XII🌸

1.6K 299 34
                                    

Jungkook

Das laute "Jeon!" von Yoongi riss mich aus meinen Gedanken. Fragend sah ich auf und sah gerade noch den Basketball auf mich zuschnellen. Reflexartig fing ich ihn und hielt ihn dann nahe vor meiner Brust, während ich Yoongi überrascht anstarrte.

Mein Hyung und der Team Captain des Basketballteams der Uni sah mich missbilligend an. "Bist du überhaupt anwesend, Jeon?", fragte er mich mit hochgezogener Augenbraue und legte dazu den Kopf schief. Irritiert legte ich die Stirn in Falten. War das eine Fangfrage? "Ich bin doch hier", erwiderte ich.

Ein kühles Lächeln begann seine Lippen zu umspielen und er nickte. "Physisch, das sehe ich - ich habe mich nur gefragt, ob du heute noch den Zustand erreichst, an dem du auch psychisch beim Training bist?"

Mit einem Seufzen nickte ich. "Tut mir leid", murmelte ich und senkte meinen Kopf. Ein Schnauben kam daraufhin. "Mir tut's auch leid, wenn ich dir das nächste Mal den Ball ohne Vorwarnung ins Gesicht werfe."

Vereinzelt erklang leises Lachen, von meinen anderen Teamkollegen und ich zog die Schultern hoch und nickte kaum merklich. Es würde mich nicht wundern, wenn er das tatsächlich täte, denn heute war ich tatsächlich viel zu abgelenkt. Ich konnte mich einfach nicht auf das Training konzentrieren, wo es sonst eigentlich immer das Highlight meiner ganzen Tage oder der gesamten Woche war. Ich liebte Basketball, ich liebte Sport, es gab nichts, was mir mehr half, mich von irgendwelchen Dingen, die mich gerade belasteten, abzulenken. Es war ein Ventil für mich, meinen Frust rauszulassen, half mir, den Kopf freizukriegen. 

Wieso zur Hölle wollte es also heute nicht klappen? 

Der Typ brachte mich mehr aus dem Konzept, als mir lieb war.

"Jeon, verdammt nochmals!"

"Tut mir leid, Yoongi!", erwiderte ich hastig und sah wieder zu ihm auf, um zu erkennen, dass er gerade noch die Augen verdrehte und auffordernd die Hände nach dem Basketball ausstreckte, weshalb ich ihm den Ball zuspielte. "Was ich dir sagen wollte", nahm er den Faden wieder auf und fixierte mich, "Ist, dass du an deinen Freiwürfen arbeiten musst."

Ich nickte das still ab, denn damit hatte er Recht. Ich war gut in Basketball, aber meine Freiwürfe waren meine Schwäche. Und mein missglückter Freiwurf von gerade eben war auch der Grund, wieso wir das Spiel unterbrochen hatten.

Wenn meine ganzen Probleme doch nur meine miserablen Freiwürfe wären - mein Leben wäre eine ganze verdammte Spur einfacher. Aber nein, meine Probleme bestanden daraus, dass ich mich nicht sozialisieren konnte, ausser es ging um meine besten Freunde und dass ich ein Spezialst war, wenn es darum ging, andere Leute zu vergraulen. 

Das nächste, was ich spürte, war ein dumpfer Schmerz, als der harte Basketball gegen meine Schulter prallte. Mit einem halblauten Schmerzenslaut, sah ich wieder vom Boden auf und starrte zu meinen lachenden Teamkollegen und dann zu Yoongi, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. 

"Hat der Basketball weh getan?", fragte er mich betont gelangweilt.  Irritiert starrte ich ihn an. "Ja?!", erwiderte ich hitzig. "Gut, der war nämlich mit Absicht. Und der Nächste wird tatsächlich in deinem hübschen Gesicht landen, Jeon, kapiert?"

***

Erschöpft betrat ich das kleine Café von gestern Abend, diesmal jedoch alleine. das dumpfe Gefühl von heute Morgen war bis jetzt noch nicht verschwunden und mit dem Betreten des Ladens wurde es nur noch eine ganze Runde stärker. 

Ich wusste selbst nicht, wieso ich ausgerechnet hier hergekommen war. Ich hätte auch nach Hause gehen können, mich wie gestern Abend in meine Decke mummen und dazu einen Tee machen, aber nein, stattdessen hatten meine Füsse mich hierher gebracht. Mit einem Seufzen reihte ich mich als letzter in der kleinen Schlange ein und musterte die Auswahl der Getränke. Ich musste dringend meinen Kopf freikriegen, bevor Yoongi Hyung mir beim nächsten Training für meine fehlende Konzentration tatsächlich einen Basketball ins Gesicht warf. 

Wie gesagt, zutrauen würde ich es ihm allemal. Das Training war ihm wichtig - mir selbst war das Training wichtig. Aber heute war wohl einfach nicht mein Tag. 

Ich nahm wieder einen Grüntee, als ich dran war, kramte mein Geld hervor und überreichte es der Frau hinter der Theke. "Der Rest ist für Sie", murmelte ich leise, kaum hatte ich den To-Go-Becher in der Hand und wandte mich im nächsten Atemzug auch schon von ihr ab. 

Es war reiner Zufall, dass ich ihn aus dem Blickwinkel heraus wahrnahm, denn ich war bereits dabei, das Café zu verlassen. Dennoch nahm ich den dunklen Haarschopf war, mit den vertrauten, grünen Strähnen. Ich hielt in meiner Bewegung inne und vergewisserte mich, dass ich dank meinem Kopfzerbrechen nicht bloss Halluzinationen hatte - man wusste ja nie - aber dem war nicht so.

Da sass Taehyung an einem der Zweiertische, für sich allein, Kopfhörer aufgesetzt und vertieft in ein Buch. Vor ihm auf dem Tisch stand ein leeres Glas, dass vermutlich mal mit Latte Macchiato gefüllt gewesen war, daneben ein kleiner Teller mit einem halb gegessen Stück Torte. Er schien seine Umwelt komplett ausgeblendet zu haben und in diesem einen Moment, wo er so vertieft in die Seiten vor seinen Augen war, konnte ich feststellen, wie ähnlich mein Verhalten war. Nur war ich oft so. Sehr oft sogar. Ich hörte Musik und konnte dabei verdammt nochmals vergessen, dass ich aus dem Bus aussteigen musste, um nach Hause zu kommen.

Doch das war nicht der Punkt. Der Punkt war, dass ich wie heute Morgen im Bus nervös wurde, als ich ihn entdeckte, denn nach ihm hatte ich schon die ganze Zeit gesucht. Doch wollte er überhaupt mit mir sprechen, nachdem ich so mit ihm umgesprungen war? Wollte er mich überhaupt sehen? 

Ich konnte es ihm nicht verübeln, falls er das nicht wollte und es würde erklären, wieso er heute nicht im Bus gewesen war. Doch ich konnte das nicht einfach so lassen, wenn er mich nicht mehr sehen wollte, brauchte ich eine Bestätigung von ihm, sonst würde ich mir die nächsten paar Tage ständig Hoffnungen machen, um dann enttäuscht zu werden, darauf wollte ich verzichten.

Also schob ich die Unsicherheit in mir weg, so gut es eben ging, holte tief Luft und begann, auf den Tisch des Älteren zuzulaufen, den Becher in meiner Hand festhaltend und den Sportbeutel locker über meiner Schulter liegend. Ich schob den Stuhl gegenüber von ihm zurück, kaum war ich bei seinem Tisch angekommen und liess mich gleich auch darauf plumpsen, stellte dazu Turnbeutel und Rucksack neben mir auf dem Boden ab. Taehyung schien mich wahrgenommen zu haben, denn sein Blick schnellte hoch, sodass wir uns gegenseitig ansahen.

Cherry Blossoms [Vkook]Where stories live. Discover now