Kapitel 38: Warten

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Kapitel 38: Warten

Die drei Mädchen hasteten durch die Straßen und Treppen hinunter zu Madam Rosa. Zurück in dem kleinen Zimmer, entledigte Saya sich dem Kostüm und der dicken Schminke. Dann suchte sie ihre Waffen zusammen. „Ich versuche so schnell wie möglich zurück zu kommen. Falls Tikva noch nicht da ist, werde ich auf sie warten. Im Notfall schicke ich euch eine Nachricht.“

„Haltet eine Schüssel Wasser bereit“, sagte Erin noch. „Ich kann euch dann auch erreichen über den Spiegel.“

„In Ordnung.“ Saya verwandelte sich in einen Adler und griff mit ihren Krallen ihr Schwert. Erin öffnete das Fenster und Saya stieß ein dankbares Krächzen hervor, dann flog sie davon. Erst als nichts mehr von ihr zu sehen war, ließ Erin sich neben Aila aufs Bett fallen.

„Jetzt können wir nur noch warten“, seufzte Erin. „Ich will nicht mehr warten.“

Aila kreuzte die Beine zum Schneidersitz. Sie war Warten gewöhnt, denn als Heilerin musste man geduldig sein. „Habe nur Geduld. Die Nacht wird schneller vorbei sein als du glauben magst. Wir werden noch früh genug in den Palast zurückkehren.“

Erin lächelte schief. „Ich fühle mich so nutzlos.“ Und so schuldig. „Das Warten ist schlimmer als wenn wir auftreten müssten. Da hätten wir wenigstens etwas zu tun.“ Und es würde bedeuten, dass ihr Plan nicht in Gefahr war. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Langsam ließ die Anspannung, das Adrenalin der Flucht nach und hinterließ nur Leere in ihrem Körper. Sie wusste nicht was sie fühlen sollte. Sie war verwirrt, irritiert und wütend. Und über allem stand die Frage nach dem Warum.

Warum hatte sie sich in ihn verliebt?

Warum hatte sie ihm vertraut?

Warum ausgerechnet sie?

Warum musste er der schwarze Prinz sein?

Abrupt setzte Erin sich wieder auf. Der schwarze Prinz. Die Prophezeiung. Konnte es stimmen? Hatte sie sich nicht geirrt? War doch nicht alles verloren? Sie wagte es kaum zu hoffen. Es war so unwahrscheinlich. „Aila, erinnerst du dich an die Prophezeiung, die ich bei Fira gemacht habe?“

Aila, die während Erins innerem Kampf geschwiegen hatte, sah sie verwundert an. „Ja, so ungefähr. Flammen werden sich erheben-"

„Nicht der Teil“, unterbrach Erin sie ungeduldig. „Über den schwarzen Prinzen. Der schwarze Prinz ist nicht schwarz, sondern weiß.“

„Manches ist mehr Schein als Sein“, fügte Aila langsam hinzu. „Du glaubst, dass Ruben doch auf unserer Seite steht.“ Sie runzelte die Stirn. „Aber wenn er gegen Veara ist, warum ist er dann in Andion gewesen? Sollte er nicht gerade dann sich so weit wie möglich von ihr fern halten? Veara hat immerhin schon Piya umgebracht.“

Ich hasse dich. Niemals. Das waren die Worte die der Mann aus den Schatten zu Veara gesagt hatte. Es war Ruben gewesen. Das erklärte auch warum sie aus der Vision mit einer Wunde aufgewacht war. Es musste irgendeine Verbindung zwischen ihnen geben. Aber was für eine?

In Sylon hatte Ruben auf ihrer Seite gekämpft. Sie erinnerte sich noch gut daran wie sie sich beinahe mitten in der Schlacht gestritten hatten, weil er sie unbedingt beschützen wollte. Danach hatte sie ihn immer nur kurz gesehen, bis er irgendwann ganz verschwunden war. Sie hatte sich zu dem Zeitpunkt nicht darum gekümmert, sie hatte andere Sorgen.

Und jetzt traf sie ihn in den Gängen von Andion wieder, wo er ihr half den Gang zu finden. Er hatte ihnen damit ermöglicht seine eigene Mutter zu besiegen. Oder ihnen eine Falle gestellt.

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