Verrat

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Ich fasste es nicht!

Wo war meine Kette?

Ich hatte sie nie abgelegt!

Sie ist wahrscheinlich mit den Jungs verschwunden. Eine dunkelviolette Träne rollte aus meinem Augenwinkel.

Wie konnte das passieren?

Ich hatte doch keine falschen Tritte gesetzt.

Ich stützte mich an der Stuhllehne ab und hielt mir die Stirn. Schmerz bohrte sich in meinen Kopf. Mir wurde kalt, heiß, übel. Ich schloss die Augen.

Wie konnte ich nur wieder so schlimm abstürzen?

Schwankend setzte ich unsichere Schritte durch das Zimmer und knickte ein. Atemlos saß ich auf dem kalten Boden und hielt mir den Kopf. Meine Lippen waren ausgetrocknet und brannten.

"Wasser... Wasser...", hauchte ich verzweifelt.

Ich stand erschöpft auf und taumelte schwerfällig bis zu dem Bad. Dort fiel ich hin und krabbelte schwach zu der Badewanne.

Ich brauchte ewig und meine ganze restliche Kraft, um den Hahn aufzudrehen. Als das kühle Wasser endlich in einem dünnen Strahl in die weiße Wanne floss, hielt ich meine Hand unter den Strahl.

Das Wasser stillte meinen Durst nur ein kleines Bisschen. Ich schloss den Wasserhahn zur hälfte und blieb atemlos und halb ohnmächtig auf dem Boden liegen.

Nie wieder.

Mike, Chester, Joe, Brad, Rob, Phoenix.

Wir sie sich gefreut hatten.

Wie sie gelacht hatten.

Wie sie Musik gemacht haben.

Ein Schmerz durchzuckte mich. Gequält schrie ich auf. Mein Herz zog sich zusammen und mein Kopf wurde von niederschmetternden Gedanken durchbohrt.

Es fühlte sich an wie von innen zerrissen zu werden. Ich schrie. Aber mich hörte keiner. Mom war nicht da, Sophie auch nicht. Ich riss an meinen Haaren, wollte, dass der Schmerz verfliegt. Aber ich fühlte nur diese Trauer, diesen Schmerz, diesen Verlust.

"WARUM?", brüllte ich in die Stille, die nur von dem leisen Plätschern des Wasserhahns unterbrochen wurde. Meine Arme und Beine waren taub und ich sah verschwommene Umrisse.

All die niederschmetternden Gedanken und Gefühle durchströmten mich und zerrissen mich.

Meine Sicht verschwamm schließlich komplett und ich wurde ohnmächtig.

Leise drangen Wörter an mich heran, die ich nicht verstand. Sie kamen von Weit her. Sie waren gebrüllt, aber ich hörte kaum etwas.

Ich richtete mich schwerfällig auf. Ein Schwindel überkam mich und brachte mich zum Würgen.

Als der Übelkeitsanfall vorbei war, stand ich auf und taumelte durch die Tür. Die Stimmen wurde lauter.

Es waren zwei Frauen.

Eine ältere und eine jüngere.

Ich hielt am Geländer zu den Treppen fest, um nicht zu fallen. Meine Sicht verschwamm komplett und ich sah nichts. Ich krallte meine Nägel in den Kunststoff des Geländers.

Nie wieder.

Als mein Blickfeld endlich wieder in mein Kopf kam, setzte ich einen Schritt auf die Treppen. Ich wäre fast gefallen, hätte ich mich nicht festgehalten. Ich musste oft anhalten, um zu atmen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ ich mich kraftlos auf die letzte Stufe sinken. Ich vergrub meinen tauben Kopf in meinen Armen.

Nie wieder.

Die Frauen schreien lauter. Ich sah auf. Die Geräusche kamen aus dem Wohnzimmer.

Ich stand erschöpft auf und schwankte zu der Tür. Ich griff zweimal daneben, weil meine Sicht verschwommen war.

Schließlich fand ich doch den Griff und schob halb tot die Tür auf. Ich sah erst nichts. Doch dann konnte ich Mom ausmachen. Sie stand einer anderen Frau gegenüber.

Es war Sophie.

Beide hatten Wut rote Köpfe. Mom hielt die Hand ausgestreckt, wollte etwas von Sophie. Sie sah wütend zu Sophie, dann zu mir.

"Sie will sie mir nicht geben!", meinte sie laut.

Ich war verwirrt.

Sophie schrie etwas, dann hob sie die Hand. Ein violetter Glanz schimmerte aus ihrer Faust. Dann schleuderte sie das Etwas auf den Boden.

Es zerbarst in tausende Splitter.

Ich fühlte, es war meine Kette.

Wie konnte Sophie mir das nur antun?

 "Abnormales Monster!", brüllte Sophie und stürmte an mir vorbei.

Mit diesen Worten zerbrach meine Seele. Das letzte, was ich mitbekam, war, dass meine Mom auf mich zustürmte und mich in den Arm nahm.

"NEIN!"

Dann wurde ich innerlich zerrissen.

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