Glückstreffen

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Die Fahrt bringe ich damit zu die Lieder von "30 Seconds to Mars" lautstark mit zu gröhlen, wobei ich die Musik auf volle Lautstärke gedreht habe, sodass der Bass die Boxen wummern lässt. Auf den Gehwegen drehen sich die Köpfe nach mir um, was ich mittlerweile nicht einmal mehr beachte. Es ist so eine gewöhnliche Sache, wie das Atmen und auch nicht irgendwie spektakulärer, als dieses. Und manchmal zudem ziemlich lästig.

Ich finde einen Parkplatz direkt vor dem Dream, schalte den Motor ab und steige aus. Die Stille, die sich nun breit machen will, wird von der lauten Musik, die aus dem großen, kastenförmigen Gebäude kommt, vertrieben.

Prüfend mustere ich den Club vor mir, der bei meinem letzten Besuch noch nicht da gewesen war, wie so vieles andere auch. Ich glaube mich daran erinnern zu können, dass hier früher ein Krämerladen oder so etwas in der Art stand. Ja, genau. Der Inhaber hieß Wilmut Möller und war ein miesepetriger Zeitgenosse gewesen. Da gefällt mir das, was ich nun sehe, schon um einiges besser.

Das Dream ist ein sehr neuer und angesagter Schuppen, den es laut Google erst seit einem halben Jahr gibt. Da bin ich ja einmal gespannt. Auf jeden Fall macht er von außen einen relativ vielversprechenden Eindruck. Nicht zu absteigenmäßig, wie viele der Bars hier in der Gegend. Mal sehen, ob das von Innen genau so aussieht oder ob das Äußere täuscht.

Ich stelle mich nicht in der Schlange an, wie die anderen, die ungeduldig vor dem Eingang warten und von einem Fuß auf den anderen treten, sondern gehe einfach bis ganz nach vorne durch. Dreistigkeit macht sich eben doch bezahlt. Vor allem, wenn man augenscheinlich die Person ist, die jeder vor sich haben will.

Schnell bezahle ich den Eintritt von sechs Euro, ohne auf die Blicke der anderen zu achten und zeige meinen Ausweis vor. Der Türsteher schaut mich dabei mit offenem Mund an, als sei ich die Wiedergeburt von Michael Jackson höchst persönlich. Ätzend.

Es ist nicht so, dass ich Michael Jackson damals nicht mochte. Er war ein ziemlich cooler Zeitgenosse. Zwar irgendwie ein bisschen krank im Kopf, aber auf der anderen Seite einfach nur lässig, absolut crazy und er machte gute Musik. Vielleicht hat mir ja auch genau das so gut an ihm gefallen. Seine Verrücktheit. Er schmeckte nur leider nicht mehr all zu gut, als ich ihm schließlich die Seele raubte. Der Medikamentenkonsum hatte ihn bedauerlicherweise zu einem ziemlich leichten Opfer gemacht.

Ich schaue wieder auf den Türsteher, der mich noch immer mit offenem Mund angafft und nicht zur Seite weichen will, um mich durchzulassen. Herrgott nochmal! Vielleicht bin ich in seinen Augen ja sogar tatsächlich Michael Jackson? Man weiß schließlich nie so genau, was sich diese kranken Menschen so alles herbeisehnen. Das ist auch eine der größten Schwierigkeiten in meinem Job. Ich muss immer zuerst herausfinden, wen diese dämlichen Wesen nun genau in mir sehen, bevor ich meine Arbeit richtig vollenden kann.

Einmal habe ich zum Beispiel ein Mädchen unter meinen Opfern gehabt, das dachte, ich sei die Wiedergeburt Jesus Christi. Ich meine, hallo? Woher sollte ich das denn bitteschön wissen? Sie ging noch nicht einmal regelmäßig in die Kirche, geschweige denn, dass sie irgendwie besonders christlich gewesen wäre. Warum also sehnt man sich einen Typen herbei, der sich freiwillig hat ans Kreuz nageln lassen? Ich meine, wie doof muss man sein? Andersherum von mir aus gerne. Ich nagle schließlich auch mit Vorliebe heiße Weiber. Mehr aber auch nicht. Das ist doch absolut dämlich. Vor allem, wenn man angeblich der Sohn Gottes ist. Niemals hätte ich für dieses lästige Menschenpack mein Leben gelassen. Alles Weicheier.

Als der Türsteher noch immer keine Anstalten macht zur Seite zu treten, räuspere ich mich laut und frage genervt:

"Stimmt etwas nicht? Willst du ein Foto von mir oder was glotzt du so?"

Sofort schleicht sich Panik in das rundliche Gesicht des Türstehers. Schweißperlen rinnen seine Stirn hinunter und er schluckt schwer. Dann tritt er jedoch wortlos einen Schritt zur Seite, wobei sein Mund noch immer weit offen steht. Meine Güte, wie erbärmlich! Dieser Typ hier macht seiner Berufsbezeichnung gerade wirklich alle Ehre. Er steht nur blöd vor der Tür herum.

Faceless - Ewige Verdammnis Where stories live. Discover now