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Nun ist es also tatsächlich so weit. Es ist Mittwoch und ich bin nicht mehr ganz so zuversichtlich, wie noch die Tage zuvor. Das kleine Rumpelstilzchen hat mir mittlerweile gelehrt, dass ich bei ihr besser auf der Hut sein sollte. Sie ist ein kleiner Teufel in Menschengestalt und meine Tricks wirken nicht so, wie bei anderen Opfern. Sie scheint gegen vieles resistent zu sein. Jedoch sieht mir das gar nicht ähnlich. Wo ist plötzlich meine Zuversicht hin?

"Jetzt hör auf die Memme zu spielen! Du bist ja schlimmer, als dein Angsthase von einem Vater!", ermahne ich mich innerlich. Ich verhalte mich in letzter Zeit wirklich seltsam. Das kann so nicht weiter gehen. Ich bin Thomas Crowen, der gefürchtetste Faceless aller Zeiten. Daran wird auch ein dahergelaufenes Mädchen nichts ändern können. Schnell straffe ich meine Schultern und konzentriere mich auf die Aufgabe, die nun vor mir liegt. Es wird sicher Spaß machen das kleine Rumpelstilzchen zu verarschen. Im Täuschen bin ich schon immer ein Meister gewesen.

Hastig schlinge ich zwei Donuts hinunter und spüle mit einem Kaffee nach, dann mache ich mich auf den Weg. Ich will schließlich nicht zu spät kommen. Den Letzten beißen bekanntlich die Hunde. Bei diesem Gedanken muss ich schmunzeln.

▪ ▪ ▪

Als ich vor dem Eingang des Hundehimmels stehe und auf die Klingel drücke, bin ich schon wieder guter Dinge. Mein Selbstbewusstsein ist zurückgekehrt und mit ihm auch mein altes Ich. Was auch immer das vorhin gewesen ist, es ist so schnell verflogen, wie es gekommen ist. Vielleicht sind mir auch einfach nur die Austern von heute Mittag auf den Magen geschlagen oder so etwas in der Art. Auch wenn mir das zuvor noch nie passiert ist. Aber es gibt schließlich für alles ein erstes Mal.

Der Türsummer ertönt und ich öffne vorsichtig das Tor. Schon von weitem kann ich das lästige Bellen der hässlichen Biester hören. Jedoch darf ich mir nun nicht mehr anmerken lassen, wie sehr ich diese Flohschleudern verabscheue. Sonst kann ich meinen Plan auch gleich in die Tonne kloppen. Alles hängt davon ab, ob ich meine Rolle nun überzeugend spiele oder nicht.

Eine rundliche Frau eilt mir entgegen, die ein eklig breites Strahlen auf den Lippen hat und einen kleinen Zwergpudel hinter sich herzieht. Ich habe noch nie verstanden, was man an diesen winzigen Viechern findet, die eher wie Ratten, als Hunde, aussehen. Wenn man die einmal übersieht und drauftritt macht es Quiek und sie sind flach wie eine Flunder. Solche grässlichen Fußabtreter gehören alle ersäuft. Das ist wirklich eine Zumutung.

Ich gehe direkt in das große Haupthaus und entdecke sofort die Person, die ich suche. Sie steht mit dem Rücken zu mir und füllt versunken irgendwelche Formulare aus. Sie scheint nicht einmal bemerkt zu haben, dass jemand zur Tür herein gekommen ist.

Etwas unschlüssig bleibe ich stehen und beobachte Amely genaustens. Ihre roten Haare gleichen wie so oft einem Vogelnest oder einem explodierten Sofakissen. Wie man es nimmt, beides beschreibt es ziemlich treffend, wie ich finde. Sie trägt ein T-Shirt, mit dem Logo des Hundeheims und hat konzentriert ihre Stirn in Falten gelegt, als würde sie über irgendetwas nachgrübeln. Dabei hat sie ihre Zunge zwischen die Lippen geklemmt, was ziemlich lustig aussieht.

"Hi. Bin ich hier richtig, wenn ich etwas Gutes tun und einem Hund helfen will?", breche ich das Schweigen. Amely zuckt heftig zusammen und fährt panisch zu mir herum, wobei ihr der Stift, mit dem sie bis gerade eben noch geschrieben hat, vor Schreck aus der Hand fällt. Schnell beuge ich mich hinunter und hebe ihn wieder auf.

"Hier. Ich glaube du hast da etwas verloren", schmunzle ich und reiche ihr den Stift, den sie wortlos und mit zunehmend finsterer Miene entgegen nimmt.

"Was willst du hier?", fragt sie mich kalt, ohne sich für meine Hilfe zu bedanken. Der hat aber auch wirklich noch keiner Manieren beigebracht.

"Das habe ich dir doch bereits gesagt. Ich will einen Hund retten", gebe ich bemüht geduldig zurück, auch wenn ich Amely am liebsten gepackt und heftig geschüttelt hätte, bis ihr Hören und Sehen vergeht.

Skeptisch zieht das kleine Rumpelstilzchen eine Augenbraue in die Höhe:

"Du willst einen Hund kaufen? Na klar! Du weißt doch noch nicht einmal, was es heißt Verantwortung für dich selbst zu übernehmen und dann soll ich dir einen unserer Süßen überlassen? Ganz gewiss nicht."

Boah! Wie diese Zicke mich nervt. Sie muss aber auch wirklich alles kompliziert machen. Das ist so verdammt anstrengend. Wenn das so ist, muss ich eben doch zu härteren Mitteln greifen.

"Was kann ich tun, um dich vom Gegenteil zu überzeugen? Sag es mir. Ich tue alles, was du willst. Wirklich. Ich wollte schon immer einen Hund haben, bereits als kleines Kind. Meine Eltern haben es mir bloß nicht erlaubt, weil meine Mutter eine Tierhaarallergie hatte", bitte ich flehend. Ich bitte flehend! So weit ist es nun also schon gekommen. Dieses Mädchen macht mich noch ganz krank.

Amely fährt sich nachdenklich durch die Haare und legt ihre Stirn in Falten. Es scheint, als führe sie einen inneren Kampf mit sich selbst. Dann hellt sich ihr Gesicht jedoch plötzlich auf und ein boshaftes, hinterhältiges Funkeln schleicht sich in ihre grünen Moosaugen. Ich ahne bereits Schlimmes.

"Wenn du wirklich so dringend einen Hund haben willst, wie du behauptest, dann musst du mir vorher zuerst beweisen, dass du auch dafür geeignet bist. Ich gebe dir zwei Wochen Zeit. Wenn du jeden Tag hierher kommst und dich um unseren Schäferhundmischling Jesse kümmerst, überlege ich mir das Ganze noch einmal. Aber nur, wenn du es schaffst, dass er dich mag", verkündet Amely die Regeln. Ich traue meinen Ohren kaum. Das meint sie doch jetzt nicht wirklich ernst. Sie kann doch nicht wirklich von mir erwarten, dass ich einen Köter zwei Wochen lang Gassi führe, ihn füttere und was weiß ich noch alles tue, bis er mich irgendwann schwanzwedelnd begrüßt? So war das eigentlich nicht geplant. Trotzdem setze ich ein falsches Lächeln auf und erwidere bemüht erfreut:

"Klar. Nichts lieber, als das."

Ein triumphierendes Grinsen schleicht sich auf das Gesicht der Hexe:

"Super. Dann komm gleich mit. Ich stelle dir Jesse vor. Er ist ein wirklich gaaaaaaanz süßer Bursche."

Wenig begeistert folge ich dem kleinen Rumpelstilzchen zu den Zwingern. In was für eine scheiß Situation hat mich diese hässliche Zicke nun schon wieder gebracht? Sie ist wirklich unausstehlich. Langsam verfluche ich den Tag, an dem ich sie getroffen habe. Aber wenn ich etwas anfange, dann bringe ich das auch zu Ende. Das habe ich schon immer getan und werde ich auch immer tun.

Faceless - Ewige Verdammnis Where stories live. Discover now