Die Vorahnung

3.8K 132 43
                                    

Mit rasendem Herzen erwache ich aus meinen Träumen und richte mich kerzengerade im Bett auf. Schwaches Mondlicht dringt durch die hohen Fenster des Mädchenschlafsaals und taucht den Raum in schummriges Licht, während sanfter Schneeregen gegen die Scheiben prasselt. Ein Geräusch, das ich unter anderen Umständen als beruhigend empfunden hätte. Doch der Albtraum, aus dem ich wenige Sekunden zuvor erwacht bin, hält mich noch immer fest. Ich sitze da wie versteinert, mein Atem geht unregelmäßig, das Nachthemd wurde durch kalten Angstschweiß regelrecht an meinen Rücken geklebt und hin und wieder entfährt mir ein unterdrücktes Schluchzen. Krampfhaft versuche ich, den Traum in meinen Gedanken zu rekonstruieren. Er bestand aus zwei Sequenzen; die letzte war die, an welche ich mich am lebhaftesten erinnern konnte. Deren Erinnerung mich just in diesem Augenblick heimzusuchen schien.

Tatsächlich war diese letzte Traumsequenz nur einige wenige Sekunden lang gewesen, denn durch die jähe Angst wurde ich sofort aus dem Schlaf gerissen. Es war Cedric gewesen, der in meinem Traum vorkam. Cedric, der sich auf einem Friedhof befand. Er hatte ausgesehen, als habe er eine Menge durchgemacht, er war voller Blut und Schmutz gewesen und trug eine sportliche Hogwartsuniforn ohne Umhang, die ich nie zuvor gesehen hatte. Sein Zauberstab war gezückt und er richtete ihn auf einen kleinen und gebückten stehenden Mann mit schütterem Haar, der mir gänzlich unbekannt war. Ich konnte mich nicht entsinnen, was Cedric oder der kleine Mann in meinem Traum gesagt hatten, doch ich erinnerte mich nur zu gut an die kalte, hohe Stimme, die einen Moment später ertönt war. Diese beinah unmenschlich wirkende Stimme war das Schauderlichste, das ich je in meinem Leben vernommen hatte. Die körperlose Stimme sprach einen einzigen Satz, der nicht entsetzlicher hätte sein können. Die Worte „Töte den Überflüssigen" schwebten als ein gleichgültiges Zischen über der Szenerie. Nicht eine Sekunde später wurde der Friedhof von einem grellgrünen Lichtblitz erhellt und Cedric fiel erstarrt und regungslos zu Boden. Ein einziger Blick auf sein schönes, lebloses Gesicht und in die leeren grauen Augen verriet mir, dass er tot war. Im selben Moment erwachte ich.

Der Traum den ich zuvor gehabt hatte, war um einiges schwieriger zu entschlüsseln. Doch ich wusste, dass sie beide zusammenhängen mussten, denn obwohl Cedric in diesem Traum nicht vorgekommen war, erkannte ich den kleinen Mann wieder und erinnerte mich an dieselbe kalte Stimme. Doch auch in diesem Traum hatte ich die Person, zu der die Stimme gehörte, nirgendwo erblicken können. Noch ein weiterer Mann war anwesend. Ein ausgezehrt wirkender, aber dennoch unverkennbar junger Mann mit dunklen Haaren. Die Szene spielte sich in einem alten, verlassen wirkenden, dunklen Haus ab. Der kleine Mann aus dem Traum zuvor und der junge Mann standen vor einen Sessel mit hoher Lehne in einem schwach erhellten Raum und sprachen zu der Person mit der hohen Stimme, die auf dem Sessel zu sitzen schien. Aber ich kann mich nicht an die Worte erinnern, die sie wechselten. Das leise Gefühl, etwas sehr wichtiges vergessen zu haben, beschleicht mich immer mehr. Doch die Erleuchtung bleibt aus.

Ich versuche mich zu konzentrieren, doch mir wird einfach nicht klar, wie die beiden Träume zusammenhängen könnten. Und immer wieder unterbricht der Gedanke an Cedric's bleiches und lebloses Gesicht mit diesen leeren Augen meine angestrengten Überlegungen. Schließlich kann ich an nichts anderes mehr denken. Ich muss nach ihm sehen und sichergehen, dass ihm nicht wirklich etwas zugestoßen ist. Möglichst leise schlage ich die Decke zurück, gleite aus meinem Bett und laufe auf Zehenspitzen zur Tür, um die anderen Mädchen nicht zu wecken. Ich husche die gewundene Holztreppe hinunter in den dunklen Gemeinschaftsraum und stelle erleichtert fest, dass er einsam und verlassen vor mir liegt. Ich durchquere ihn möglichst schnell und lautlos, da der Geist des Fetten Mönches hier gerne seine Nächte verbringt, um nach den Pflanzen und Schülern zu sehen. Natürlich ist es verboten, herumzustreunen und sich in den Schlafsaal eines Jungen zu schleichen. Mein Herz pocht schnell und meine nackten Füße machen leise Geräusche auf dem Boden. Ich erklimme die Treppe zu den Schlafsälen der Vertrauensschüler, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Vorsichtig öffne ich die große Tür zu ihrem Gemeinschaftsraum, schleiche zu der Treppe, die zu Cedric's Zimmer führt und schlüpfe dann lautlos hinein. Cedric liegt ausgestreckt auf seinem breiten Bett und schlummert friedlich und unversehrt. Ich knie mich neben ihn und lege eine Hand auf seine Brust um sicher zu gehen, dass sein Herz noch immer schlägt. Natürlich kann ich nichts besorgniserregendes feststellen. Langsam aber sicher beruhigt mich das Geräusch seines gleichmäßigen, tiefen Atems und das Gefühl seines Herzschlages gegen meine innere Handfläche. Nach einer Weile beschließe ich, wieder in meinen eigenen Schlafsaal zurückzukehren, bevor mich noch jemand entdeckt. Doch sobald ich einige Schritte auf die Tür zugelaufen bin, reißt mich etwas nach vorne und falle mit einem dumpfen Knall zu Boden. Cedric springt augenblicklich aus dem Bett hoch und richtet den grellen Schein seines Zauberstabes auf mein Gesicht.

Twist In Fate || Cedric DiggoryWhere stories live. Discover now