Ein Handelsangebot

Start from the beginning
                                    

"Du bist mutiger, als du wirkst", säuselte er, "Lass es mich so sagen: Ich mache mir schon seit langer Zeit nicht mehr selbst die Hände schmutzig, meine Wächter gehen für mich auf die Jagd, die mir im Gegensatz zu James keine Belustigung verschafft. Meine Wächter sind angewiesen, es schnell zu beenden. Ein einziger Biss. Ein sofortiger Tod. Eine sanfte Art zu sterben. Also nichts, was meiner Abneigung gegen grobe Gewalt widersprechen würde."

Der Omega musste sich auf die Unterlippe beißen, um dem König nicht ins Wort zu fallen. Seiner Meinung nach war der Widerspruch offenkundig und die Art und Weise, wie Sebastian sich rechtfertigte lächerlich. Doch er war nicht in der Position den König zurecht zuweisen. Er besaß nicht die Oberhand und er wollte nicht erfahren, was passierte, wenn Sebastian in Rage geriet.

"Genug davon", sprach der König und Tobias seufzte erleichtert, dass sie das Thema fallen ließen, "Ich habe dich nicht hierher bringen lassen, um mit dir über Blut zu diskutieren. Ich wollte nur deutlich machen, dass ich kein Unterstützer von James Verhörtechniken bin, aber ich musste ihn leider gewähren lassen, immerhin sind wir Verbündete. Ohne diesen Umstand hätte ich dich dieses Prozedere natürlich nicht durchlaufen lassen."

Ein Außenstehender hätte Sebastians Aussagen vielleicht für wahr gehalten, angesichts des Anflugs von Reue, der über die Miene des Königs strich. Aber für Tobias war er nur ein perfekter Schauspieler, der seinen Text außerordentlich gut beherrschte und versuchte sein Publikum in seinen Bann zu ziehen, nur funktionierte dies nicht bei dem Omega. Niemals hätte Sebastian ihn aus James Fängen befreit, er war kein Stück besser als der Alpha.

"Doch nun bist du hier, in meinem Reich, indem meine Regeln gelten. Also vergessen wir die Folter und konzentrieren wir uns darauf, wie ich bei Meinungsverschiedenheiten agiere. Ich weiß, dass sich deine Zunge erst lockern wird, wenn du dafür eine Gegenleistung erhälst, die du für angemessen hälst. Du gibst mir etwas, und ich gebe dir etwas dafür. Ein Handel eben. Etwas, das zu unser beider Vorteil ist. Nun sag mir, Tobias, was ist es, was dein Herz begehrt? Und bevor du direkt ablehnst, sei dir gesagt, dass du alles verlangen kannst. Ist es Elijahs Leben? Sams? Beide sind bedroht, niemand weiß, wann der Krieg erneut entflammt. Vielleicht sitzt du zu dieser Zeit noch im Verließ und kannst sie nicht retten. Wenn du es willst, können wir sie verschonen. Du könntest mit ihnen ein friedliches Leben führen, alles was es dafür braucht, sind Informationen, die uns den Sieg sichern. Ich verspreche dir, dann wird sich alles erfüllen, was du dir wünschst."

Für einen Augenblick konnte Tobias nicht verhindern, wie in seinem Kopf Bilder aufflammten, wie er Elijah umarmte und ihn küsste, wie er mit Sam lachte und sich mit ihm aussprach. Es waren schöne Bilder, die ihm einen Kloß im Hals bescherten. Sie waren zu schön. Zu schön, um wahr zu sein. Sie waren bloß Wunschvorstellungen, Träume. Derzeit unerreichbar und doch wollte er nichts so sehr. Er verfluchte Sebastian dafür, dass er ihm diese Bilder in den Kopf setzte und dass sie ihn so sehr trafen. Der König hatte seine Schwachstellen zielsicher getroffen und vielleicht würde er sich tatsächlich an eine Abmachung halten, nur würde es Tobias darauf nicht ankommen lassen. Es ging hier nicht nur um Elijah und Sam. Er dachte an Benjamin, an Miles und die anderen. An die Menschen im Dorf. An die Straßen voller Leben. Niemals könnte er dies aufs Spiel setzen.

"Es gibt nichts, was ihr mir versprechen könntet, das es wert wäre, einen Handel einzugehen", antwortete Tobias ruhig, aber voller Entschlossenheit, was dafür sorgte, dass Sebastian sich seufzend in seinem Sessel zurücklehnte und sein Glas abstellte.

"Ich bin mir sicher, dass dies eine vorschnelle Entscheidung ist, die du noch ändern wirst. Daher werde ich dir etwas Bedenkzeit geben", murmelte Sebastian und klatschte in die Hände, woraufhin ein Wächter eilig die Bibliothek betrat und Tobias dazu zwang aufzustehen.

"Wir sehen uns, Tobias. Ich bin mir sicher, deine Antwort wird dann eine andere sein", sagte er zum Abschied, bevor der Wächter den Omega zurück in die Verließe führte.
Es war eine Erleichterung Sebastian den Rücken kehren zu können. Er fühlte sich in der Nähe des Königs sehr unwohl und fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn er ihm mitteilte, dass er seine Entscheidung nicht geändert hatte. Denn dazu würde es nicht kommen.

Diese Gedanken wurden von dem Quietschen der Verließtür unterbrochen, die der Wächter gerade hinter sich schloss und ihn damit zurückließ. Cara linste bereits durch die Gitterstäbe zu ihm.

"Er hat dich tatsächlich ganz gelassen", stellte sie erstaunt fest, "Was hat er zu dir gesagt?"

"Er hat versucht mir einen Handel vorzuschlagen. Informationen gegen etwas, das ich mir wünsche."

Die Vampirin schnaubte: "Typisch. Aber glaub bloß nicht, dass er sich an Versprechen hält und sie nicht so dreht, wie es ihm gefällt."

"Ich bin auch nicht darauf eingegangen", erwiderte Tobias, "Doch das Treffen war trotzdem interessant, nicht im Hinblick auf Sebastian, sondern im Bezug auf die Bibliothek. Ich hatte einige Minuten für mich allein und konnte mich etwas umsehen. Ich glaube, ich habe das Buch gefunden, von dem du gesprochen hast. Bloß hatte ich keine Zeit es zu lesen, aber ich will unbedingt wissen, um welches Ritual es sich handelt. Wir müssen es irgendwie schaffen, in die Bibliothek zu gelangen und die Aufzeichnungen zu dem Ritual an uns zu nehmen."

"Also willst du ausbrechen, um in die Bibliothek zu gelangen? Ich hatte eigentlich gehofft, du würdest vorschlagen, dass wir von hier verschwinden. Ich bin ehrlich gesagt nicht scharf darauf, noch einen Tag länger in diesem Verließ zu bleiben. Aber wenn wir in die Bibliothek einbrechen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man uns erwischen und wieder wegsperren wird."

"Das Risiko müssen wir eingehen." Denn Benjamin direkt zu fragen, schied aus. Dafür war die Verbindung des Mindlinks zu schwach im Moment.

Cara stöhnte ergeben. "Na gut, dann sollten wir uns einen guten Plan überlegen."

______________________________________________________

#9 in Werwolf... *euch ganz fest in die Arme schließ* (so ne richtige Elijah-Umarmung :D )

Um was für ein Ritual es sich wohl handelt? 🤔
 

e/ wichtiger Nachtrag: vielen Dank für den Hinweis auf einen Logikfehler <3 Ich hatte im letzten Kapitel vergessen, dass die Entfernung den Mindlink beeinträchtigt. Tobias kann Elijah zwar noch spüren, ihn aber nicht mehr genau verstehen.

GefangenWhere stories live. Discover now