Kapitel 8: Auf dem Markt

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Kapitel 8: Auf dem Markt


Aila war auf dem Markt gewesen, sie brauchte noch Kräuter und Lebensmittel. Schnell erledigte sie ihre Einkäufe, denn sie wollte sich noch mit Liam treffen. Langsam schlenderte sie zum Rand, als plötzlich zwei muskulöse Arme ihren Oberkörper umschlagen und sie ein Kichern an ihrem Ohr hörte. Sie lächelte, diese Stimme erkannte sie sofort. Sie drehte sich um und legte den Kopf in den Nacken um in Liams Gesicht zu schauen. Seine grünen Augen leuchteten freudig, als er seine Freundin küsste. Er hob sie kurzerhand hoch, denn er war etwa 1,90m groß, während Aila nur 1,75m maß. Erst als Aila protestierte ließ er sie wieder hinunter und schlang seinen Arm um ihre Schulter. Glücklich lehnte sich Aila an Liam. Sie kannten sich schon ewig, sie waren zusammen in Teoras aufgewachsen, doch erst seit drei Jahren machte Liam ihr offiziell den Hof, wie man so schön sagte. Während Liam sich durch harte Arbeit eine gute Position bei einem Stoffhändler erarbeitet hatte, war Aila von ihrer Mutter und Großmutter zur Heilerin ausgebildet worden.

  Sie schlenderten weiter entlang der Stände, als plötzlich am anderen Ende Soldaten auftauchten. Sie schienen jemand bestimmten im Visier zu haben, denn sie ritten zielstrebig zu zwei jungen Frauen, die in der Nähe von Aila und Liam standen. Das eine Mädchen zog noch ihr Schwert, doch dann wurde sie schon von dem Soldaten getroffen. Aila keuchte erschrocken auf, die Soldaten waren dafür bekannt grausam und brutal zu sein, doch dass sie einfach jemanden angriffen und niederstachen, war noch nie vorgekommen. Das rothaarige Mädchen fiel auf den Boden und ihre Freundin versuchte sie zu stützen. Aila löste sich von Liam und rannte zu den Frauen. Sie kniete neben der Verletzten nieder und untersuchte geübt die Wunde. Die Wunde zog sich von der linken Schulter bis hin zum Bauchnabel, die Ränder klafften weit auf und das Blut floss unaufhaltsam.

  Aila zog mehrere Rollen Verbandsmaterial aus ihrem Korb, sie musste erstmal die Blutung stoppen, dann konnten sie die Verletzte transportieren. Sie stutzte als sie die Flügel auf dem Rücken bemerkte, sie wunderte sich was eine Ingelus in Teoras machte, doch sie ließ sich nichts anmerken.

Während sie den Körper verband, wandte sie sich an die Freundin: „Ich bin Aila. Ich bin Heilerin. Wenn ich deine Freundin verbunden habe, muss sie mit mir kommen. Wir bringen sie zu mir nach Hause.“

Das schwarzhaarige Mädchen nickte und in ihren dunkelblauen Augen schwammen die Tränen. Als Aila fertig war, nahm Liam, der mittlerweile seiner Freundin gefolgt war, die Verletzte auf den Arm.

„Wie heißt ihr? Mein Name ist Aila und dass ist Liam.“, fragte Aila.

„Ich bin Erin.“, antwortete das schwarzhaarige Mädchen. „Und sie heißt Tikva.“  

  Schweigend folgte Erin Aila und Liam. Tikva war mittlerweile bewusstlos geworden. Erin war immer noch verwirrt von den Geschehnissen, erst war sie überzeugt gewesen, dass Tikva sterben würde so wie es gesehen hatte, doch dann erschien das Mädchen und half Tikva. Sie hatte eigentlich immer gedacht, dass ihre Visionen eine Zukunft zeigen, die nicht veränderbar war, wie eingemeißelt in Stein, unverrückbar. Doch dass nicht alles festgelegt war, beruhigte sie und gab ihr Hoffnung. Sie waren also nicht hilflos dem Schicksal ausgeliefert.

  Aila führte sie immer tiefer in die Stadt hinein, durch kleine Strassen und schmale Gassen. Die Häuser sahen immer ärmlicher aus und auch die Menschen trugen abgetragene Kleidung und sahen abgearbeitet aus. Nichts hatte mehr mit dem Glanz der Hauptstraße zu tun. Doch was Erin am meisten schockierte war der ständige Ausdruck von Angst auf den Gesichtern der Menschen, schon die kleinsten Kinder schwiegen und in ihren großen Augen erkannte man den Schrecken. Es war beklemmend.

  Nach ein paar Minuten erreichten sie Ailas Haus. Es war noch eins von den besseren in diesem Viertel, denn es war relativ groß und aus stabilen Holzplanken gebaut. Sie gingen hinein in, während Aila schnell die Tür hinter ihnen schloss. Liam legte Tikva, die immer noch nicht aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war, auf eine Pritsche die an einer Wand stand. Erin sah sich unsicher um, der Raum war groß, auf der einen Seite führten zwei Türen zu weiteren Räumen, während rechts neben der Haustür ein Tisch und mehrere Stühle standen. An den Wänden führten lange Regale lang, auf denen unzählige Gläser und Schalen voller Kräuter und medizinischen Sachen lagen. Schnell griff Aila nach den benötigten Kräutern und eilte an Tikvas Seite.

„Komm her Erin, du kannst mir helfen. Liam, könntest du bitte Wasser aus der Küche holen?“, befahl sie, bevor sie vorsichtig den provisorischen Verband durchschnitt und die Wunde freilegte. Dann wusch sie sie aus und nahm eine Nadel und Faden und reinigte sie im heißen Wasser, dass Liam hereingebracht hatte. Mit kleinen Stichen vernähte die lange Wunde. Wenigstens war Tikva noch immer nicht wach, so dass sie nichts mitbekam. Als Aila endlich alles genäht hatte, verteilte sie eine grünliche Salbe auf der Wunde und schlang einen dicken Verband um Tikvas Oberkörper, soweit es mit den Flügeln ging.

  Als sie fertig war, seufzte sie und blickte Erin an, die die ganze Zeit neben ihr gesessen hatte und ihr geholfen hatte. „Die Wunde ist nicht so schwer wie sie aussieht. In ein paar Tagen wird es schon deutlich besser gehen.“

Erin nickte und dankte ihr, doch Aila winkte ab. „Nicht der Rede wert.“

Aila begann die Ärmel ihrer Tunika wieder runter zu rollen, als Erin plötzlich aufsprang. Sie griff nach Ailas Handgelenk und schob den rechten Ärmel wieder hoch. Sie hatte vorher nicht darauf geachtet, weil sie sich auf Tikva konzentriert hatte, doch jetzt stach es ihr geradezu ins Auge. Auf der sonnengebräunten Haut prangte ein dunkles Muttermal in Form eines Blattes. Und ähnlich wie bei Tikva, spürte Erin Wärme durch ihren Arm steigen. Sie war die dritte, keinen Zweifel. Aila starrte Erin erschrocken an, irritiert durch Erins plötzliche Reaktion.

„Was soll das? Lass meine Hand los!“, rief Aila, während Liam an ihre Seite eilte und Erins Griff löste.

  „Trägt sie auch ein Mal?“, meldete sich eine leise Stimme.

Alle drei fuhren herum und starrten entgeistert Tikva an, die endlich aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war.

Erin lief zu der Pritsche und fragte: „Wie geht es dir? Ich dachte du stirbst.“

Tikva grinste. „So leicht bringt man mich nicht um. Außerdem sterbe ich doch erst später, das hast du ja schließlich gesehen.“

Erin lächelte, Tikvas Optimismus  war unerschütterlich, doch sie wurde bald wieder ernst. „Das war eigentlich die Szene aus meiner Vision, aber weil du von Aila gerettet worden bist, bist du nicht gestorben.“, erklärte sie und deutete auf Aila, die inzwischen hinter Erin getreten war.

„Danke.“, sagte Tikva schlicht und Aila nickte.

  „Was hat es mit dem Mal auf sich?“, fragte Aila neugierig.

„Das ist eine lange Geschichte. Erin, erzählst du es dir?“ antwortete Tikva und ließ sich wieder auf die Pritsche fallen, während die anderen drei sich Stühle heranzogen. Sie klang erschöpft, also begann Erin zu erzählen. Sie erzählte von der Prophezeiung, wie Tikva und sie herausfanden, dass sie ein Teil der Prophezeiung waren und dass sie nach Teoras geritten waren um die anderen aus der Prophezeiung zu finden.

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Ich hoffe, es hat euch gefallen :)

Die nächsten Kapitel wird es erst später geben, weil ich im Urlaub bin. Aber dann gibt es auf jeden Fall eins :) Versprochen!

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