Ein Handelsangebot

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Im Angesicht der Bücher erfüllte ihn Ehrfurcht. Diese Sammlung stellte sogar die der Urhexen in den Schatten. Geschichten über Geschichten warteten wohlbehütete darauf gelesen zu werden, aber Tobias war sich ziemlich sicher, dass seine Lebenszeit nicht ausreichen würde, um sie alle zu entdecken. Dafür brauchte es die Ewigkeit des Vampirdaseins. Staunend sah er sich und stellte mit Erstaunen fest, dass er noch allein war. Von Sebastian fehlte jede Spur. Daher nahm er sich die Zeit zu einem Bücherregal hinüber zu laufen und einen Blick auf die unterschiedlichen Titel zu werfen. Die Bücher waren themenspezifisch geordnet und es ließ sich allem etwas finden, an die Geschichte der Urhexen reihten sich Bände über die unterschiedlichen Kulturen der Menschen, bishin zu Aufzeichnungen über Werwolfskrankheiten. Der Omega hatte sich nach einem ersten Überblick daran gemacht die Bücher über die Vampire zu suchen, dabei hatte er besonders jene Aufzeichnungen im Sinn, von denen Cara gesprochen hatte.

Er wollte wissen, welches Ritual Benjamin abgelegt hatte und ob sich hinter dem Ritual vielleicht ein Schlüssel zum Frieden verbarg. Die Suche erwies sich als schwerer als gedacht. Einige Buchtitel waren kaum mehr zu lesen, da sie mit der Zeit verblichen waren. Bei anderen fehlten Seiten. Und dennoch erblickte er schließlich einen alten, in dunklem Leder geschmückten Band, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Vampire und ihre Ernährung stand auf dem Buchrücken geschrieben, doch gerade als er seinen Arm ausstreckte um danach zu greifen, hörte er, wie sich die Tür der Bibliothek erneut öffnete und er zog ihn schnell wieder zurück. Als er sich umdrehte, hatte Sebastian ihn bereits erreicht. Der Ausdruck auf dem kindlichen Gesicht war nicht zu deuten. Dafür hatte Tobias das Gefühl, dass Sebastian sehr wohl wusste, was er noch kurz zuvor gesucht und auch gefunden hatte, nur ging er nicht darauf ein, sondern schritt zu der Mitte der Bibliothek, wo zwischen den ganzen Regalen eine Lücke geschaffen worden war, die Platz für drei Sessel und einen kleinen Beistelltisch bot. Auf besagtem Tisch standen ein paar Gläser, sowie eine große, gläserne Karaffe, die eine rötliche Flüssigkeit enthielt. Tobias Nase verriet ihm sofort, dass es sich dabei um Blut handelte und seine Mund kräuselte sich vor Ekel. Seelenruhig griff Sebastian nach einem der Gläser und füllte etwas Blut aus der Karaffe hinein, damit ließ er sich anschließend auf einen der Sessel nieder und winkte den Omega mit einer Handbewegung zu sich. Zögerlich setzte sich dieser in Bewegung und nahm schließlich dem König gegenüber Platz, wobei er angewiedert beobachtete, wie Sebastian das Glas an seine Lippen führte und das Blut trank, als handle es sich dabei um einen edlen Wein.

"Der weiße Wolf also", schmunzelte Sebastian, "Welch Ehre diesem Hoffnungsbringer gegenüber sitzen zu dürfen." Seine Mimik verriet jedoch, dass er Tobias keineswegs respektierte, er sah viel mehr zu ihm herab und strafte seine Worte damit Lügen.

"James hat viel von dir erzählt. Von deinem kleinen Bruder, von deinen Gefühlen für Elijah", der König hielt inne um zu prüfen, welche Reaktion er mit diesen Erwähnungen bei Tobias auslöste und lächelte zufrieden, als der Omega zusammen zuckte, "Natürlich auch von der Folter, die er dich unterzogen hat. Sehr zu meinem Missfallen, musst du wissen. Ich halte nichts von dieser Vorgehensweise, sie ist in meinen Augen veraltet und ich verabscheue grobe Gewalt. Du hast also nichts zu befürchten."

Tobias glaubte ihm nicht. Der König wirkte wie jemand, der ihm alles gesagt hätte, nur um ihn zu manipulieren und ihm Antworten zu entlocken. Er wählte seine Sätze mit Bedacht und war weit weniger von einem Gefühl der unbändigen Wut getrieben, wie James es war. Sebastian war viel kontrollierter und bemühter eine Fassade aufrecht zu erhalten, die er um keinen Preis fallen lassen würde. So machte es zumindestens den Eindruck.

"Und doch trinkt ihr Blut", erhob der Omega seine Stimme, "Ich frage mich, wie ihr es ohne grobe Gewalt gewonnen habt?"

Sebastians Lächeln verrutschte für eine Sekunde, bevor es wieder perfekt saß.

GefangenWhere stories live. Discover now