Quälendes Warten

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Einige Stunden später liege ich bäuchlings auf meinem Designerbett, mein Handy in der Hand, auf dem die Nachricht zu sehen ist, die ich nun bereits seit geschlagenen fünf Minuten anstarre, aber nicht abschicke. Soll ich es tun oder doch lieber bleiben lassen? Ich weiß es nicht. Es würde einiges ändern. Es wäre ein neuer, unbekannter Schachzug, den ich gehen würde. Damit setzte ich alles auf eine Karte. Aber will ich das wirklich tun? Argh! Es ist zum Verzweifeln.

Ich lösche die Nachricht, um sie im nächsten Moment erneut zu schreiben. Es ist zum Kotzen! Mein Finger will einfach nicht den Knopf drücken, der all das hier sendet, aber auf der anderen Seite wäre es meine Chance zurück ins Spiel zu kommen:

"Hi Amely,

lange nichts mehr gehört. Wie geht es dir denn so? Ich muss immer wieder an dich denken, wenn ich im Hundehimmel bei Batdog bin. Leider haben wir uns da wohl immer knapp verfehlt. Daher wollte ich fragen, ob wir uns nicht mal wieder treffen wollen? Du darfst auch entscheiden, was wir machen. Kino? Schwimmbad? Irgendwelche Vorschläge? Ich würde mich auf jeden Fall freuen.

Liebe Grüße

Thomas"

Das hört sich vollkommen bescheuert an. Ich renne meinen Opfern doch nicht hinterher! Und trotzdem, wenn es klappt, würden wir uns vielleicht näher kommen, ich könnte allmählich ihr Vertrauen gewinnen und würde dadurch hoffentlich auch endlich erfahren, warum ausgerechnet sie mein Schützling geworden ist. Denn das muss ich um jeden Preis wissen. Ich verstehe es nämlich einfach nicht. Es will nicht in meinen Kopf hinein, dass ich das kleine, hässliche und nervige Rumpelstilzchen gewählt habe. Das ergibt keinen Sinn. Es ist ein einziges, großes Rätsel, das sich mir beim besten Willen nicht erschließt.

Erschrocken stelle ich fest, dass ich ganz in Gedanken versunken nun doch auf Senden gedrückt habe. Aufgebracht lasse ich das Handy fallen, als hätte ich mich daran verbrannt, springe auf und flüchte aus dem Zimmer. Ich habe gerade nicht wirklich um ein Treffen mit meinem menschlichen Schützling gebeten? Ich muss völlig übergeschnappt sein.

Eilig renne ich immer zwei Stufen auf einmal nehmend nach unten in die Küche und komme schlitternd vor dem Schrank zum Stehen, in dem ich meinen Alkoholvorrat bunkere. Unschlüssig starre ich einige Sekunden darauf und kratze mich am Hinterkopf. Dann zucke ich jedoch mit den Schultern, gehe kurzerhand an dem Schrank vorbei und hole mir stattdessen eine Packung Paprikachips aus dem Regal.

Bewaffnet mit diesen lasse ich mich anschließend vor dem Fernseher nieder und reiße die Packung entschlossen auf. Ein lautes Rascheln ertönt, als ich mir eine Hand voll der leckeren Chips heraushole und mir in den Mund schiebe. Zumindest habe ich etwas gefunden, mit dem ich mich ablenken kann.

Kauend starre ich einige Zeit abwesend auf den schwarzen Bildschirm, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlagen:

"Warum bin ich nur schwach geworden und habe dem kleinen Rumpelstilzchen diese SMS geschrieben? Warum interessiert mich das Ganze überhaupt? Und warum habe ich sie bitte zu meinem Schützling gemacht?"

Mit Mühe gelingt es mir, mich aus meiner Schockstarre zu befreien und nach der Fernbedienung zu greifen. Ich schalte den Fernseher ein und zappe ruhelos durch die verschiedenen Programme, kann mich jedoch für Keines entscheiden.

Schließlich bleibe ich bei Betrugsfälle hängen und sehe gebannt zu, wie eine Frau von ihrem Ehemann betrogen wird, der eigentlich nur ihr Geld haben will und eine viel jüngere Freundin hat. Naja, zumindest tue ich so, als würde ich das Ganze gebannt verfolgen. In Wahrheit wandern meine Gedanken immer wieder zu dem Handy, das ganz allein dort oben auf meinem Bett liegt und womöglich schon eine Antwort vom kleinen Rumpelstilzchen für mich bereithält.

Faceless - Ewige Verdammnis Where stories live. Discover now