Kapitel 1

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»Weißt du... Du solltest dich endlich von Jason trennen. So wie die Sache zwischen euch läuft, ist das doch sowieso alles sinnlos. Schau mal: Ihr seht euch ja nicht und woher willst du wissen, ob er nicht in L.A. doch eine andere Frau hat?«, hörte ich Melanie Torres an meinem Ohr. Seit zwei Jahren war ich schon hier auf dem College und seit zwei Jahren wohnten wir auch zusammen. Ich hatte wirklich Glück mit ihr gehabt, wenn ich so darüber nachdachte und ich mochte sie sehr. Wenn man es so nahm, waren wir schon beste Freundinnen und ich ließ mir ihre Worte selbstverständlich durch den Kopf gehen; nahm gern ihren Rat an.

Denn auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, hatte sie meistens mit ihren Intuitionen, was die Sache Männer betraf; eindeutig recht. Darüber hinaus waren Jason und ich schon seit der Schulzeit ein Paar. Fünf Jahre um genau zu sein. Er war meine große Liebe und ich seine; so wie er immer verlauten ließ. Ich glaubte ihm das auch. Er war nicht der Typ Mensch, der mich verarschte. Immerhin kannten wir uns schon ewig. Jedoch waren die Worte von Melanie berechtigt.

Auf Anhieb kamen mir seine olivgrünen Augen in den Sinn. Ich vermisste ihn. Immer. Auch wenn es mittlerweile weniger war, als am Anfang. Oft weinte ich tagelang, als ich den ersten Schritt auf den Campus setzte, da er nicht mit nach New York kam, sondern in L.A. blieb, um in der Firma seines Vaters, eine Ausbildung zu machen. Mittlerweile gab es solche Schübe, da fehlte er mir mehr und dann wiederum, war es mir zwar nicht egal, doch die guten Zeiten hielten mich dann einfach zusammen. Irgendwie. Ich liebte ihn wirklich. Er war alles für mich sozusagen. Schließlich war er der erste Junge überhaupt in meinem Leben gewesen.

Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen, was prompt wieder verschwand, als Mel begann: »Ihr habt euch jetzt ein halbes Jahr nicht mehr gesehen... Ein halbes Jahr! Weißt du wie lange das ist? Und davor auch kaum. Also bitte, was willst du noch, damit du endlich kapierst, dass das zwischen euch eh nichts mehr bringt?« Unverzüglich musterte ich ihre karamellfarbenen Augen. Die hellbraunen Haare trug sie in einem wirren Dutt, wobei einzelne herausgefallene Strähnen ihre hohen Wangenknochen umrahmten. Sie stand neben mir, wohingegen ich einfach bloß auf dem Fensterstock hockte und die ganze Zeit nach draußen starrte.

In der einen Hand hielt ich verbissen mein Handy fest und war echt drauf und dran einen Anfall zu bekommen. Ich hatte an diesem Abend Jason bestimmt schon das dreißigste Mal angerufen und noch immer ging er nicht ran. »Er ist sicherlich arbeiten. Sein Vater hat auch immer ziemlich viel zu tun. Was will man auch bei diesen Immobilienjunkies erwarten?«, versuchte ich ihn in Schutz zu nehmen und drehte meinen Kopf wieder zur Scheibe, um nach draußen zu starren. »Jasmin.« Ich spürte ihre Finger an meinem Gesicht. Leicht strich sie über meine Wange, um mir eine blonde Strähne hinter das Ohr zu stecken. 

»Das ist alles nicht mehr wie früher. Glaub mir das. Die meisten Paare trennen sich, wenn der eine aufs College geht und in eine andere Stadt zieht. Was hast du erwartet? Das alles wie vorher ist? Wenn du ehrlich bist, weißt du doch selbst, dass ihr keine Zukunft miteinander haben werdet.« Der Gedanke kam mir auch schon, doch den schob ich immer sofort weg. »Wir sind aber nicht getrennt. Du redest schon so, als wäre das längst passiert«, zuckte ich zusammen und sprach die Worte schon fast panisch aus, weil sie mir damit selbstverständlich ein komisches Gewissen bereitete. Auf der Stelle sprang ich nach oben. »Ich kann das einfach nicht. Das geht nicht. Weißt du; wir sind gemeinsam zur Schule gegangen, zum Abschlussball und er... Daran will ich einfach nicht denken. Das geht nicht. Immerhin sind wir nicht erst seit gestern zusammen. Versteh das doch auch mal.« Diese Jahre gleich wegzuwerfen wäre ebenso ungerecht.

»Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber du klammerst dich da an irgendetwas fest, was schon seit einer Ewigkeit nicht mehr existiert. Schau mal wie lange wir schon hier sind und in der ganzen Zeit... Wie oft habe ich ihn denn gesehen? Fünf sechs Mal? Wenn das überhaupt hochkommt... Und das in zwei Jahren. Das ist schon ein bisschen wenig, meinst du nicht? Und wenn er Kohle ohne Ende hat, kann das ja nicht so schwer sein, dich öfter zu besuchen. Da kannst du das gut reden, wie du willst. Du kennst meine Meinung« und sie setzte sich im Schneidersitz auf die breite Sitzfläche der schwarzen Ledercouch in unserem Wohnzimmer.

Bad Temptation I - DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt