Ich mag keine Gewitter

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Angespannt drehte ich mich um, als es hinter mir leise knackte. Doch es war kein Beißer, sondern Aaron, der mit einem vollen Rucksack aus einem der anderen Häuser kam.

„War ein bisschen schneller als du" erklärte er achselzuckend, als ich ihn etwas vorwurfsvoll anschaute.

„Aaron. Lass uns lieber zusammen in der Gruppe bleiben. Das ist sicherer" erklärte ich ihm, doch er zuckte nur mit den Achseln. Ich wusste, dass es ihm im Augenblick egal war, wenn ihm etwas passierte, doch mir war es nicht egal. Ich wollte nicht, dass ihm etwas passiert. Ihm nicht und auch den anderen nicht. Ich wollte niemanden mehr verlieren.

Als Daryl aus dem Haus kam, zogen wir weiter. Auf der Suche nach einem Auto und Benzin. Ewig zogen wir von Straße zu Straße. Die Sonne schien hoch am Himmel, es musste jetzt früher Nachmittag sein. Zum Glück hatten wir noch kein Hochsommer, so war die Sonne erträglich.

„Das gibt es doch nicht. Hier muss es doch irgendwo ein beschissenes Auto geben" fluchte Aaron. Er hatte recht. Wir haben kein einziges Auto gesehen. Das sollte selbst in einer Apokalypse unmöglich sein. Sollte man zumindest annehmen.

„Dann laufen wir halt zur nächsten Stadt. Wir werden schon ein Auto finden" erwiderte ich.

„Das sind ungefähr 8 Meilen. Wir sollten einen Zahn zulegen, wenn wir diese noch im hellen erreichen wollen" erklärte er. Und das taten wir auch. Zügig liefen wir die Langstraße entlang. Nach einer Weile hatten sich eine Handvoll Beißer hinter uns versammelt, die uns folgten, doch wir waren schneller. So ignorierten wir diese und setzten unbeirrt unseren Weg fort.

Seit Stunden waren wir nun schon unterwegs. Meine Füße schmerzten und brannten. Jeder Schritt tat weh. Jeder Schritt war eine Qual. Doch eine Pause gönnten wir uns nicht. Denn jeder Schritt brachte uns näher an unser Ziel. Und wir wollten die nächste Stadt unbedingt im hellen erreichen. Im Dunkeln war es noch gefährlicher draußen. Die Beißer waren schlechter zu sehen und zu erkennen. Gefahren wurden schnell übersehen. Wir wollten nichts riskieren.

Als es zu grummeln anfing, schaute ich besorgt zum Himmel. Die Sonne verschwand gerade hinter dicken, dunkeln Wolken. Bitte jetzt kein Gewitter... Ich mag kein Gewitter... Noch ehe ich die Gedanken zu Ende gedacht hatte, fielen die ersten Tropfen vom Himmel. Es nieselte erst nur. Wir beschleunigten noch einmal das Tempo und hofften, wir würden die Stadt bald erreichen. Weit dürfte es nicht mehr sein. In den nächsten Minuten nahm der Regen immer mehr zu und der Himmel sah nach Weltuntergang aus. Der Himmel sah danach aus und auf der Erde fand er seit Jahren statt. Welch Ironie.

„Ich kann die ersten Häuser erkennen" rief da Aaron, der fast vom Donner übertönt wurde, was mich leise auf quietschen ließ. „Hat da jemand Angst vor Gewitter?".

„Vielleicht..." erwiderte ich leise und grinste verlegen. Ich weiß, dass man keine Angst haben muss, aber das hindert meine Angst nicht daran, mich diese spüren zu lassen. Plötzlich war Daryl, der die ganze Zeit hinter mir lief, direkt neben mir. So, als ob er mir in meiner Angst beistehen wollte, doch er sagte kein Ton. Sah stur gerade aus und hielt problemlos mit mir Schritt. Meine Finger suchten seine und umfasste seine Hand. Hielt sie fest und bei jedem Donner drückte ich sie. Ich konnte seine Anspannung erkennen, doch er ließ meine Hand in seiner ruhen.

In der Stadt angekommen, suchten wir uns gleich eines der ersten Häuser aus und räumten dieses. Vier Beißer befanden sich in dem Haus, schnell und leise erledigten wir diese und kontrollierten das Haus noch einmal. Anschließend verriegelten wir die Tür und hangen Decken vor die Fenster. Wir zündeten die Teelichter an, die ich bei dem älteren Ehepaar gefunden hatten.

„Hier. Ein paar trockene Sachen. Was anderes habe ich nicht gefunden" meinte Aaron und hielt mir einen Stapel mit Klamotten hin. Dankend nahm ich diese und verschwand ins Bad. Dort zog ich mir meine durchnässten Sachen aus und zog die trockenen an. Es waren Männersachen und mir viel zu groß. Doch so waren sie auch viel gemütlicher. Ich setzte mich zu den beiden ins Wohnzimmer und aß ein paar von den eingelegten Gurken. Auch sie hatten sich umgezogen und trugen nun trockene Sachen. Wobei sie ihnen besser passten, als mir.

„Ich halte die erste Wache. Dann könnt ihr euch ein wenig ausruhen" erklärte Aaron und stellte sich, nachdem er aufgegessen hatte, ans Fenster. Ich suchte ein paar Decken und Kissen zusammen und klappte die Couch aus. Anschließend verteilte ich die Decken und Kissen darauf und kuschelte mich darin ein.

„Kommst du?" fragte ich Daryl und deutete auf die freie Fläche auf der Couch, doch er schüttelte den Kopf und setzte sich auf den Sessel. War das jetzt sein verdammter Ernst? Seufzend legte ich mich hin und zog die Decke bis an mein Kinn. Schloss die Augen und lauschte dem Regen, der an die Fensterscheibe prasselte. Bei jedem Donner zuckte ich zusammen. Hielt mich vom Schlafen ab. Unauffällig versuchte ich zu Daryl zu schielen. Er hing mehr im Sessel, als das er saß. Die Arme hatte er vor seiner Brust verschränkt und seine Augen waren geschlossen. Gleichmäßig hob und senkte sich seine Brust. Er schien zu schlafen. Fiel es ihm so leicht, mich zu ignorieren? So zu tun, als wäre ich gar nicht da? Als wäre ich Luft? Oder hatte ich ihn vollkommen falsch eingeschätzt und er empfand doch nichts für mich? Wieder zuckte ich heftig zusammen, als es laut donnerte und ich hoffte sehr, dass das Gewitter bald vorbeigezogen ist.

„Das kann sich ja keiner mit angucken" knurrte er da plötzlich und ehe ich reagieren konnte, senkte sich die Couch hinter mir. Er legte sich hinter mich und langsam drehte ich mich zu ihm um. Lächelte ihn dankbar an. Er lag auf der Seite. Sein Blick ruhte unergründlich auf mir. Ich rutschte an ihn heran und kuschelte mich an ihn. Legte meinen Arm um ihn. Minutenlang lag er angespannt da, regte sich nicht. Dann, endlich, legte er seinen Arm um mich. Tief inhalierte ich seinen männlich, herben Duft und schloss meine Augen. Ließ mir davon die Sinne vernebeln und nur wenige Augenblicke später war ich, mit einem geborgenen und sicheren Gefühl, eingeschlafen. 

Joseline - Mein Weg 2 (Daryl Dixon, Sunrise Avenue, TWD FF)Where stories live. Discover now