17 Albträume

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Die beiden Polizisten standen vor Rico und wollten nicht ein einziges Wort glauben. Ihr Blick war nüchtern und zweifelnd, besonders, als sie sich kurz gegenseitig ansahen und wortlos ihre Meinung austauschten.

Der kräftiger gebaute Beamte wiederholte dann skeptisch: „Sie sagen also, ihre neunjährige Tochter sei bei Cielo Vaz? Dem Cielo Vaz?"

Ricos Ma räusperte sich leicht und nickte. Sie brachte kein Wort mehr heraus, schließlich hatten sie die Sachlage jetzt schon dreimal erklärt. Wobei, sie könnten immer noch erwähnen, dass es sich bei Cielo Vaz um Felinas Vater handelte. Nur konnte Rico sich nicht vorstellen, dass die Bullen das für sich behalten würden und dieses Risiko einzugehen ... so verzweifelt waren sie wohl doch noch nicht.

„Wissen Sie, wir sind die Polizei und nicht die Eintrittskarte zu irgendeinem berühmten Sänger. Ich kann da nicht einfach hinfahren, nur weil Sie behaupten-"

„Er hat meine Tochter!" Es war ein entgeistertes Kreischen, bei dem alle Anwesenden zusammen zuckten. Die Polizisten waren trotzdem nicht überzeugt.

„Für mich klingt das mehr nach einem perfiden Plan, nach der Aufmerksamkeit von einem Promi zu lechzen. Außerdem haben die Sicherheitspersonal. Denen können wir Bescheid sagen, viel mehr können wir da nicht machen. Wenn man bei so Leuten die Privatsphäre stört, klagen die."

Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Rico schnaubte und brachte verärgert hervor: „Felina ist nicht hier."

Okay, Luft holen. Er erklärte fest: „Sie ist neun Jahre alt, es ist mitten in der Nacht und sie ist nicht hier. Wenn es die Vermutung gibt, dass sie an einem bestimmten Ort ist, dann müssen Sie da doch einmal nachschauen, oder nicht?"

Sie hätten doch nicht die Polizei anrufen sollen. Rico hatte es ja gleich gesagt, aber seine Mutter war dagegen. Er hatte gleich zu dem Hotel fahren wollen, wo sein Vater angeblich diese Nacht residiert, aber seine Ma hatte Panik geschoben. Sie hatte Angst vor den Paparazzi, die dort warten würden, auf sie und auf Rico und womöglich auch auf Felina.

„Für mich klingt das eher, als müssten wir einmal das Jugendamt einschalten. Wie kommt es, dass ihre Tochter mitten in der Nacht verschwindet? Ist sie weggelaufen?"

Okay, jetzt wurden die Polizisten unverschämt. Rico holte tief Luft und begann dann mit seinem Notfallplan. Er griff nach seinem Handy und atmete offensichtlich auf.

„Alles gut", erklärte er dann und lächelte die Polizisten möglichst erleichtert an. „Sie ist bei ihrem Vater. Er hat geschrieben. Alles gut. Danke."

Die Beamten starrten ihn skeptisch an und diskutierten dann noch mit seiner Mutter, die glücklicherweise Ricos Spiel mitmachte. Sie überzeugten die Beatmen und Rico zeigte ihnen sogar eine gefälschte SMS. Er hatte den Notfallplan vorbereitet, denn von Bullen hatte er noch nie ein gutes Bild gehabt.

Die ließen sie jetzt endlich zurück und riefen auch ihre Kollegen zurück, die auf den Straßen nach Felina Ausschau gehalten hatten. Jetzt nur leider nicht mehr und sie war noch immer da draußen.

„Wieso hast du das getan?", wollte Viktoria sofort wissen, als die Polizisten weg waren. Sie war aufgebracht und Rico sah ihr an, dass sie bei einem falschen Wort entweder schreien oder weinen würde und er beides gerne vermeiden würde.

„Jugendamt? Nein, danke."

„Wenn sie jetzt doch irgendwo Felina aufgabeln?"

„Sie wird wieder zu ... du weißt schon wem gefahren sein. Es ist kein Zufall, dass sie genau da verschwindet, wenn er wieder in der Stadt ist." Rico blieb entschlossen. „Und genau da fahre ich jetzt auch hin."

„Aber ..." Sie stockte und sagte nichts mehr.

„Ich passe schon auf mich auf. Beim Sicherheitspersonal nachzufragen, das kann ja nicht schaden."

Es brauchte noch etwas mehr Überzeugungskraft, bis sie ihn gehen ließ. Schließlich war es nach Mitternacht und er nicht volljährig, mal abgesehen davon, dass morgen Schule war. Aber sie selbst würde nicht in die Nähe von irgendwelchen potenziellen Paparazzi gehen. Da hat sie sich in den letzten Jahren mit Fill ein paar Komplexe aufgebaut, die Rico verstand.

Viktoria hatte gekämpft für ein privates Leben. Es hatte lange gedauert, bis die Presse sie nach ihrer Trennung in Ruhe gelassen hatte, aber sie hatten es geschafft. Das würde sie sich nicht wieder nehmen wollen und Rico würde sich wirklich Mühe geben, das nicht in Gefahr zu bringen. Nur wenn Felina irgendwo da draußen war, dann war womöglich sowieso alles schon zu spät.

Er zog sich einen dicken Pullover über und wollte aufbrechen, als das Telefon klingelte. Rico und seine Ma warfen sich einen erschrockenen Blick zu und hechteten dann beide nach dem Hörer.

„H-Hallo?" Viktoria stellte auf Lautsprecher.

Es dauerte, bis eine Antwort kam. Dann endlich nuschelte Felina beschämt: „Hi Mama."

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now