♕ 24 • Einsame Nächte♛

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Jungkook

Ich hebe den Blick als ich seinen viel zu lange für seine Verhältnisse auf mir spüre und muss lächeln als er sich sofort umdreht und so tut, als hätte er mich eben nicht eine gefühlte Ewigkeit angestarrt. In den letzten Monaten habe ich mich Nachts öfter aus meinem Gemach davon gestohlen und bin stets in der Hoffnung hierher gekommen er würde auch hier sein. Tatsächlich ist das meistens der Fall, es scheint als würde Taehyung statt zu schlafen hierher kommen und mit dem Eis, das er selber schafft, spielt. Die Nacht bietet im Schutz vor den Blicken anderer.

Seine anfängliche Abneigung mir gegenüber scheint zumindest zum Teil verblasst zu sein, auch wenn es eine ganze Weile gedauert hat bis wir zu diesem Stand gekommen sind. Es ist nicht meine erste Nacht hier, nicht das erste mal das ich ihm dabei zusehe wie er den Schnee nach seinem Willen tanzen lässt, ich komme bereits seit Wochen jeden Tag hierher und sorge damit auch dafür, dass er sich an meine Anwesenheit gewöhnt. Wie schließt man etwas verhasstes am schnellsten ins Herz? Indem man es jeden Tag erduldet. Zumindest ist das meine Abwandlung von Vaters Idee seine Feinde so nah wie möglich bei sich zu behalten um sie zu beobachten und von ihnen zu lernen, nur ist das hier wesentlich erfreulicher. Taehyung ist nämlich kein Feind, nicht in meinen Augen.

"Du sagtest du hättest keine Kontrolle über deine Kräfte", sage ich während ich fasziniert die Schneeflocken dabei beobachte wie sie sich mit den Bewegungen seiner Hand mit bewegen. "Aber das, was du hier tust, erfordert wahrscheinlich mehr als Kontrolle. War das, was du meinem Vater sagtest, eine Lüge?"

Mein Vater glaubt es wäre eine, er hofft es. In Zeiten wie diesen, wo der Krieg bereits an die Tore klopft, kann er es sich nicht leisten seine Waffe, wie er Taehyung nennt, erst schmieden zu müssen. Er braucht eine fertige, eine die seine Feinde besiegt noch bevor sie sich überhaupt gegen ihn erheben können. Er möchte diesen Krieg mehr als er je etwas anderes wollte und er sieht in Taehyung das passende Instrument um diesen einzuleiten und ihn anschließend zu gewinnen.

Taehyung ist Klug, viel zu Klug um auf die Provokationen und Manipulationsversuche meines Vaters einzugehen, das hat er bereits mehrmals bewiesen, aber ich habe trotzdem Angst. Selbst der klügste und stärkste Mensch gibt irgendwann unter der Last nach. Taehyung ist zwar kein Mensch, aber er fühlt genau wie wir und er kann sterben, genau wie wir. Wir haben alle unsere Schwachstellen und diese bilden den Grundstein. Wenn man eine von ihnen gegen uns verwendet, kann selbst die stärkste Festung, die man aufgebaut hat, zusammen brechen.

Es sind bereits Monate vergangen seit Taehyung zu uns an den Hof kam, aber bisher konnte ich nicht wirklich ergründen welche Rolle er für sich in dem Krieg vorgesehen hat, den mein Vater beabsichtigt. Das die Stimmung zwischen den beiden eher angespannt ist war selbst mit größter Mühe nicht zu übersehen, aber was wird mit ihm passieren, wenn mein Vater erfolg hat? Er wird Joohyun heiraten, das ist wohl unumgänglich und auch wenn der Gedanke etwas in mir auslöst, was sich nicht so recht beschreiben lässt, ist es eine unserer geringsten Sorgen. Wenn es tatsächlich zu einem Krieg kommt, muss Taehyung sich für eine Seite entscheiden und diese Entscheidung sieht gerade vor allem für mein Land nicht gut aus.

Er hat meinem Vater gesagt er hätte keine Kontrolle über seine Kräfte, gerade allerdings sieht das ganze anders aus. Jemand, der sich mit einer solchen Natürlichkeit über das Eis bewegt und mit dem Schnee spielt als wäre es ein Kinderspiel hat nicht nur bloße Kontrolle darüber, er beherrscht es.

Taehyung macht eine Handbewegung nach oben, sodass die wenigen Schneeflocken, die bis eben über seiner Hand schwebten, in den Himmel hoch schießen und sich in tausend weitere Schneeflocken teilen, die auf uns hinunter fallen. Fasziniert starre ich mit offenem Mund nach oben in den Himmel, trete einen Schritt weiter nach vorne und schließe die Augen um das seltene Gefühl des Schnees auf meiner Haut zu genießen.

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