Einsam und verlassen

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Carl's Perspektive

„Es war mir wie immer ein Vergnügen, mein hübscher" lachte Gaston dreckig, als er mit mir fertig war. Mir tat alles weh. So entsetzlich weh. War nicht mehr in der Lage mich zu bewegen. Mir fehlte die Kraft. Die Kraft zum weitermachen. Die Kraft zum durchhalten. Die Kraft um zu kämpfen. Die Kraft um mich zu wehren. Ich wollte einfach nur noch aufwachen. Aufwachen aus diesem schrecklichen, nicht enden wollenden Alptraum. 

Er hatte Recht. Er hatte mit allem Recht. Josie würde mir diesmal nicht helfen können. Sie würde mich niemals hier finden. Sie würde nicht kommen. Sie würde mich hier nicht rausholen können. Ich würde sie nie wiedersehen. Ich war alleine. Für immer alleine. Brutal wurde ich vom Bett auf den Boden geschubst, was mich vor Schmerzen aufstöhnen ließ.

„Bring ihn weg" hörte ich Gaston rufen. Schnell versuchte ich mir meine Boxershort anzuziehen, doch Brandon nahm darauf keine Rücksicht. Noch immer vollkommen entkleidet, zog er mich an den Haaren hoch auf meine Beine. Ließ mich aufschreien. Er trat meine Klamotten mit dem Fuß vor sich her, während er mich rüber in das gegenüberliegende Zimmer schliff. Er schubste mich hinein und schoss meine Klamotten hinterher. Dann schloss er die Tür ab und ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss herumdrehte. Eingesperrt. Ich war eingesperrt in der schlimmsten Hölle, die es gab.

Kriechend sammelte ich meine Sachen ein und zog sie mir über. Sie waren eingerissen und dreckig. Voller getrocknetem Blut. Sie waren aber immer noch sauberer, als ich mich fühlte. Ich fühlte mich so dreckig. Dreckig und benutzt, beschmutzt und weggeworfen. Wie einen Gegenstand, den man nicht mehr brauchte. Schmerzverzerrt ließ ich mich auf die kaputte Matratze auf dem Boden nieder. Sitzen konnte ich schon seit langer Zeit nicht mehr. Legte mich hin und rollte mich wie ein Fötus zusammen. Legte die Arme um meinen Körper. Als könnte ich ihn so beschützen. Als könnte ich mich so beschützen. Doch es war ein Trugschluss. Ich konnte mich nicht beschützen. Niemand konnte das. Niemand würde mich hier finden.

Ich vergrub mein Gesicht in die miefende Matratze und spürte, wie sie langsam feucht wurde. Feucht von meinen Tränen. Unaufhörlich liefen sie. Josie. Josie, wo bist du nur? Ich brauche dich... Hole mich hier raus...Bitte...

Schweißgebadet wachte ich auf. Saß schweratmend aufrecht im Bett und sah mich panisch um. Zuhause. Ich war Zuhause. In Alexandria. In Josies und meinem Bett. In Sicherheit. Ich war in Sicherheit. Immer und immer wieder sagte ich mir das, bis ich mich etwas beruhigt hatte. Mein Blick fiel zurück ins Bett, doch Josie lag nicht mehr neben mir. Wo war sie? Sie hatte mir doch versprochen, dass sie bei mir bleibt, während ich schlafe. Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Flink stand ich auf und zog mir etwas über. Dann verließ ich das Zimmer und lauschte. Es war alles ruhig. Viel zu ruhig.

„Josie?" rief ich und ging eine Treppe runter, doch sie antwortete nicht. Auch von den anderen war nichts zu hören oder zu sehen. Ich ging runter ins Erdgeschoss und sah in jedem Raum. Doch auch hier war niemand zu sehen. Es war alles aufgeräumt. Es lag nirgendwo etwas rum, dass da eigentlich nicht hingehört. Seltsam. Sonst lagen immer irgendwo Klamotten, Bücher oder ähnliches herum.

„Josie?" rief ich noch einmal und lauschte. Doch es kam keine Antwort.

„Josie?" rief ich noch lauter und verließ das Haus. Schaute mich suchend um und spitzte die Ohren. Ruhe. Es war so unglaublich ruhig hier. Keine Antwort. Keine Stimmen, die sich miteinander unterhielten. Keine Kinder, die man spielen hörte. Keine Menschen, die man arbeiten hörte.

Ich rannte rüber in die Krankenstation und riss die Tür auf. Rief nach Denise und Josie, doch es kam immer noch keine Antwort. Angestrengt überlegte ich. Stand heute eine Tour auf den Plan, wo sie vielleicht kurzfristig eingesprungen ist? Aber dann hätte sie mich ganz sicher geweckt oder einen Zettel hinterlassen. Und Samu und die anderen hätten mir dann auch Bescheid gesagt. Das weiß ich. So war es immer.

Ich rannte wieder raus auf die Straße. Lief nun Richtung Dad seinem Haus. Hielt unterwegs Ausschau, doch es war niemand zu sehen oder zu hören. Immer wieder rief ich Josie, doch es kam keine Reaktion.

„Dad? Michonne?" rief ich laut, als ich das Haus betrat. Stille. Unheimliche Stille. Ich suchte jedes Zimmer ab, doch das Haus war leer. Auch von Judith fehlte jede Spur. Ich rannte wieder heraus und eilte nun zum Tor. Dieses war rund um die Uhr bewacht, genau wie die Plattform. Dort wusste sicher jemand Bescheid. Ich legte an Tempo zu, doch schon von weitem sah ich, dass auch dort niemand war. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.

Ich kletterte die Plattform hoch und sah mich hektisch um. Niemand war zu sehen. Niemand war zu hören. Nun fiel mir auch auf, dass die Autos weg waren. Nein. Das würden sie nicht machen. Sie würden nicht einfach alle verschwinden. Das war unmöglich. Das hätte ich mitbekommen. Wir hatten gar nicht genügend Autos für alle Bewohner. Sie hätten mich hier niemals zurückgelassen. Allein und verlassen. Einsam und verlassen. Niemals. Das würde Josie nicht tun. Das würde Dad nicht tun. Dessen war ich mir verdammt sicher. Doch wo waren alle?

Ich suchte jedes einzelne Haus und die Kapelle ab. Rief alle abwechselnd. Doch ich fand niemanden. Keiner, der mir antwortete. Alexandria war ausgestorben. Ausgestorben bis auf mich. Es war nur noch eine Geisterstadt. Ziellos lief ich durch die Straßen. Ich fühlte mich so allein. Allein und verzweifelt. Wo waren nur alle? War etwas passiert? Wurden sie entführt? Aber das hätte ich doch mitbekommen müssen. Es waren auch keine Kampfspuren zu erkennen. Es sind keine Schüsse gefallen. Niemand hat geschrien.

Sind sie einfach nur abgehauen? Weitergezogen zu einem neuen Ort? Zu einem neuen Zuhause? Ohne mich? Dad und Josie wären niemals ohne mich gegangen. Das glaubte ich nicht. Das hätten sie nicht getan. Das würden sie nicht bringen. Nein. Dessen war ich mir sicher.

Verzweifelt ließ ich mich auf meine Knie sinken. Verbarg mein Gesicht in meine Handflächen. Ließ meinen Tränen freien Lauf. Holte tief Luft und schrie so laut ich konnte,

„Jooooosiiiiie!!!!".

Joseline - Mein Weg 2 (Daryl Dixon, Sunrise Avenue, TWD FF)Where stories live. Discover now