10. Kapitel

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Erst ist es nur eine unscheinbare Gestalt, ein Schatten, der in dem dämmerndem Licht kaum auszumachen ist. Jedoch wird meine Neugier geweckt, die mich nun dazu antreibt, noch ein paar Schritte weiter auf das Schwimmbecken zu zugehen.

Ich trete näher heran, bleibe dich hinter einem Baum stehen, nur einige Meter von dem Schatten entfernt.

Das Licht fällt nun besser und lässt mich mehr von dieser Person erkennen.

Cremefarbene, perfekt gebräunte Haut, honigblonde Haare, die im Glanz der untergehenden Sonne goldig schimmern, himmelblaue Augen, die gespannt die Wasseroberfläche erforschen und eine schlanke, trainierte Figur, die nur durch einen roten Bikini bedeckt wird, lassen mich kurz um meinen Atem ringen. Ich weiß um welche Person es sich handelt. Alleine diese glänzenden blauen Augen, die mich zum Glück noch nicht entdeckt haben, würden dafür sorgen, dass ich sie unter Millionen wiederfinden könnte. Miss Lane.

Sie steht vor dem Beckenrand, scheinbar mit der Absicht am späten Abend noch einmal baden zu gehen, und starrt vor sich hin. Sie scheint zu träumen, fährt gedankenverloren mit ihrer rechten Fußspitze immer und immer wieder durch das Wasser. Dabei summt sie leise vor sich hin. Eine mir unbekannte Melodie, ein paar Wörter auf englisch, die sie leise vor sich her singt, und schon sorgt sie wieder dafür, dass mein Körper wie erstarrt ist und ich ihr gespannt lausche. Ihre Stimme ist wunderschön, melodisch, sanft und gefühlvoll.

Es fühlt sich an wie ein magischer Moment. Ich könnte ihr stundenlang zuhören und sie weiter beobachten, doch das was ich hier mache ist falsch. Miss Lane wird nicht ohne Grund so spät am Abend hier sein und vor sich hin träumen. Auch sie braucht ihre Ruhe und Privatsphäre, von der sie hier im Internat bestimmt sowieso nicht viel hat.

Jedoch wird meine Selbstbeherrschung gerade mächtig auf die Probe gestellt. Wie sie dort steht, so schön und atemberaubend. Am liebsten würde ich zu ihr gehen, weiter ihrer Stimme horchen, sie dann fest an mich ziehen, und nie wieder los lassen. Allein dieser Körper bringt mich schon auf dieser Entfernung um den Verstand.

Ich kämpfe mit mir, hadere ob ich gehen oder bleiben soll.

Doch im Endeffekt ist es wohl doch die fehlende Selbstbeherrschung, ausgelöst durch die wilden Gefühle, die ich schon lange zu kontrollieren versuche, die mich handeln lassen. Mein Gehirn setzt aus, meine Füße bewegen sich wie von alleine.

Ich gehe auf sie zu, ohne wirklich zu wissen, was ich denn eigentlich hier will. Ihre Stimme ist immer noch zu hören, ihr Blick immer noch starr auf die Wasseroberfläche gerichtet.

>>Sie sollten öfter singen.<<

Ich spreche, ohne das es mir wirklich bewusst ist. Doch ich bereue meine Worte so gleich wieder und trete ein Stück von ihr weg.

Miss Lane jedoch erschrickt, springt zurück und plumpst ins nasse Wasser.

Geschockt reiße ich meine Augen noch weiter auf, wie peinlich es mir ist, ist dabei klar in meinem Gesicht zu sehen. Fuck.

Miss Lane taucht schnell wieder auf, sieht sich irritiert um bis ihr Blick dann auf mich fällt. Ihre Haare kleben nass an ihrem Gesicht und einzelne Wassertropfen suchen sich ihren Weg über ihre Wange.

Ich schaue sie immer noch beschämt an, während ihre Augen entsetzt auf meine treffen.

>>Amelia? Wie kannst du mich so erschrecken?<<,fragt sie empört und deutlich genervt.

Ihre Augen glühen, leuchten voller Wut.

>>Ich...es....ich hab.....es tut mir leid.....ich...wollte Sie nicht erschrecken<<,stottere ich vor mich her, weiß nicht was ich sagen soll und trete automatisch noch ein weiteren Schritt von dem Pool weg.

Captured- Im Netz der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt