58 Zu spät?

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"Was?", brüllte Rico und stolperte nach hinten, weg von Lou und ihrem Handy, wo sie die letzten Szenen verfolgt hatten.

"Da war eine Explosion, oder? Das sah aus wie 'ne Explosion!"

"Naja, jetzt ist da Werbung", murmelte Lou und beobachtete den Banner, der das Video überlagerte. Er war so prompt gekommen, man konnte nicht sagen, was die Explosion angerichtet hatte.

in dem man nicht sagen konnte, was die Explosion angerichtet hatte.

"Der Typ scheint ganz schön obsessed mit dem argentinischen Regenwald zu sein", sprach Lou weiter. Sie klang ruhig, aber als Rico wieder näher trat, sah er, wie ihre Finger zitterten und das Smartphone in ihrer Hand wackelte.

Auf dem Display, der bedeckt von Regentropfen war, leuchtete etwas Grünes. Ein Schriftzug nannte das Landschaftsschutzgebiet im Nordwesten Córdobas, für dessen Vogelarten ein Naturschutzverein kämpfte. "Ich kenne den Ort. Und den Verein."

Lou sah zu ihm. "Ach, ja? Ich nicht."

"Der ... Der Verein hat auch nur ein paar Mitglieder. Keine Sau kennt den, selbst vor Ort ist Greenpeace erfolgreicher."

"Und du kennst die woher?"

"Der Vizepräsident war unser Nachbar, als wir in der Nähe von Córdoba gelebt haben."

"Du hast mal in Argentinien gelebt?" Lou schnaubte. "Die Information kommt auch recht spät."

"Sorry." Rico zuckte mit den Schultern. "Ist auch ewig her. Als Fee noch ganz klein war, haben wir uns dort circa ein Jahr vor der Presse versteckt."

"Und was hat es mit diesem Verein auf sich?"

"Eigentlich nichts. Den gab es halt in unserer Nachbarschaft."

"Aber dieser Viscerocranius. Der weiß das. Das ist doch kein Zufall."

"Keine Ahnung. Dieses Scheißvideo soll jetzt weitergehen! Ich muss wissen, was da passiert ist!"

Rico fluchte und fuhr sich aufgebracht durch seine nassen Haare. Die kurzen, verpixelten Bilder, die er eben gesehen hatte, machten ihn fertig. Was, wenn seine Ma tot war? Felina? Fuck, fuck, fuck!

Lou sagte nur: "Und dann? Dann sind wir weiter nur Zuschauer und helfen gar nicht. Wir rufen diesen Mistkerl jetzt an."

"Was?"

"Wir haben seine Nummer, oder? Also los, gib sie mir."

"Aber ... was sagst du ihm? Falls er überhaupt abnimmt?"

Lou verdrehte die Augen. "Ich weiß schon was. Jetzt gib endlich her!"

Etwas widerwillig beschloss Rico ihr zu vertrauen, obwohl er sich absolut nicht in der Verfassung fühlte, jetzt zu telefonieren oder irgendetwas Produktives zu machen. Er wollte schreien und weinen und jammern, vielleicht auch in irgendetwas prügeln bis er nicht mehr konnte.

"Okay, es wählt." Lou presste sich ihr Handy an den Kopf.

"Stell auf Lautsprecher", meinte Rico und zögerte kurz. "Ich will mithören, nicht mitreden. Ich hasse telefonieren."

"Jaja." Lou tat ihm den Gefallen, in diesem Moment erklang eine Männerstimme. Die Verbindung war so schlecht, dass die Stimme, obwohl sie unverzerrt war, schwer zu verstehen war. "Hallo, wer ist da?"

"Guten Tag, mein Name ist Lou Saller. Bin ich hier richtig bei jemanden, der sich Viscerocranius nennt?"

Wow. Rico starrte das Mädchen neben ihm überrascht an. Woher nahm Lou auf einmal so viel Selbstbewusstsein? In der Schule war sie immer so still. Womöglich war seine bisherige Meinung über sie völlig falsch.

"Wieso?", kam es am Telefon zurück.

"Ich betrachte das als ein Ja? Jedenfalls fehlt in Ihrer Show noch jemand, oder nicht? Wo ist Rico?" Lou klang viel zu überzeugend und Rico beschloss, es sich am besten nie mit ihr zu verspielen.

"Du wirst es mir gleich sagen."

"Falsch", widersprach Lou. "Ich werde ihn zu Ihnen bringen."

"Ach, ja? Wie?"

"Nennen Sie mir die Adresse. Rico steht auf mich, ich kann ihn ganz einfach dorthin locken. Außerdem vertraut er mir."

Was? Moment. Verarscht sie gerade Viscerocranius oder Rico? Er war verwirrt und hatte sie gerade gesagt, er würde auf sie stehen? Sie wusste das? Was?! Scheiße.

Knallrot im Gesicht wandte sich Rico leicht ab, damit Lou nicht bemerkte, wie er das gerade lieber nicht gehört hatte.

Die war sowieso beschäftigt. Rico hatte dem Telefonat nicht mehr zugehört, aber jetzt stupste Lou ihn an. Der drehte sich, immer noch errötet, wieder zu ihr um.

Lou strahlte vor Freude und hob erfolgreich den Daumen. Am Telefon sagte Viscerocranius noch: "Kommt nicht zu spät, und kommt allein. Keine Polizei. Ansonsten fliegt das ganze Gebäude in die Luft, seid also nicht bescheuert."

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now