Abschied nehmen

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Cedric scheint meinen Blick gespürt zu haben. Er dreht sich unvermittelt in meine Richtung und seine Augen weiten sich vor Schreck, als er mich erblickt. Wie in Trance nehme ich die Umgebung um mich herum wahr; alles wirkt seltsam unwirklich und wie in Zeitlupe. Cedric eilt auf mich zu, während Cho mir hinter seinem Rücken ein verachtendes Lächeln zuwirft. Ich kann keine Sekunde länger hier bleiben. Ich will keine Entschuldigung hören. Ich will nicht darüber sprechen. Und ich will nicht daran denken. Ich drehe mich auf dem Absatz um und laufe, so schnell ich kann, auf das Schloss zu. Cedric's Rufe ignoriere ich einfach. Ich haste durch die Gänge des Schlosses und achte garnicht erst darauf, ob meine lauten Schritte Mr. Filch oder Mrs. Norris anlocken könnten. Als ich endlich den Schlafsaal erreicht habe, fließen mir bereits stumme Tränen über mein Gesicht. Zum Glück ist das nicht auf der Party passiert, das hätte jeder mitbekommen. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie die Leute darüber reden. Wie Cho sich über ihren Erfolg freut. Ich werfe mich weinend aufs Bett und ziehe mir die Decke bis unter die Nase. 

***

Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Im ersten Moment fühlt es sich an wie ein normaler Tag. Doch eine Sekunde später brechen die gestrigen Geschehnisse wieder über mich herein und ich fühle wie mein Herz schwer wird. Die halbe Nacht lag ich wach. Als ich endlich eingeschlafen bin, habe ich Albträume gehabt. Wieder und wieder erschien der Kuss von Cedric und Cho vor meinem inneren Auge und ich spielte abermals seine Reaktion in meinem Kopf durch. Hatte er versucht, sich dagegen zu wehren? Oder hat er den Kuss gewollt? Obwohl Cho Cedric geküsst hat, bin ich auch wütend auf ihn. Vielleicht ist es ungerecht, aber ich wünschte, er hätte sie sofort von sich gestoßen!! Wieso hatte er es nicht kommen sehen und sie davon abgehalten?! Die Eifersucht versetzt meinem Herz kleine Nadelstiche. Ich fühle mich betrogen. Ich dachte das zwischen uns wäre etwas Besonderes gewesen. Stattdessen hat er so etwas geschehen lassen! Ausgerechnet Cho! Meine größte Angst ist, dass Cedric sie vielleicht mehr mag, als er zugegeben hat. Was ist, wenn ein Gespräch mit ihm bedeutet, dass er mir sagt, dass er sich nicht mehr für mich interessiert? Ich kann ihn nicht anhören, solange ich so schwach bin. 

***

Die nächsten Tage sind die reinste Folter. Ich merke genau, dass meine Mitschüler mir verstohlene Blicke zuwerfen. Einmal bekomme ich sogar mit, wie Parvati Patil und Lavender Brown den Vorfall  bis ins kleinste Detail analysieren. Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben unwohl in Hogwarts und freue mich stattdessen umso mehr auf die Sommerferien und mein Zuhause, weit weg von hier.

Cedric sucht andauernd das Gespräch mit mir; Er versucht mich nach dem Essen oder dem Unterricht abzufangen, treibt sich in meiner Nähe herum und behält mich im Auge. Dabei sieht er so traurig aus, dass er mir jedes mal das Herz bricht. Aber ich brauche einfach mehr Zeit. Ich kann mich damit noch nicht auseinandersetzen. Sobald ich ihn sehe, tauchen vor meinem inneren Auge Cho und der Kuss auf. Das versetzt mir jedes Mal einen Stich. Jedes Mal, wenn ich mir wünsche, dass es wieder wie zuvor ist und eine leise Stimme in mir sagt, ich müsse ihn nur auf mich zukommen lassen, überwältigt mich erneut die Eifersucht. Ich habe das Gefühl, als hätte er mich hintergangen. Deshalb kann es nicht sein wie zuvor. Noch nicht.

***

Es ist der erste Tag der Sommerferien. Heute wird der Hogwarts Express alle Schüler in Hogsmeade abholen und uns nach London bringen. Danach geht es nach Hause. Nach dem Frühstück brechen alle Schüler in Richtung Zug auf. Es schüttet aus Kübeln, kein einziger Schüler wird nicht bis auf die Unterwäsche durchnässt. Sehr passendes Wetter zu meiner gedrückten Stimmung. Jetzt, da der Tag der Abreise gekommen ist, habe ich mehr denn je das Bedürfnis, mit Cedric Frieden zu schließen. Eine Welle der Verzweiflung überkommt mich, als mir klar wird, dass ich ihn die gesamten Sommerferien nicht sehen werde. Ich bitte Hannah und Susan, schonmal ein Abteil zu suchen. Trotz des strömenden Regens schleife ich meinen Koffer so langsam wie möglich hinter mir her, und lasse die Massen von Schülern an mir vorbeieilen. Irgendwo muss er doch sein? Mehrmals suche ich den Bahnsteig mit den Augen nach Cedric ab, aber es scheint sinnlos. Ich seufze und versuche,  meine schwere Tasche in den Zug zu wuchten, ohne auf dem nassen Asphalt auszurutschen. Unerwartet nimmt mir jemand den Koffer ab. Cedric. Mit Leichtigkeit hebt er mein Gepäck die Stufen empor. Dann dreht er sich zu mir um und wirft mir einen hoffnungsvollen Blick zu. Eine Weile stehen wir einander einfach nur gegenüber und sehen uns an.

„Ich..." setze ich an, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken.

Cedric scheint mehr als erleichtert, dass ich ihn nicht ignoriere. Nervös fährt er sich durchs Haar und nimmt meine Hand. „Ich weiß. Du musst jetzt nichts sagen. Wir besprechen das alles später, in Ruhe. Ich werde dir eine Eule schicken."

Er zieht mich unvermittelt an sich und drückt mich fest. Ich weiß weder wie ich mich verhalten, noch was ich sagen soll. Also schweige ich einfach und lasse es zu. Mein Herz fühlt sich noch schwer an, aber trotzdem empfinde ich so etwas wie Erleichterung. Von sich aus scheint Cedric die Umarmung nicht beenden zu wollen, aber ich fühle, dass der Kloß in meinem Hals dicker wird. Ich sollte gehen, bevor ich noch in Tränen ausbreche. Ich drücke ihn sanft von mir und ziehe meinen Koffer zu dem Abteil, in dem Hannah und Susan warten. Ein letztes Mal drehe ich mich zu ihm um und forme zur Entschuldigung für meinen Aufbruch ein „Es tut mir Leid" mit den Lippen. 

Twist In Fate || Cedric DiggoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt