Kapitel 22

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Nichtsdestotrotz hatte ich nicht viel davon. Wie ich es mir natürlich schon dachte, träumte ich ziemlich schnell von dem Geschehenen. Im Unterbewusstsein bemerkte ich auch, wie ich mich die ganze Zeit herumwälzte und auf der Matratze hin- und herschaukelte. Auch die Federn stachen stetig in meine Haut. Trotzdem konnte ich mich nicht selbst munter machen, so sehr ich es auch wollte, was sonst ab und zu klappte. Da waren nur immer wieder die kalten Augen des toten Mannes. Sie starrten mich an und sagten, dass ich schuld an allem sei. Es war schlimm; zeigte mir dadurch wieder, dass ich die Sache verhindern hätte können, wenn ich an diesem Abend in meinem Bett geblieben, mir die Augen wegen meines Exfreundes ausgeheult hätte und nicht mit ins Penrose gegangen wäre.

Der Schweiß lief mir etappenweise vom Körper, durchtränkte die Bettwäsche und ließ mich nur noch panischer werden. War es nicht klar gewesen, dass ich keine ruhige Minute bekam? Ich wollte das doch alles nicht. Niemals tat ich einer Menschenseele jemals etwas an und schlagartig wurde mein ganzes Leben versaut. Nur wegen irgendeinem Gangster, der mich nicht in Ruhe lassen konnte? Nur was sollte ich nun machen? Wie dagegenwirken? Diesen Martinez antworten und fragen, was er von mir wollte und das tun, was er verlangte? Eventuell ließ er mich wenigstens dann in Ruhe und womöglich passierte dann auch keinem anderen mehr etwas. 

Ungeachtet dessen sagte Thomas schon, dass dieser Mann mich nicht in Frieden ließ. Das war schwer. Wie konnte man einen Psychopathen aufhalten? In dem man ihn selbst umbrachte? Das konnte ich nicht und auf die Idee kam ich auch niemals. Ich wuselte weiter auf meiner Matratze herum. Meine blonden Haare waren schon so zerzaust, dass sich diese wie ein Nest um meinen Hals wickelten. Es kam mir vor, als erwürgten mich diese regelrecht. Ich wimmerte auf, versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu scheuchen und wollte bloß noch meine Ruhe haben. Überall war dieses Blut. Es überschwemmte mich und ließ mich darin ertrinken. Kein Anker. Keine Rettungsboje. Nur ich allein im Nirgendwo. So stechend und unwillkürlich, dass ich mir wie in einem schlechten Film vorkam, aber auch gleichzeitig so real, als sagte es mir, dass dieser Mann nur wegen mir starb.

Meine Beine strampelten die Decke nach unten. Ich schwitzte und fror gleichzeitig, wobei sich nackter Schweiß auf meinem Körper breitmachte, die Klamotten total durchweichten. Ich schrie nach Hilfe, doch keiner konnte mich hören. Nach wem ich rief, wusste ich auch nicht. Vielleicht nach mir selbst; dass ich irgendwie wieder richtig wach wurde. Denn so konnte ich das nicht weiter ertragen. Ich durfte nicht zulassen, dass die Dunkelheit mich verzehrte, aber dagegen etwas zu machen; war auch nicht möglich. Unsichtbare Fäden hielten mich dort fest, wo ich mich nun befand, wollten mir jede Sekunde zeigen, die dieser Mensch gelitten hatte.

Nein. Sie sollten mich in Ruhe lassen. Ich wollte doch nur das. Nichts anderes. Aber das Flehen half nichts. Es machte irgendwie alles bloß noch schlimmer. Keine Ahnung, wie lange ich in meinen Träumen steckte. Ich wusste nur, dass ich kaum geschlafen hatte. Und wenig später fuhr ich auch schon kreischend nach oben. Das war die einzige Möglichkeit, die mir noch blieb: Mich regelrecht wachzuschreien. Es half irgendwie, ließ meinen Körper zwar erstarren und mich krampfhaft selbst umschlingen, aber der Schrei holte mich ins Hier und Jetzt. Er war laut. So laut, dass ihn womöglich jeder in meiner Nähe hörte. Sogar so laut, dass augenblicklich krachend die Tür gegen den Putz fiel.

Nebenbei erkannte ich eine breite Person im Rahmen, die eilig auf mich zu rannte. Bevor ich ihn spüren konnte, roch ich ihn auch schon. Damian. Prompt riss er mich nach oben. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht einordnen. Es war zwar dunkel, aber ich konnte ihn im matten Mondlicht erkennen. Und dann kam etwas, was ich nicht gedacht hätte. Er sagte nämlich: »Ich dachte schon, dass dir was passiert ist.«

Total versteift presste ich meine Wange gegen seinen nackten Oberkörper. Er hatte bestimmt schon geschlafen oder war drauf und dran. Zumindest trug er nichts weiter, als eine Boxershorts. Er war um einiges größer wie ich, wohingegen ich deswegen gleich mit dem Ohr über seinem Herzen hing. Kräftig schlug es in seiner Brust; schnell und unaufhaltsam, wurde lauter und lauter, aber es beruhigte mich extrem. Möglicherweise lag es daran, dass allgemein jemand dastand. Vielleicht aber auch an Damian. Ach, das war doch alles Mist. In meinem Schädel herrschte totales Chaos und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Das mein Körper auf ihn reagierte wusste ich, doch ich hatte noch ein Wörtchen mitzureden. Zumindest ging ich davon aus. Leider kam alles anders wie erwartet.

Bad Temptation I - DesireWhere stories live. Discover now