bett, von da aus kann man bestimmt gut die Sterne sehen.", meinte ich und schaute hinaus.
Doch plötzlich änderte sich die Perspektive und ich schaute nicht mehr meinem jüngeren Ich und Seth von außen zu, sondern lag nun selbst auf dem Bett. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und entdeckte Paul.
Er lang an Seths Stelle neben mir und schaute mich ernst an. Er war nicht im Kindesalter wie ich. Ich war klein und unbedeutend im Gegensatz zu ihm.
Seine Augen durchbohrten mich und mich überkam ein überwältigendes Gefühl von Schuld.
Ich wollte wegschauen, doch unsere Blicke ließen einander nicht los. Meine versuche mich zu bewegen oder etwas zu sagen scheiterten. Wie versteinert lag ich da, mein Blick an Paul geheftet. Hilflos musste ich die Wellen an Schuldgefühlen über mich ertragen lassen. Wieder und wieder brachen sie über mich hinein und ich fürchtete gleich zu ertrinken.
Doch statt zu ertrinken, fiel ich.
Ich fiel in eine unendliche schwarze Tiefe.
Jetzt hörte ich mich auch wieder schreien.

Mysterious As The Dark Side Of The MoonWhere stories live. Discover now