22. Blut und Dreck

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Das dröhnende Heulen von Sirenen war deutlich zu hören, auch wenn wir gerade erst auf die Brücke zufuhren. Wäre ich Aimee, hätte mich dieses Geräusch wahrscheinlich schon dazu gebracht in ein anderes Auto zu krachen. Doch sie versuchte sich völlig auf die befahrene Straße zu konzentrieren, wärend die Jungs und ich keine Zweifel daran hatten, dass  der Rettungswagen wegen Cole solche Laute von sich gab.

Er war gesprungen.
Ich war mir sicher, er würde dieses Mal wirklich gesprungen sein.

Als wir die Brücke entlang fuhren, bremste der Wagen immer weiter ab, bis er abrupt zum stehen kam und sich an einer langen Schlange von Autos anreihte.

Ich konnte nicht warten.
Irgendwas war in mitten der Brücke vorgefallen und ich wusste einfach, dass mein Bruder damit zu tun hatte.

"Ich gehe zu Fuß weiter", erklärte ich und sprang noch aus der Autotür, bevor mich irgendwer aufhalten konnte. Jedoch hinderten mich Fußstapfen, die mir zu folgen schienen, daran weiter zu gehen. Ich sah Gabriel wie er ebenfalls aus dem Wagen stieg, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte.

"Du denkst doch nicht ich lasse dich alleine durch den Verkehr laufen? Ich begleite dich."

Seine Stimme war fest und ich verschwendete keine Zeit damit ihn von seinem Vorhaben abhalten zu wollen. Er würde mir höchstwahrscheinlich so oder so nachlaufen.
Glücklicherweise befand sich direkt seitlich der Straße ein kleiner Weg, für Fußgänger gedacht, die diese Brücke ohne ein Auto passieren wollten.
Ich schlängelte mich durch wartende Fahrzeuge, wodurch ich ab und zu auch ein wütendes Hupen abbekam. Trotz all dem war es inzwischen keine Option mehr für mich einfach stehen zu bleiben und wieder umzukehren. Wir waren den Einsatzkräften bereits so nahe, dass ich die Stimmen der Polizisten schwach wahrnehmen konnte.

Auch als wir an der Absperrung ankamen, verlor ich keine weitere Zeit und schlüpfte unter ihr hindurch. Ich beobachtete einen Polizisten dabei, wie er wütend auf mich zustapfte, als ich auch schon von Gabriel an den Hüften gepackt und zurückgezogen wurde.
"Du kannst dort nicht einfach so hin, Sam", versuchte er mir zu übmitteln, doch ich stieß ihn nur von mir weg und fauchte ihm hektisch zu: "Es geht hier um meinen Bruder. Euch mag er vielleicht egal sein, aber mir nicht."

Die Enttäuschung in seinen Augen war nicht zu übersehen, als er endlich seine Hände von mir ab ließ und ich alleine weiter gehen konnte. Mehrere Polizisten verfolgten meine Handlung, schienen aber eindeutig viel zu überfordert mit der ganzen Situation zu sein, als dass mich einer von ihnen stoppen würde.

Je näher ich dem Krankenwagen kam, desto mehr fing das Blut an aus meinen Händen zu entweichen. Meine Finger wurden eiskalt und fingen an zu zittern als ich die Arme vor dem Bauch verschränkte und meine Taille umklammerte.
Ich erkannte wie eine Person auf einer Trage in das Auto gebracht wurde, wobei unzählige Sanitäter wie ein Schwarm Bienen um ihn herumschwirrten.
Es gab viel Blut, viele Menschen und inmitten von ihnen Cole.

Sein dunkles Haar war getränkt von Schmutz und Blut. Teile seiner Kleidung waren gerissen und von Dreck befleckt. Reglos lag er da auf dieser Liege, wärend mehrere Leute an ihm herumfummelten.
Sofort musste ich den Blick von dem Schauspiel vor mir abwenden, als ich mehrere rote, kleine Pfützen am Boden entdeckte.

Spätestens ab diesem Moment war mir klar, dass Cole garnicht gesprungen sein konnte. Die Einsatzkräfte hätten ihn nicht extra auf die Brücke gebracht.
Sie wären direkt zum Fluss gefahren.
Irgendwas anderes musste geschehen sein.

"Entschuldigen Sie Miss, aber Sie müssen sofort wieder hinter die Absperrung."
Mein Kopf fuhr nach oben und ich bemerkte erst jetzt eine junge Polizistin, welche sich in mein Sichtfeld geschlichen hatte. Sie war eindeutig verwundert darüber, dass ich einfach so in den abgesperrten Bereich gelaufen war.
"Was ist hier passiert? Ist er am Leben?", fragte ich und musste dabei ziemlich aufgebracht klingen, da meine Stimme nicht aufhören wollte zu zittern.

Seufzend nahm die Frau ihre Kappe ab und richtete ihren kurzen Pferdeschwanz.
"Stehen Sie in irgendeinem Kontakt zu dem Verletzten?"

"Er ist mein Bruder. Mein Name ist Samantha Harrington."

Als die Polizistin für ein paar Sekunden einen kleinen Zettel überflog, schüttelte sie verständnislos den Kopf.
"Ist Ihr Bruder verheiratet oder sind Sie nicht Blutsverwandt?"

"Wie kommen Sie darauf?"

"Auf dem Ausweis des Verletzten haben wir einen anderen Nachnamen gefunden."

Und schon schoss mir die Erklärung in den Kopf.
Cole hatte sich neue Papiere besorgen lassen und ich hätte diese gerade fast zur Nichte gemacht.

Spontan erklärte ich der Beamtin, dass wir unterschiedlich Väter hätten und dadurch unsere Namen auch nicht dieselben wären. Sie zweifelte nur kurz an meiner Aussage, bis sie mir erklärte was ungefähr geschehen war: "Ihr Bruder rannte wohl in den Straßenverkehr. Wir wissen weder wieso er hier auf der Brücke war, noch wieso er sich vor ein Auto geworfen hatte. Er ist momentan nicht ansprechbar und muss wohl Notoperiert werden. Wenn Sie wollen, können Sie dem Rettungswagen folgen."

Er war in den Verkehr gelaufen.
Wieso sollte er sowas tun?
Das würde keinen Sinn ergeben, wenn man es mit dem Text in seinem Brief verglich.
Ich nickte abwesend und machte mich bereits wieder auf den Weg zu Gabriel und dem Wagen, wärend sich in dauerschleife nur ein Satz in meinem Kopf abspielte:

Irgendwas stimmte hier mal wieder ganz und garnicht.

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Omg das erste Kapitel nach fast 3 Wochen.
Endlich geht es hier auch noch weiter :)

Manche von euch haben ja bereits bei meinem neuen Buch Royal Liar in der Zwischenzeit was von mir lesen können.
Aber jetzt werde ich hier auch wieder so gut wie es geht regelmässig posten♡

Wie gefällt euch das Kapitel?

Was denkt ihr ist wirklich mit Cole passiert?

LG ines

♡♡♡

Finding Truth Where stories live. Discover now