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Jungkook

Seufzend zog ich meine Schultern etwas hoch und nippte an meinem bereits halb ausgetrunkenen Tee, bevor mein Blick wieder zu ihm huschte und ein leises Seufzen über meine Lippen kam. Ich wurde einfach nicht schlau, weder aus ihm, noch mir selbst. Ich hatte mir eine lange Zeit geschworen, nie wieder einen Menschen an mich ran zu lassen, wenn es nicht meine beiden besten Freunde waren. Mein Leben hatte mir gezeigt, wie grauenhaft die Leute sein konnten und wie sehr sie einen verletzen konnten und ich hatte nicht die Lust dazu, das Risiko mich immer und immer wieder auf Menschen einzulassen, damit mir die meisten von ihnen weh taten. Ich war glücklich so, wie es jetzt war. Ich war glücklich, mit wem, was ich hatte, mit den wenigen Leuten, die ich in meinem Leben hatte.

Meine Eltern waren mir genug, gemeinsam mit Jimin und Hoseok Hyung.

Mein Leben war einfach.

Doch ich musste feststellen, dass es auch ziemlich eintönig gewesen war. Vielleicht sogar tatsächlich einsam, wie Taehyung zu Beginn unserer Bekanntschaft gemeint hatte. Selbst wenn ich Leute hatte, die mir wichtig waren, Jimin und Hobi waren in einer Beziehung hatten mehr miteinander zutun, als mit mir, was ich ihnen in diesem Fall auch gar nicht verübeln konnte oder gar wollte.

Wie hatte der braunhaarige, junge Mann an meiner Seite, mit den irritierenden, grün gefärbten Strähnen seines Ponys es geschafft, sich in mein Leben einzumischen, indem er einfach wissen wollte, ob der Platz neben mir frei war oder nicht? Wie hatte er mit einfachen Gesprächen und seiner - Anfangs durchaus nervigen - Anwesenheit, mich in seinen Bann zu ziehen?

Das war mir erst ein einziges Mal mit einem anderen Menschen passiert und es machte mir Angst. Es hatte nicht schön geendet. Es hatte sogar verdammt hässlich geendet. Für mich zumindest.

Ich wusste selbst nicht, wieso ich mich auf diesen Typen genug einliess, damit ich freiwillig meine Zeit mit ihm verbrachte, wo ich doch Abends lieber eine Serie sah und dann vor laufendem Fernseher einschlief.

"Sieh mal, Jungkook!", riss der besagte Idiot mich dann aus meinen Grübeleien. Überrascht sah ich wieder auf und musterte erst Taehyung, der mir ein breites Grinsen schenkte, dann geradeaus, wohin er mit seinem Finger zeigte.

Wir standen vor einem Park. Verwirrt musterte ich wieder Taehyung. "Hast du noch nie eine grosse, grüne Wiese gesehen?", fragte ich trocken, doch erhielt darauf nur ein Augenverdrehen. "Mann, Jungkook!", lachte er belustigt und deute einmal mehr auf den Park, dessen Wegleuchten ebenfalls bereits angesprungen waren, selbst wenn der Himmel erst in einem sanften dunkelblau gefärbt war.

Ein weiteres Mal musterte ich den Parkeingang und den hübsch gestalteten Weg, liess meinen Blick zu den vielen Bäumen wandern und kaum musterte ich diese einige Sekunden lang, fiel bei mir der Groschen. Mit einem genervten Schnauben drehte ich mich um und musterte Taehyung abfällig. "Das ist ja wohl nicht dein Ernst", grummelte ich missmutig.

Taehyung neigte seinen Kopf ein wenig und wandte sich selbst den rosanen Blüten zu, die dort an den Bäumen zu betrachten waren. "Findest du die Kirschblüten tatsächlich so hässlich?", fragte er mich leise.

"Ich sagte nicht, dass ich sie hässlich finde", wandte ich ein und nickte in Richtung Park, "Ich sagte, dass ich nicht verstehe, wieso sie alle so toll und hübsch finden. Im Endeffekt sind es nur Blüten. So wie Rosen welche haben. Was ist an den Kirschblüten schon so besonders?"

Taehyung sah wieder zu mir und zuckte dann mit den Schultern, ehe er seinen Blick bereits wieder auf die Bäume im Park richtete. "Sie... sie sind wunderschön - für mich zumindest. Sie zeigen die Schönheit der Natur, wenn wir sie uns nur einmal ansehen würden, sie zeigen einen neuen Anfang, sie sind einfach..... schön."

"Sie sind kitschig und bescheuert."

Auf meine spitze Antwort hin, biss er sich auf die Lippe und schenkte mir einen prüfenden Blick, den ich mit einer hochgezogenen Augenbraue erwiderte. Sah er es endlich ein oder gab er es einfach auf? Liess er mich endlich mit den hirnlosen Kirschblüten in Ruhe? Einen Moment lang, schien es tatsächlich den Anschein zu machen, denn er seufzte tief und ich merkte bereits, wie sich ein selbstgefälliges Lächeln auf meinen Lippen bilden wollte - bis er wieder zu sprechen begann. "Du solltest das nicht tun...", war alles, was er leise, mit dunkler Stimme von sich gab. Wie bitte?

Verwirrt sah ich ihn an und mein Lächeln fiel, so schnell wie es hatte kommen wollen. Wovon redete er bitte?

"Was?", hakte ich nach und hob die Augenbrauen. Er schenkte mir ein kleines, sanftes Lächeln, es wirkte beinahe verständnisvoll. "Du solltest eine Sache nicht hassen, weil du jemanden hasst, der diese Sache mag."

Was zur Hölle?! Mir wurde heiss und kalt zugleich und ich trat einen kleinen Schritt rückwärts, womit ich endlich etwas Abstand zwischen uns brachte, so, wie ich es eigentlich von mir sonst immer gewohnt war. Ich mochte keine Nähe, wenn es nicht welche zu meinen engsten Freunden oder meiner Familie war. "Wie bitte?", murmelte ich monton und starrte ihn lediglich an.

"Wer auch immer dich dazu gebracht hat, Kirschblüten zu verabscheuen, er muss sie sehr geliebt haben, nicht wahr? Und ich schätze, das hast du auch getan - bis die Person dich verletzt hat", erwiderte er sanft und mir war, als schnürte er mir mit seinen Worten die Kehle zu, bis es mir schwer fiel, genügend Luft zu kriegen. Ich machte einen weiteren Schritt rückwärts, umklammerte mit einer Hand meinen Becher mit dem Tee, während ich die andere zur Faust ballte, so fest, dass ich spürte, wie meine Fingernägel sich in meine Handballen gruben, bis es fast schon schmerzte. Doch ich hörte nicht auf.

Mein Blick lag stur auf Taehyung, als ich leise wisperte: "Hör auf."

Was sollte das? Was sollten diese Worte?! Was sollte er mir sagen?! Was fiel ihm ein?!

Wut stieg in mir hoch. Wer war dieser Mensch vor mir schon? Er war ein verdammter Fremder für mich, er wusste gar nichts und er hatte nicht das Recht, in meinen Gefühlen, meinen Gedanken, in meinem Inneren herumzuwühlen und mir schmerzhafte Dinge unter die Nase reiben, die ich für immer vergessen wollte und bis gerade auch gut geschafft hatte, zu verdrängen.

Mit diesen einfachen Worten hatte er eine Ladung voller grauenvoller Erinnerungen und schmerzenden Gefühlen wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins befördert und meinem Herzen einmal mehr einen fiesen Stich verpasst, wenn nicht sogar mehrere. Und er hatte keinerlei Recht dazu.

"Hör auf sowas zu sagen!", wiederholte ich also, diesmal jedoch lauter und vor allem zorniger, "Was weisst du schon?! Du weisst nichts über mein Leben oder meine Vergangenheit, hör auf dir irgendwas einzubilden, verdammt nochmals! Kümmer dich um deinen eigenen Scheiss!", fauchte ich ihn an. Taehyung sagte nichts, er hörte mir still zu, bis ich ausgesprochen hatte und seine Miene war so emotionslos, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Das sonst immer zu sehende Lächeln war von seinen Lippen verschwunden und ich konnte nicht herauskriegen, was in ihm vorging.

Doch gerade wollte ich es auch nicht. Gerade waren die Tränen, die in meinen Augen brannten wichtiger, den ich wollte auf keinen Fall weinen und es kostete mich mehr Beherrschung als ich hatte, nicht vor dem Braunhaarigen zu weinen. Anstatt noch irgendetwas zu ihm zu sagen oder eine Antwort seinerseits abzuwarten, machte ich auf dem Absatz kehrt und suchte das Weite, egal wohin, Hauptsache weit entfernt von Taehyung.

Cherry Blossoms [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt