Teil 2

2.2K 69 2
                                    

Ich stocherte gedankenverloren in meinem Essen herum. Es gab Reis mit gekochtem Gemüse, eigentlich eines meiner Lieblingsessen. Aber heute konnte ich es irgendwie nicht genießen. Ich starrte angestrengt auf den Tellerrand und überlegte fieberhaft, wie ich meine Mom dazu bringen könnte mich 6 Wochen lang zu Dad zu lassen.
Ich richtete meine Blick auf meine Mutter, die genüßlich ihr Essen verzehrte. Ich schaute sie einfach nur an. Wir schwiegen uns an, keiner sagte etwas. Sie wusste genau was ich von ihr wollte und überlegte sich wahrscheinlich schon wieder eine neue Ausrede um mich hier bei sich zu behalten. Manchmal konnte Mom echt egoistisch sein. Die Stille die uns umgab war ohrenbetäubend und ich war kurz davor zu platzen. Ich musste diesem Schweigen ein Ende setzten. Also räusperte ich mich. Gut, zugegeben war das kein sehr glorreicher "Platzer", aber ich konnte ja auch nich einfach losschreien, quengeln und betteln. Wenigstens erfüllte es seinen Zweck. Mom schaute auf.
"Ist irgendwas, Schatz?", fragte sie mich besorgt. "Du isst ja gar nichts." "Ja, ich wollte eigentlich nochmal über meinen Vorschlag vorhin sprechen. Ob ich die Sommerferien über zu Dad könnte" Sie wandte den Blick ab. "Bitte, Mom", jammerte ich. "Es ist ja nicht so als ob ich ausziehen würde oder so. Es sind nur die Sommerferien und ich bin bei Dad." "Ich weiß nicht. Es gefällt mir nicht dich 6 Wochen lang nicht hier zu haben. Und wer kümmert sich bitte um Lenny (unsere Katze) wenn du nicht..." Weiter kam sie nicht, denn ich unterbrach sie. "Hör doch endlich auf damit! Lenny ist eine Katze, kein Hund! Er kommt auch gut allein zurecht, solange du ihm was zu Essen gibst. Mom, ich verstehe dich einfach nicht. Jedesmal wenn ich Dad und La Push anspreche blockst du sofort ab und tischt mir irgendwelche billigen Ausreden auf, so als würdest du mich umbedingt davon fern halten wollen! Aber ich bin 16 Jahre alt und es ist immerhin mein Vater den ich besuchen möchte. Und auch Amber und Lauren (meine Freundinnen dort). Ich vermisse sie alle." Die Worte sprudelten regelrecht aus mir heraus und ich konnte sie nicht aufhalten.

Mom schaute mich geschockt an. Schließlich wandte sie den Blick ab. Gut, das waren vielleicht nicht umbedingt die nettesten Worte und sicherlich nicht der netteste Tonfall aber es war die Wahrheit. Und das wusste sie auch. Sie wollte mich einfach nicht dort haben, nicht in La Push und nicht bei Dad. Ich weiß nicht worum es bei ihren Streitigkeiten ging, aber ich bin mir sicher, dass diese immer noch Einfluss auf ihre heutigen Gedanken und Entscheidungen bezüglich La Push haben. Wenn der Grund aber einfach dieser ist, dass sie und Dad sich einfach nicht mehr verstanden hatten und sie mich schlicht und einfach nicht bei ihm haben wollte und nicht mit ihm teilen konnte, war ich wirklich sauer und gleichzeitig enttäuscht von ihr. Denn Dad war mir immer ein guter Vater gewesen.
Damals als wir noch zusammen gelebt hatten sind wir immer zusammen an den Strand gegangen und im Wald spazieren. Ständig erzählte er mir irgendwelche alten Geschichten und Legenden über dieses Land. Ich erinnere mich daran, wie ich auf seinem Schoss saß, in seine pechschwarzen Augen starrte und jedem seiner Worte gebannt lauschte. Ich genoss jede einzelne Silbe. Die Zeit mit meinem Dad war immer irgendwie magisch.

Ich schaute meine Mom an und suchte ihren Blick. Schließlich erwiderte sie ihn. "Du musst verstehen, Schatz, dass ich dich weder von deinem Vater, noch von deinen Freunden fern halten möchte, wirklich nicht. Aber auch wenn du hier bei mir wohnst, habe ich dich trotzdem kaum für mich. Wir sehen uns so gut wie gar nicht. Ich weiß es klingt albern, aber ich vermisse dich auch."
Ich schaute sie an und verstand.
Auch wenn meine Mutter erst ende 40 war, war sie gezeichnet. Gezeichnet vom Leben und von der Zeit. Kleine Lachfältchen zierten ihre Mundwinkel und jedes Auge. Zwei tiefe Linien durchzogen die Haut unter ihren Augen und verrieten wie erschöpft sie wirklich von ihrer Arbeit war und wie wenig sie schlief. Auch ihre Augen hatten sich verändert. Früher waren sie so blau wie das Meer selbst und so klar wie ein Gletscher. Sie strahlten und lachten. Und ich weiß noch wie ich sie früher immer voller Bewunderung angesehen hatte und mir dachte, dass es auf dieser Welt nichts strahlenderes gab als ihre Augen. Heute sehen sie eher trüb aus. So trüb wie der Himmel kurz vor einem Sturm. Sie lachten auch nicht mehr so wie sie es früher taten.

Ja, ich vermisste meine Mom auch.

Mysterious As The Dark Side Of The MoonOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz