29. Kapitel

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Stumm binde ich die weißen Schnürsenkel meiner Sportschuhe zu, während meine Ohren den Worten von Isabell folgen, die mit uns noch einmal Taktik und Spielaufstellung durchgeht.

>>Ich bin mir sicher, dass wir gewinnen werden. Und denkt dran, es ist ein Freundschaftsspiel! Nehmt die gegnerische Mannschaft also nicht zu hart dran<<,beendet sie ihren Monolog und unterstreicht ihre letzten Worte mit einem koketten Augenzwinkern. Gekicher geht durch die Bankreihen, nur ich bleibe stumm.

Mir ist heute weder nach lachen, noch nach diesem Spiel. Dennoch will ich alles geben, Isabell beweisen, dass ich ohne sie klar komme. Sie soll nicht denken, dass das schwarze Loch in meinem Herzen, das sie verursacht hat, wirklich existiert.

>>Amelia, kommst du?<<

Ich nicke und lasse mich von Sofia hoch ziehen. Als ich mich in dem Raum umblicke ist Isabell bereits verschwunden. Ich hätte gerne noch ein Blick in ihre wunderschönen Augen geworfen, nur um mir erneut ins Gedächtnis zurück zurufen, dass ich in diesen nie wieder diese Zärtlichkeit sehen werde, wie ich sie einst sah. Vielleicht hätte der stechende Schmerz in meiner Brust dann dafür gesorgt, dass ich mit noch mehr Ehrgeiz an dieses Spiel rangehe.

>>Und, fühlst du dich fit genug für das Spiel?<<,will Sofia wissen, während wir den Gang der Sporthalle entlang gehen, um uns zur Erwärmung auf das Spielfeld zu begeben. Selbst hier ist es rappelvoll, und wir haben Mühe uns an den Menschen vorbei zu drängeln. Unter den dutzenden Mädchen unserer Schule scheinen auch viele Eltern zu sein, die sich ansehen wollen, wie sich ihre Töchter auf dem Spielfeld schlagen. Ein beklemmendes Gefühl macht sich in meiner Brust breit, als mir bewusst wird, dass mich wohl nie jemand spielen sehen wird.

>>Ich denke schon, ja<<,gebe ich Sofia dann schließlich als Antwort.

Ich spüre, wie sie mir einen unglaubwürdigen Blick zuwirft. Seit unserem Gespräch auf der Bank fragt sie mich ständig, wie es mir geht oder eben ob ich mich fit genug fühle. Immer wieder antworte ich ihr mit der gleichen Floskel, die ich mir selbst, wäre ich Sofia, wohl auch nicht mehr abkaufen würde.

Als wir jedoch am Treppengeländer​ ankommen, zieht etwas ganz anderes meine Aufmerksamkeit auf sich.

Isabell, und ein hochgewachsener Mann, der sich für meinen Geschmack deutlich zu nahe zu ihr vor lehnt. Ohne groß raten zu müssen ist mir sofort klar, dass es sich bei dem Mann eindeutig um William handeln muss. Nur ein Freund, wie Isabell zu sagen pflegte.

>>Oh, Miss Lanes heimlicher Geliebter<<,kommentiert nun auch noch Sofia das Szenario, dass sich vor meinen weit aufgerissenen Augen abspielt.

Während Isabell ihre schmalen Finger auf Williams Brust abgelegt hat, schiebt er seine Hand zu ihren Schulterblättern, wahrscheinlich um ihr so noch näher zu sein. Als er seine Lippen dann auch noch zu ihrem Ohr führt, wird mir speiübel. Er flüstert ihr irgendwas zu, was Isabell sichtlich amüsant zu finden scheint. Ihr lautes Lachen erfüllt den Eingangsbereich, und zu wissen, dass diese wundervolle Geste ganz alleine diesem Kerl gewidmet ist, macht mich irre vor Eifersucht.

>>Awww, was für ein süßes Paar, nicht wahr Amelia!<<

Das Grummeln in meinem Magen wird nur noch stärker durch Sofias Worten, die ja nicht wissen kann, dass ich die beiden alles andere als süß finde. Es ist abscheulich, wie er sich an sie schmiegt, als würde sie nur ihm gehören. Aber das tut sie nicht, oder doch? Meine Frage ist sofort vergessen, als ich plötzlich einen starken Aufprall an meiner Schulter wahrnehme. Bevor ich dem Mistkerl, der mich ohne Rücksicht angerempelt hat, eine Standpauke halten kann, verliere ich den sicheren Halt unter meinen Füßen. Das eiserne Geländer rutsch mir wie Schmierseife aus den Hände, und ehe ich mich versehe, knicken meine Füße um, als wären sie nur zwei trockene Äste. Ein lauter Schrei entkommt meiner Kehle, als sich die harten Kanten der Treppenstufen tief in meinen Rücken graben. Sofia, die schon längst unten angekommen ist, kann sich nur noch erschrocken zu mir umdrehen. Als mein Kopf dann mit einem harten Aufprall auf den gefliesten Boden aufschlägt, durchzuckt ein unerträglicher Schmerz meinen ganzen Körper und meine Lider werden schwer wie Blei. Bis sich ein tiefschwarzes Bild vor meinen Augen schiebt.

Captured- Im Netz der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt