Kapitel 7

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"Jessy! Ich bin zu Hause!"

"Bin in der Küche!"

Ich schmiss meine Schultasche in eine Ecke und ging dem verführerischen Duft zugrunde, der mich schnurstracks in die Küche führte.

"Was kochst du da?", ein verstohlener Blick von mir landete in einen der Kochtöpfe. Nudeln waren darin zu sehen. Schon bei dem Gedanken an Essen spürte ich, wie das Wasser in meinem Mund zusammenlief.

"Spaghetti. Wie wär's, wenn wir heute einen Mädchenabend durchführen? Nur wir zwei. Ich weiss, wir können uns manchmal nicht leiden, aber das könnte ein Neuanfang sein.", aufgeregt hüpfte sie in der Küche herum. Fast wäre der Kochtopf auf den Boden gefallen, wenn ich ihn nicht in letzter Sekunde gerettet hätte.

"Das klingt verlockend.", mit einem gezwungenen Lächeln schaute ich sie an. Ich konnte nur hoffen, dass der Abend gut verlief.

"Oh, mein Handy. Kannst schnell auf das Essen schauen, bin gleich zurück." Schon stöckelte sie aus der Küche, um ihr klingelndes Telefon aufzuheben. Ich stöhnte und nahm einen Löffel in die Hand und rührte in dem Kessel herum.

Angestrengt lauschte ich das Gespräch von der Küche aus zu. Leider konnte ich nur Wordfetzten auffangen, die mir rein gar nichts nützten. Dann hörte ich das Wort "Mode" und schaltete direkt mein Gehirn aus. Sie redete sicher nur mit einer ihrer Freundinnen und tauschte Klatsch und Tratsch aus. Und ging es mich auch nicht an, mit wem sie redete. Ich war ja nicht ihre Mutter. Aber wenn schon, dann ihr schlechtes Gewissen.

"Saphira Liebes, ich kann heute nicht mit dir einen Mädchenabend machen. Casper hat einen Platz in einem schicken Restaurant reserviert und kann es nicht verschieben. Ich hatte es völlig vergessen, sorry.", traurig strich sie mir mit der Hand über meine Oberarme. "Wir könnten es ein anderes Mal versuchen, okay? Und wenn etwas übrig bleibt, dann stell es in den Kühlschrank. Das könnten wir dann morgen essen. Bye, hab' dich lieb." Die Tür wurde zugeschletzt und ihre Worte hallten noch leise in dem Raum. Geschockt blieb ich mitten im Raum versteinert stehen. Hatte sie mich wirklich einfach so sitzen gelassen? Schock verwandelte sich in Wut. Warum musste Casper immer alles verderben? Konnte ich nicht einmal etwas bekommen, dass ich wollte? Ich wusste, das Verhältnis zwischen Jessy und mir war kritisch, aber mit dem Abend wäre unsere Freundschaft vielleicht gerettet, aber Casper musste sich einmischen. Wer war der Teufel jetzt? Ich wollte nur mal etwas gutes im Leben haben, aber der Engel zerstörte es.

Ich traf eine schnelle Entscheidung und ich packte schon die Schlüssel und stürmte nach draussen. Mit Höchstgeschwindigkeit fuhr ich durch die Stadt in der Suche, einen roten Mini zu finden. Ich hatte Glück, dass diese Stadt klein war. Man fand alles innert Minuten, wenn man nur gut hinschaute. Ich fand den Mini vor dem teuersten Restaurant in dieser Gegend. Hastig stieg ich aus dem Wagen und haschte einen Blick durch die Glasscheibe. Dort waren sie. Im Kerzenschein umhüllt. Ein Festmahl vor ihnen. Das alles sah sehr romantisch aus. In dem Moment fühlte ich mich wie eine verrückte Ex, doch das war mir egal. Ich betrat das Gebäude und nahm in einer sicheren Entfernung zu den beiden Platz. Die Speisekarte wurde vor meine Nase gehalten, in dem Moment, als ich mich hinsetzte. Mit einem Lächeln nahm ich sie mir entgegen und schaute die Preise an. Die gingen bis an die Decke und höher. Casper hatte ja wirklich für alles gesorgt. Ich bestellte dann nur Salat und eine Cola. Nur das kostete schon ein ganzes McDonald's Menü! Mit Eiscreme inklusive. Solche Abzocker!

Den Rest des Abends beobachtete ich die beiden Turteltauben und betete, dass sie endlich das Restaurant verliessen, denn langsamer konnte ich meinen Salat nicht essen. Sie redeten nach dem Essen eine halbe Stunde lang, danach standen sie endlich auf. In dieser halben Stunde spielte ich mit meinem Handy herum, erntete ein paar Blicke von den Kellnern und am wichtigsten, ich liess mich nicht sehen. Ich konnte nicht riskieren, dass sie mich sahen. Immerhin, sie standen auf und Jessy musste noch auf die Toilette. In dieser Zeit bezahlte ich und schlich heraus, um in meinem Wagen auf sie zu warten. Dann endlich setzten sie einen Fuss nach dem anderen und verliessen das Gebäude. Ich konzentrierte mich darauf, was über ihnen geschah, denn aus dem nichts schwebte plötzlich ein Klavier über ihnen. Ein Klassiker, ich wusste es, aber eine andere Strategie kam mir nicht in den Sinn. Casper schien etwas vergessen zu haben und ging wieder hinein, als das Klavier plötzlich die Schwerkraft entdeckte und mit voller Wucht hinunter auf Jessy raste. Casper verpasste eine Show, was ein bisschen traurig war, aber auch so konnte ich ihm Leid hinzufügen. Indirekter Schmerz tut doch meistens mehr weh, als der Körperliche, oder?

Casper drehte sich mit den Jacken in seiner Hand um, als er das herunter fliegende Klavier sah. Es sah so aus, als würde er die Vorführung nicht verpassen. Hastig warf er die Jacken zur Seite und stürzte sich auf Jessy. Mit einer raschen Bewegung zog er sie aus der Gefahrenzone und schützte sie mit seinem Rücken vor dem Aufprall des Klaviers, dass nur wenige Meter vor ihnen auf den Boden krachte. Teile des Klaviers flogen durch die Luft und zerbrach die Fensterscheiben des Gebäudes. Casper richtete sich eilig auf, nach dem Aufprall, um den Parkplatz abzusuchen. Seine Augen trafen am Schluss auf meine und ich drückte aufs Gaspedal. Mit lauten quietschenden Reifen fuhr ich in die Nacht hinein.

"Saphira! Mach die verdammte Tür auf! Ich weiss, dass du da drin bist."

"Wenn du so weiter machst, fliegt die Tür noch aus den Angeln."

"Saphira, mach die Tür einfach auf!", jetzt begann er schon durch das ganze Haus zu schreien. Ein Seufzer verliess meinen Mund, als ich die Tür aufschloss und Casper hinein liess.

"Geht's dir gut?! Du hättest fast Jessy umgebracht!", wütend schloss er die Zimmertür zu, damit Jessy das Gespräch nicht mitverfolgte.

"Über was redest du?", ich setzte einen verwirrten Blick auf und machte mich auf meinem Bett gemütlich.

"Spiel nicht blöd! Du weisst ganz genau, was ich meine, also antworte!"

Gestresst lief er in meinem Zimmer auf und ab. Stopp, wollte ich schreien, denn es ging mir auf die Nerven.

"Es tut mir leid, ich konnte meine Wut nicht kontrollieren. Du hast mir den Mädchenabend versaut!"

"Deswegen wolltest du Jessy töten?" Wütend kam er zu mir und schaute mir tief in die Augen. Angestrengt versuchte ich den Blick standzuhalten.

"Ehrlich gesagt, der Klavier wäre für dich bestimmt. Jessy war nur im Weg."

"Du hättest das verdammte Klavier stoppen können! Es ist Jessy, Gott." Wow, er hatte sich nicht einmal beklagt, dass das Klavier für sich bestimmt war.

"Mir ist dann eingefallen, dass ein Unfall mit Jessy dich genauso mitnehmen würde, wie ein körperlicher Unfall. Vielleicht sogar schlimmer. Also liess ich das Klavier seinen Weg gehen."

"Du bist wahnsinnig!"

"Und was bist du? Du bist der Teufel in einem Engelgestalt.", beide unserer Stimmen wurde lauter und lauter. Jessy würde das Geschehen bald noch hören.

"Was? Wie kommst du darauf?", fragte er und schaute mich wieder einmal verwirrt an.

"Du machst mir immer alles kaputt. Manchmal wortwörtlich! Ich hätte fast eine Freundschaft mit Jessy aufbauen können, dann rufst du an und BAM schon ist sie weg! Ich bin der Teufel und versuche das Beste zu tun, während du den falschen Engel spielst. Was habe ich dir je angetan, dass du mich so behandelst?" Tränen begannen aus meinen Augenwinkeln zu schlüpfen. Sie strömten wie ein Wasserfall über meine Wangen und tropften auf den Boden. Ich konnte nicht mehr. Man nannte mich den Teufel, doch ich merkte selbst, dass das nicht stimmte. Ja, ich hätte viele Städte und Dörfer zerstört und plante die Erde ganz zu zerstören, aber das war es. Ich woltte die Erde zerstört haben, denn die Menschen konnten sich nicht entscheiden. Einmal waren sie lieb, im nächsten Moment waren sie wütend und böse. Ich war nicht verrückt, das wusste ich. Meine Gedanken glitten zu Adrian hinüber. Wo war er? Er hätte schon vor Wochen zurück im Raum sein sollen.

Der Raum.

Er schien mir als die einzige, jetzige Zuflucht. Geschwind machte ich die Augen zu und verfrachtete mich zu dem Zufluchtsort.

Weinend setzte ich mich auf das abgenutzte Sofa. Die Knie hatte ich angezogen und legte meinen Kopf auf sie, schlang meine Arme um meine Beine. So sass ich eine Weile, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte.

"Lass mich in Ruhe.", kam es gedämpft aus meinem Mund. Im nächsten Moment befand ich mich in zwei kräftigen Armen wieder. Ich hatte keine Kraft, deshalb liess ich mich in seinen Armen nieder. Meine Tränen liess ich freien lauf und schmiegte mich an ihn. Mir war es egal, dass er eine Freundin hatte. Mir war es egal, dass Jessy jeden Moment in mein Zimmer platzen könnte und niemand wäre dort. Und am wichtigsten, mir war egal, was wir wirklich waren.

Wenn man vom Teufel spricht...Where stories live. Discover now