Kapitel 42

83 13 4
                                    

"Deric, kommst du?", ruft Ruby mich aus meinen Gedanken, woraufhin ich mich leicht benommen umsehe. Als ich sie entdeckt habe, eile ich wieder zu ihr und gehe ihr hinterher, auf eine große Wiese.
"Und das war jetzt das, was du mir unbedingt zeigen wolltest?"
"So ungefähr... der Mann war vorhin kurz weg und ich habe mit deinem Vater gesprochen. Deric, was siehst du, wenn du hier stehst?"
"Gras. Ein paar Bäume. Blumen. Aber  warum hast du mit meinem Vater gesprochen?", frage ich weitaus bissiger als beabsichtigt, doch sie lacht nur.
"Ist nunmal so. Und das meine ich nicht, das weißt du." Sie geht mitten auf die Wiese und legt sich hin, weshalb ich seufze und mich nochmal umblicke. Unter den Bäumen dort vorne haben Tristan und ich immer Drachen gegen Ritter gespielt. In den Büschen und kleinen dekorativen Felsen lagen immer die Nester des Drachen und inmitten von den Blumen musste der, der den Menschen spielte, immer herum hüpfen wie ein Verrückter. Das war unser Bild von den normalen Menschen. Na ja, bis er gestorben ist. Seitdem war ich nicht mehr hier... genauso wie ich sein Zimmer ewig lange gemieden habe. Tristan war damals mein einziger Freund, nachdem mein Vater weg war... es tat weh, als ich ihn verloren habe. Mehr als die Wunden, die ich mir im Kampf gegen die Ednegel zugezogen habe. Mehr als damals, wo Schatti  Torben fast verschlungen hätte. Mehr als alles zuvor. Ruby steht auf einmal direkt vor mir und lächelt schwach, als sie die Träne wegwischt, die mir entkommen ist, ohne dass ich es gemerkt hätte.
"Du bist nicht so, wie du dich immer gibst. Tief  im Inneren bist du noch immer ein kleines Kind. So wie jeder andere in unserem Alter das auch wäre", flüstert sie und entfernt sich wieder von mir, als hätte sie Angst, ich würde sie schlagen.
"Darüber hast du mit meinem Vater geredet, oder? Er hat dir von diesem Ort erzählt."
"Es hat mich darum gebeten, dich wieder zu dem Jungen zu machen, den er so geliebt hat. Für den er jederzeit sein Leben gegeben hätte. Er erkennt dich nicht wieder."
Schweigend wende ich ihr den Rücken zu und verlasse die Wiese. Wäre ichh vorhin nicht so in Gedanken versunken,  hätte ich gemerkt, wo wir hin gehen und wäre niemals mit. Sie hat mich eiskalt erwischt. Ich schließe kurz die Augen, atme tief durch und verwandle mich danach. Mit einigen wenigen kräftigen  Flügelschlägen schwebe ich  weit oberhalb der Insel. Die Luft ist kalt und brennt in meinen Lungen, doch ich genieße das Gefühl und scließe die Augen. Ist es Tristan, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin? Bei Torben gab es immer die Hoffnung, dass er zurück kommt, doch nach einer Beerdigung ist jegliche Hoffnung auf ein Wiedersehen erstickt im Keim. Lucia hat mich ein Monster genannt - meine eigene Mutterr - doch sie hat recht. Doch wenn ich das nun ablege, bin ich nichts mehr. Ein Niemand ohne Charakter. Willenlos und verwirrt in einer Welt, in der einen eine Sekunde des Zögerns töten kann. Oder übereiltes Handeln und blinder Gehorsam. Egal, wen ich jetzt fragen würde, mir zu helfen... ich müsste mich auf ewigen Spott einstellen. Und das ertrage ich nicht. Mag es sein wie es will, aber ich werde mich nicht ändern. Ich kann es nicht. Ruby muss hier weg und ich... ich bleibe eine verlorene Seele ohne Heimat. So wie ich es schon seit einer halben Ewigkeit bin. Die Welt der Mensch ist nichts für mich, doch auch die Insel fühlt sich - trotz all der Schönheit und Sorglosigkeit - nicht mehr wie ein Zuhause an. Eher  wie ein Gefängnis mit unsichtbaren Mauern.


Rubys Sicht

Schweigend schaue ich ihm hinterher, als er verschwindet. Ich füchte, dass ich das verhauen habe. Torben scheint mir offensichtlich nicht ganz zu trauen, doch er scheint ein gewisses Potential zu sehen, auch wenn ich nicht verstehe, wozu dieses Potential dient. Als der rabenschwarze Drache am Horizont verschwunden ist, schaue ich mich auf dieses so gewöhnlichen Wiese um. Was hat er hier gesehen? Was hat ihn so verletzt - so innerlich zerstört - dass seine Mauern nicht nur einbrechen, sondern explosionsartig in alle Richtungen hinfort geschleudert werden? Was ist hier geschehen, das ihn so mitgenommen hat? Eine Träne... ich kann es kaum glauben. Nachdenklich schaue ich in den strahlend blauen Himmel hinauf. Ob dort draußen wohl irgendjemand ist, der daran schuld hat?  Irgendwo in dieser Welt irgendjemand, der ihm womöglich sen Herz geraubt und es danach erkalten lies?
Doch zumindest eines hat mir der Aufenthalt hier klar gemacht... ich habe keine Ahnung auf welcher Seite ich stehen soll... Nach diesem Video... woran soll ich noch glauben, außer an die Gruausamkeit? Hat sich Mom damals wirklich selbst entschieden, sowas zu untersützten, oder wurde sie gezwungen? Egal was passiert, ich muss das rausfinden! Ich muss in die Bibliothek, in der Deric vorhin mit mir war, es muss doch  irgendeine Auskunft darüber geben, wer hier ganz objektiv betrachtet die gute Seite ist. Auufzeichnungen die mir die Wahrheit sagen und nicht immer nur verschönernde Halbwahrheiten.


Dragon Academy²Where stories live. Discover now