Kapitel 6

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Ich konnte die Tatsache nicht akzeptieren. Das, was auf dem Planeten passiert war, musste eine Einbildung gewesen sein. Das jedenfalls redete ich mir die letzten paar Tage ein. Leider war die Realität komplett anders. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich fühlte etwas für Casper. Es hätte Wut sein sollen. Stattdessen war es Hingezogenheit. Deswegen war mein Plan dafür: ihm aus dem Weg zu gehen. Weshalb ich ihn nach dem Ausflug kaum gesehen hatte.

Die Schulglocke begann laut zu klingeln, was das Zeichen gab, dass die Schule begonnen hatte. Aufgeregte Schüler stürmten auf das Gebäude zu und versperrten damit meinen Weg dorthin. Ich wurde angerempelt, herumgestossen und am Schluss landete ich auf dem harten Betonboden. Dort blieb ich liegen, bis alle Schüler verschwunden waren. Als ich mich zum Aufstehen bewegen wollte, kam mir eine helfende Hand entgegen. Herzlich nahm ich sie mir entgegen, bis ich auf das Gesicht meines Heldens genauer betrachtete. Aus Schock liess ich diese Hand mitten im Prozess los und fiel zum zweiten Mal hin. Dabei schlug ich mit dem Kopf gegen den Boden. Der Schmerz, der nach dem Aufprall kam, war gedämpft und ich spürte ihn kaum. Der Schmerz war jedenfalls nicht das, was mich verwirrte. Mich verwirrte, dass plötztlich vor meinen Augen alles schwarz wurde. Angestrengt versuchte ich die Schwärze aus meinen Augen wegzublinzeln, doch sie blieb dort, wo sie war. Sie breitete sich sogar noch aus, bis sie meine ganze Sicht verdeckte. Ich hörte noch, wie jemand um Hilfe schrie und spürte ein paar Hände auf mir, danach hüllte mich die Dunkelheit ein und ich war weg.

Die Dunkelheit war gar nicht so erschreckend, wie ich es mir gedacht hatte. Sie war still, freundlich sogar. Es war gut für mich, die Dunkelheit zu akzeptieren, denn ich musste mich früher oder später daran gewöhnen. Ein Mädchen war plötzlich vor mir aus nichts aufgetaucht. In der Dunkelheit lief sie verwirrt herum. Schrie sogar nach Hilfe. Es kam keine. Kaum wollte ich mir Gedanken über das Mädchen machen, als sich die Szene vor mir veränderte. Das Mädchen lag jetzt in einem Bett und zitterte. Sie war bis zu ihrer Nasenspitze zugedeckt und schaute ängstlich in die Dunkelheit. Wieder fing sie an zu schreien. Der Schrei wurde von Sekunde zu Sekunde lauter und höher. Ich kam zu dem Punkt, dass ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich wollte zurückschreien, da merkte ich, dass es still geworden war. Kein Mucks kam aus dem Mund des Mädchens. Daraufhin wurde das schwarzhaarige Mädchen von der Dunkelheit verschluckt und die Dunkelheit wurde vom Licht langsam zerbröckelt. Das Gefühl, meine Muskeln wieder zu spüren war zauberhaft. Ich konnte wieder meine Augen öffnen und vor der Finsternis fliehen. Ich sah alles weiss, bis ich langsam verschwommene Figuren wahrnehmen konnte. Diese Figuren wurden immer schärfer. Sie waren Personen, die um mich standen. Der Raum, in dem ich mich befand, war weiss, stellte ich fest. Es war auch kein Boden mehr unter mir, sondern eine weiche Matratze. Mein Blick glitt wieder zu den Personen. Mein Atem stockte. Casper stand mit besorgtem Blick neben meinem Bett. Hinter ihm schaute der Schularzt verwundert über seine Schulter.

"Wie fühlen Sie sich?", der Arzt schritt nach vorne und umrundete Casper.

"Gut, schätze ich." Er stellte mir weitere Fragen, ob ich bewusstlos geworden wäre oder mich übergeben hätte und leuchtete mit einer Taschenlampe meine Augen, so dass ich fast blind wurde. Und Ärzte wollten helfen?

"Scheint alles gut zu sein. Die Kopfverletzung scheint nicht so schlimm zu sein. Höchstwahrscheinlich wird nach kurzer Zeit die Kopfschmerzen eintreten. Nehmen Sie das, als Linderung.", er gab mir ein Medikament und wandte sich Casper zu. "Und Sie Mr. Lansbury, könnten Sie vielleicht diese junge Dame in ihr Klassenzimmer begleiten?"

"Okay, wir haben jetzt sowieso das gleiche Fach.", Casper zuckte mit den Schultern und verzog eine Grimasse. Seine Hand kam wieder zum Vorschein, doch ich ignorierte sie und stand mit eigener Kraft auf. Auf meinen Füssen begann ich zu schwanken, was Casper dazubrachte, mich zu stützen, obwohl ich wusste, er machte es genauso unfreiwillig wie ich, dennoch wurde es mir mulmig zumute, alleine auf den Füssen zu stehen. Halb humpelnd, halb schleppend versuchte ich mit Casper's Schritten mitzuhalten. während er mich stützend Richtung Schulzimmer verfrachtete. Auf dem Weg kamen mir unzählige Fragen, ein paar mussten jetzt endlich geantwortet sein.

"Kann ich dich etwas fragen?", meine Stimme klang lautlos. Fast armselig. Ich räusperte, um meine Stimme wieder fit zu halten.

"Spuck's aus."

"Warum bist du so nett zu mir? Ich bin dein Feind höchstpersöhnlich. Ich bin der Albtraum in Person. Du solltest mich fürchten und nicht in ein Schulzimmer schleppen. Als du erfahren hast, was ich bin, hättest du die Stadt verlassen müssen. Oder du hättest mich vorher einfach am Boden liegen lassen sollen. Warum hilfst du mir?"

"Weisst du, einer der wichtigsten Regeln, die ich gelernt habe, ist; helfe demjenigen, der Hilfe braucht. Ob gut oder böse.", er lächelte stolz, als er seinen auswendig gelernten Satz aufsagte. "Und um deine anderen Fragen zu beantworten, ich habe keine Angst vor dir. So lange habe ich dich beleidigt und gemobbt, ohne dass ich deine wahre Identität gewusst habe. Jetzt machst du mir genauso grosse Angst, wie bevor ich dein Geheimnis kannte."

"Das tut weh, Mr. Lansbury. Du hast direkt in mein eiskaltes Herz getroffen.", um das alles dramatischer erscheinen zu lassen, hielt ich mir die Hand vor der Brust und keuchte spielerisch. Durch diese Action konnte Casper ein Lächeln nicht verkneifen, aber ignorierte meinen Kommentar.

Die Zimmertür war zu, als wir das Klassenzimmer erreichten. Sanft klopfte Casper mit der freien Hand, denn die andere war um meine Schulter, um mich zu stützen. Die Lehrerin öffnete sie, jedoch in diesem Moment liess Casper mich los und ich knallte mit der Nase voran auf den Boden. Ich hörte das Gelächter der Mitschüler, als sie sahen, dass die Streberin wieder den Boden küsste. Ein kleines "Ups." von Casper konnte ich noch hören, bevor auch er ins schallendes Gelächter ausbrach und über mich hinweg stieg. Nicht mal die Lehrerin machte sich Mühe mir zu helfen. Wie nett.

Der restliche Tag verging wie jeder andere. Ich musste von einem Ort zum anderen humpeln und während des Unterrichts so tun, als passte ich auf, obwohl ich in Wirklichkeit über Casper nach dachte. Die Details, wie er zum Beispiel den kleinen Kindern ein Lachen auf die Lippen zauberte oder wie er anderen Schülern mit den Hausaufgaben half, erkannte ich erst in diesem Moment.

Oh Gott, hatte ich das wirklich gedacht? Ich klang ja wie eine dieser Vollpfosten, die nur das Gute in allem und alles sehen wollen. Wenn ich ehrlich zu mir war, mochte ich, wie Casper sich als Badboy ausgab. Man traf ja nicht alle Tage einen Engel, der als ein Badboy durch die Stadt spazierte. Da gab es aber nur ein Problem. Er war trotz allem ein Engel.

Wenn man vom Teufel spricht...Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum